Macht und Einfluss der Medien in Deutschland

aus OWEP 2/2010  •  von Christian Klenk

Christian Klenk ist Diplom-Journalist und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Studiengang Journalistik der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Mehr als zehn Stunden am Tag nutzt ein Mensch in Deutschland heutzutage durchschnittlich die Medien – von den gedruckten Zeitungen, Zeitschriften und Büchern über Rundfunk und Tonträger bis hin zum Internet. Zehn Stunden am Tag bedeuten für einen Mann bei der heute statistischen Lebenserwartung, dass er 32 Jahre seines Daseins nur für die Medienrezeption aufwendet. Frauen haben noch zwei Jahre länger dieses Vergnügen. Freilich muss man bedenken: Es gibt die Vielseher, bei denen die Flimmerkiste den ganzen Tag läuft, und es gibt Menschen, die einen maßvollen Medienkonsum gelernt haben. Außerdem wird die Zeitung während des Frühstücks gelesen, die Fernsehnachrichten umrahmen das Abendessen, beim Lesen eines Buches läuft zugleich der CD-Spieler, und das Radio dient bei der Autofahrt als Geräuschkulisse – ohne diese Parallelnutzung müsste ein Tag schon längst mehr als 24 Stunden dauern.

Massenmedien haben die Macht über unseren Alltag ergriffen: Medien werden quer durch alle Altersklassen, Bildungsschichten und sozialen Milieus genutzt, wenngleich es Unterschiede insbesondere bei der inhaltlichen Schwerpunktsetzung gibt. Die Dauer des Medienkonsums nimmt bislang stetig zu – vor zwanzig Jahren waren es im Bevölkerungsdurchschnitt täglich nur gut sechs Stunden. Die Medien strukturieren unseren Alltag: Zur „Tagesschau“ wird abends pünktlich um Acht der Fernseher eingeschaltet, der frühe Abend ist für „Verbotene Liebe“ reserviert, der Sonntagabend gehört dem „Tatort“. Und schließlich greifen die Medien aktiv ins gesellschaftliche Leben ein: Sie verschaffen den politischen Kräften eine Möglichkeit, ihre Standpunkte zu vertreten, sie helfen bei der Suche nach Kriminellen, sie sammeln Spenden bei humanitären Katastrophen und überprüfen die Leistungen von Hotels und Handwerkern. Die Medien beeinflussen unsere Wahrnehmung der Realität. „Was wir über die Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir von den Medien“, schreibt der Philosoph und Soziologe Niklas Luhmann.

Wir müssen heute nicht mehr ungeduldig abwarten, bis uns ein Bote zu Pferde die neuesten Botschaften aus der Ferne bringt. Der Nachrichtenstrom fließt ununterbrochen und überall. Wir müssen schon bewusst abschalten oder uns gleich in ein stilles Kloster zurückziehen, um dem Geflimmer und Gedudel zu entkommen.

Die Evolution der Massenmedien fand im Laufe der Geschichte vor allem in zeitlicher und räumlicher Dimension statt: in der Verkürzung der Periodizität sowie in der Vergrößerung des Verbreitungsradius. Die erste tägliche Zeitung, die von 1650 an in Leipzig erschien und der rasch Nachahmer folgten, bedeutete ein bis dahin nicht gekanntes Maß an Aktualität im Mediengeschäft. Die ersten Radiosendungen ab den 1920er Jahren waren schon live. Im Zeitalter von Nachrichtensendern und Internet gibt es keinen Redaktionsschluss mehr: Als das zweite entführte Flugzeug am 11. September 2001 in das New Yorker World Trade Center raste, waren die Fernsehstationen bereits auf Sendung. Die Bilder waren auch auf der anderen Seite der Erdkugel ohne Zeitverzug zu sehen.

Zugleich sind wir an jedem denkbaren Ort auf Empfang. Einst hatten gedruckte Medien noch das Alleinstellungsmerkmal der Disponibilität – sie konnten zur Lektüre überall mitgekommen werden: auf eine Parkbank, ins Bett oder, wenn’s sein muss, auf die Toilette. Bald wird nicht nur die junge, technikbegeisterte Generation mit internetfähigen Mobiltelefonen außer Haus gehen – falls diese Multifunktionsgeräte dann noch so heißen. Der Umgang mit Medien ist für uns so alltäglich und selbstverständlich geworden, dass sich unweigerlich die Frage stellt, weshalb man darüber noch grundsätzliche Worte verlieren sollte. Doch gerade dann, wenn ein Thema so facettenreich ist und zugleich aufgrund technischer Innovationen und gesellschaftlicher Veränderungen einem enormen Wandel unterliegt, kann es hilfreich sein, sich dem Gegenstand systematisch zu nähern, ihn einzuordnen und zu reflektieren.

Was machen Medien? – Definitionen und Funktionen

Der Begriff „Medien“ ist vielschichtig. Im weitesten Sinne sind Medien alle zur menschlichen Kommunikation nötigen Mittel wie Sprache oder Zeichen sowie ihre materiellen Träger, von den einstigen Höhlenmalereien zu den heutigen Datennetzwerken und Mikrocomputern, die die Anwesenheit eines der kommunizierenden Partner entbehrlich machen. Umgangssprachlich versteht man unter Medien die Massenkommunikationsmittel, die sich seit der Erfindung des Buchdrucks rasch verbreitet haben. Motor der Medienevolution waren technische Innovationen und gesellschaftliche Prozesse wie Alphabetisierung und Demokratisierung, Verstädterung und Industrialisierung oder die Errungenschaft der Pressefreiheit.

Gerhard Maletzke hat die bis heute in der Medienwissenschaft am häufigsten zitierte Definition für Massenkommunikation geliefert. Diese sei jene Form der Kommunikation, „bei der Aussagen öffentlich, durch technische Verbreitungsmittel, indirekt und einseitig an ein disperses Publikum vermittelt werden“. Damit sind wesentliche Merkmale für Massenmedien genannt:

  • Die Inhalte, die mittels Schrift, Bild oder Ton verbreitet werden, richten sich an eine unbestimmte Zahl von Menschen, also eine Empfängerschaft, die theoretisch unbegrenzt und personell nicht definiert ist.

  • Es gibt eine räumliche, zeitliche oder raumzeitliche Distanz zwischen den Kommunikationspartnern; ein Rollenwechsel zwischen dem Aussagenden und dem Aufnehmenden ist ausgeschlossen.

Mit Hilfe dieser Festlegung konnte man bislang Massenmedien leicht von technisch übermittelter Individualkommunikation unterscheiden. Ein maschinengeschriebener Brief richtet sich nicht an ein anonymes, verstreutes Publikum wie etwa eine Zeitung – genauso verhält es sich zwischen Telefongespräch und Radiosendung. Selbst die Durchsage im Supermarkt oder im Zug, die darüber informiert, was frisch im Angebot ist oder welcher Bahnhof als nächstes erreicht wird, ist so von massenmedialen Äußerungen zu unterscheiden: Angesprochen wird hier eine klar definierte Empfängerschaft, selbst wenn diese im Falle eines vollbesetzten ICE quantitativ eine größere Menschenmasse sein kann, als ein Lokalradio im Abendprogramm Zuhörer hat.

Doch das Internet im Web 2.0-Zeitalter, wo jedermann selbst mit wenigen Mausklicks zum Kommunikator für ein Massenpublikum werden kann, hat die Grenzen verwischt. Im Netz wachsen Individual- und Massenkommunikation plötzlich zusammen. Auf den Plattformen so genannter Social Communities wie „Facebook“ hinterlassen die Nutzer auf der „Pinnwand“ Meldungen, die nicht selten aufgrund der direkten Ansprache eines anderen Netzwerk-Freundes sogar als Individualkommunikation zweifelsfrei zu identifizieren sind. Dennoch haben sie den Charakter von Massenkommunikation, und zwar dann, wenn jedermann diese Nachricht lesen und – obwohl gar nicht Adressat der Botschaft – auch kommentieren kann. Denn auch die Einseitigkeit der Kommunikation ist im Netz überwunden: Der Empfänger kann problemlos die Rolle des Senders einnehmen.

Den Inhalten der Kommunikation ist in der bisherigen Definition von Massenmedien noch kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden. Hier werden selbst im Zeitalter technischer Konvergenz Unterschiede zur Individualkommunikation deutlich. Massenmedien erfüllen Aufgaben, die ihnen in einer demokratischen Gesellschaft zugeschrieben werden. Dabei wird zwischen sozialen, politischen und ökonomischen Funktionen unterschieden.

Ihre zentrale Aufgabe ist die Informationsfunktion. Die Medien sollen dafür sorgen, dass die Menschen politische, soziale, wirtschaftliche oder ökologische Zusammenhänge begreifen, die Demokratie verstehen und über Politik so unterrichtet sind, dass sie selbst daran teilnehmen können. Damit dies der Fall ist, sollen die Medien möglichst vollständig, objektiv und verständlich berichten. Zu ihren sozialen Funktionen gehört, dass sie Handlungsmuster, Rollenverhalten, Normen und gesellschaftliche Werte vermitteln. Sie helfen den Menschen, sich in einer immer komplexer werdenden Welt zu recht zu finden. Und nicht zuletzt sollen die Rezipienten mit Hilfe der Medien entspannen und die Sorgen des Alltags vergessen. Ökonomische Aufgaben erfüllen die Medien zum Beispiel in der Weise, dass sie Wissen vermitteln, das Konsumenten bei Kaufentscheidungen hilft.

Am häufigsten werden die politischen Funktionen diskutiert. Medien stellen Öffentlichkeit her. Die Willensbildung der Bürger erfordert es, dass Parteien und Interessengruppen ihre Positionen darlegen und diskutieren. Auch transportieren Medien die Stimmung in der Bevölkerung. Außerdem haben sie eine Kritik- und Kontrollfunktion. Die Medien ermöglichen Kritik an den Machtträgern, indem oppositionelle und andere Interessengruppen zu Wort kommen. Die Medien üben auch selbst Kritik, indem sie investigativ recherchieren, dabei Missstände aufdecken und diese kommentieren. Man spricht deshalb auch von den Massenmedien als „vierter Gewalt“.

Damit die Medien diesen Aufgaben gerecht werden, müssen Journalisten frei recherchieren und berichten können. Die Pressefreiheit ist ein so hohes Gut, dass sie seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland im Grundgesetz verankert ist. Die Landespressegesetze sprechen von der „öffentlichen Aufgabe“, wenn die Presse „in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt“. In unserer Demokratie schränkt aber weniger der Staat die Pressefreiheit ein, vielmehr hindern wirtschaftliche Zwänge die Medien an der optimalen Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Funktionen. Konzentration auf dem Medienmarkt schränkt die Meinungsvielfalt ein, Sparmaßnahmen in den Redaktionen gehen zulasten der publizistischen Qualität.

Wer macht Medien? – Der Markt in Deutschland im Wandel

Als die Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg über eine neue Medienordnung für die westdeutschen Besatzungszonen verhandelten, einigten sie sich beim Rundfunk auf das öffentlich-rechtliche Modell nach dem Vorbild der britischen BBC. Kommerzielle Sender wie in den USA oder gar Staatsfernsehen schienen nach den Erfahrungen mit dem Missbrauch des wirkmächtigen Rundfunks im Dritten Reich ausgeschlossen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört nicht dem Staat, sondern wird von der Allgemeinheit getragen und von allen Hörern und Zuschauern über eine Gebühr finanziert, die derzeit monatlich 17,98 Euro für ein Radio- und Fernsehgerät beträgt – oder in der Summe gut sieben Milliarden Euro für die Anstalten. Dafür sollen im Programm viele gesellschaftliche Gruppen zu Wort kommen. Ihren Einfluss sichern sie über Aufsichtsgremien. In den Rundfunkräten sitzen Vertreter von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden.

Zunächst waren die Landesrundfunkanstalten die alleinigen Anbieter. Neben ihren Radioprogrammen sendeten sie ab 1952 innerhalb der Arbeitsgemeinschaft ARD ein gemeinsames Fernsehprogramm. Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) kam 1963 durch einen Vertrag der Bundesländer, die über das Kulturgut Rundfunk die Hoheit haben, hinzu. Später boten die heute neun Länderanstalten auch regionales Fernsehen an, die Dritten Programme. Weil Rundfunk zunächst nur terrestrisch verbreitet werden konnte, sollte es in Deutschland wegen der Knappheit an Sendefrequenzen nur öffentlich-rechtliches Programm geben. Verteidigt wurde diese strikte Linie vom Bundesverfassungsgericht, das kommerzielle Sender ablehnte, solange es technisch unmöglich war, eine Vielzahl privater Programme auszustrahlen und so Meinungsvielfalt herzustellen. Erst als das Zeitalter des Kabelfernsehens begann, wurden auch private Fernseh- und Radioprogramme zugelassen. Am 1. Januar 1984 ging mit der Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk, heute Sat.1, der erste deutsche Privatsender an den Start. Einen Tag später folgte RTL plus.

Im digitalen Zeitalter gibt es eine riesige Auswahl an Radio- und TV-Sendern. Allein die öffentlich-rechtlichen Anstalten verbreiten einschließlich ihrer regionalen Angebote insgesamt 22 Fernsehprogramme in Deutschland, darunter auch Spartenkanäle, die sich auf Kulturberichterstattung, Nachrichten oder auf eine bestimmte Zielgruppe wie zum Beispiel Kinder konzentrieren. Hinzu kommen dutzende private Fernsehsender und Programme aus dem Ausland, die hierzulande empfangen werden können.

Trotz der Vielfalt reichen den meisten Zuschauern nach wie vor die Knöpfe mit den Ziffern eins bis neun auf der Fernbedienung. Denn die neun wichtigsten Fernsehsender (die dritten ARD-Programme dabei als ein Angebot gerechnet) haben zusammen einen Marktanteil von mehr als 80 Prozent. Beim großen Rest der Kanäle liegt die Einschaltquote bei einem Prozent oder deutlich darunter. Seit Beginn des dualen Rundfunksystems, also des Nebeneinanders von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern, liefern sich ARD, ZDF und RTL ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Gunst der Zuschauer. Diese drei Programme hatten in den vergangenen Jahren einen Marktanteil von jeweils 12,5 bis 14 Prozent. Auch die Dritten der ARD kommen – allerdings nur in der Summe – auf diesen Wert. Erst danach folgt Sat.1 mit einer Quote von um die zehn Prozent.

Eine starke Marktkonzentration kennzeichnete von Beginn an das deutsche Privatfernsehen, denn alle wichtigen Sender teilen sich auf nur zwei Unternehmen auf. Der Medienpolitik gelang es nicht, das schon früh zementierte Duopol aufzubrechen. Zur RTL-Gruppe, einer Tochter des Medienriesen Bertelsmann, gehören neben RTL auch die Sender RTL II, Vox, Super RTL und n-tv. Die zweite Senderfamilie mit Sat.1, ProSieben, Kabel eins, N24 und 9Live hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die Programme gehörten einst zum Medienimperium Leo Kirchs, der mit dem Handel von Filmrechten viel Geld verdient hatte. 2002 musste die Kirch-Gruppe Insolvenz anmelden; heute haben Finanzinvestoren das Sagen. Solche Kapitalgesellschaften, die in der Medienbranche immer häufiger mitmischen, werden mitunter als Heuschrecken bezeichnet, weil sie in Verdacht stehen, ihre Anteile nach einer Welle von Entlassungen und anderen Sparmaßnahmen gewinnbringend zu verkaufen. Bei den Sendern von ProSiebenSat.1 wurden personalintensive Nachrichten und andere Informationssendungen reduziert.

Private Fernsehsender haben traditionell einen geringeren Anteil an Informationssendungen im Gesamtprogramm. Bei Sat.1 wurden 2008 rund 60 Prozent der Sendezeit mit fiktionaler und nonfiktionaler Unterhaltung gefüllt, beim ZDF waren es 35 Prozent. Spielfilme oder Shows ziehen die werberelevanten jungen Zuschauer mehr an. Doch haben auch die kommerziellen Sender im Laufe der Jahre ihren Informationsanteil erhöht. Zieht man die gesetzlich auf einen Anteil von einem Fünftel am Gesamtprogramm beschränkte Werbung ab, sind die strukturellen Unterschiede zwischen RTL und ARD inzwischen nur noch gering. Bei dieser Angleichung, die in der Medienwissenschaft unter dem Stichwort Konvergenz erforscht wird, muss man allerdings berücksichtigen, dass sich die Inhalte der Informationssendungen und die Art der Darstellung bei privaten und öffentlich-rechtlichen Programmen teils erheblich unterscheiden. Politikberichterstattung findet hauptsächlich bei ARD und ZDF statt, während RTL und Sat.1 einen stärkeren Anteil an Boulevardmagazinen haben oder so genannte Dokusoaps zeigen – in hohem Maße inszenierte Dokumentationen oder Reportagen über Menschen, die alltägliche Probleme meistern müssen.

Auch bei der Presse in Deutschland sind bis heute Folgen der Medienpolitik der Alliierten erkennbar. Bis 1949 durften gedruckte Medien nur mit einer Erlaubnis der Besatzungsmächte erscheinen. Viele dieser Lizenzblätter wie die „Süddeutsche Zeitung“, „Die Welt“ oder die „Frankfurter Rundschau“ gehören nach wie vor zu den überregional bedeutsamen Tageszeitungen. Oder es sind heute regionale Titel mit einer hohen Verbreitung wie die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ), die „Rheinische Post“ oder die „Stuttgarter Zeitung“. Anders als etwa in Frankreich oder Großbritannien sind die Presseverlage in der föderalistischen Bundesrepublik auch nicht zentralisiert in der Hauptstadt angesiedelt, sondern über alle Bundesländer verteilt.

In Deutschland erscheinen 1.511 Zeitungen (Stand: Ende 2009) – von der „Bild“-Zeitung mit täglich drei Millionen Exemplaren bis zur „Ostheimer Zeitung“, die in einer Auflage von 800 Stück in einem Ein-Mann-Verlag in der Rhön herausgegeben wird. Viele Titel unterscheiden sich jedoch nur im Lokalteil und Zeitungskopf von ihrem Mutterblatt, das den Mantel, also den überregionalen Teil mit Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur, liefert. Die „Nürnberger Nachrichten“ zum Beispiel erscheinen in ganz Mittelfranken unter 13 Zeitungsnamen mit 25 Unterausgaben. Von diesen Kernredaktionen, so genannten publizistischen Einheiten, gibt es 134. Zwischen 1955 und 1975 hatte es die größte Konzentrationswelle gegeben, als viele Redaktionen aufgegeben, aufgekauft oder mit anderen fusioniert wurden. In zwei Drittel aller Landkreise und kreisfreien Städte gibt es heute nur noch eine lokale oder regionale Zeitung und damit keine Konkurrenz, die für die Meinungsvielfalt und die publizistische Qualität förderlich wäre.

Viele Verlage sind durch Zukäufe zu großen Medienunternehmen angewachsen. Die fünf größten Verlagsgruppen in Deutschland haben bei den Tageszeitungen einen Marktanteil von 45 Prozent. An erster Stelle steht der Axel-Springer-Verlag, zu dem neben „Bild“ auch „Die Welt“, „Hamburger Abendblatt“, „Berliner Morgenpost“, das Boulevardblatt „B. Z.“ und eine Reihe weiterer Titel gehören. Die Südwestdeutsche Medienholding mit Sitz in Stuttgart wuchs über die Jahre zum bundesweit zweitgrößten Pressehaus heran. Dazu gehören die regionalen Blätter „Stuttgarter Zeitung“, „Rheinpfalz“ und „Südwestpresse“ sowie die zugekaufte „Süddeutsche Zeitung“. Weitere Großverlage sind die WAZ in Essen, DuMont Schauberg in Köln, Ippen in München oder Holtzbrinck in Stuttgart. Die Auflage fast aller Zeitungen sinkt allerdings seit Jahren, weil junge Leute nicht mehr im gleichen Maße Zeitung lesen wie ihre Eltern. Viele informieren sich nur noch über elektronische Medien. Ende 2009 betrug die Auflage aller Tageszeitungen zusammen 20 Millionen Exemplare. Was die Zeitungsdichte anbelangt, rangiert Deutschland damit im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Insbesondere Skandinavier und Japaner lesen viel mehr Zeitung. In den USA, in Frankreich oder in Italien gibt es – bezogen auf die Einwohnerzahl – hingegen deutlich weniger verbreitete Exemplare.

Der Markt der Publikumszeitschriften ist in Deutschland noch stärker auf wenige große Verlage konzentriert. Zwar gibt es mehr als 2.000 verschiedene Titel. Doch allein die vier Konzerne Bauer, Burda, Springer und Gruner+Jahr haben mit ihren Publikationen einen Marktanteil von über 60 Prozent. Gruner+Jahr ist mit 68 Titeln auf dem deutschen Markt vertreten, weltweit sind es mehr als 300. Damit ist der mehrheitlich zu Bertelsmann gehörende Hamburger Verlag nicht das einzige deutsche Medienhaus, das seit Ende der 1970er Jahre auch ins Ausland expandierte.

Zu unterscheiden sind General-Interest-Titel wie Illustrierte oder Frauenzeitschriften und Special-Interest-Titel, die nur ein Themengebiet behandeln. Das Angebot reicht von A bis Z: vom Restaurantführer „A la carte“ bis zum Einrichtungsmagazin „zuhause wohnen“. Die Zeitschrift mit der größten Auflage ist nicht etwa das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ mit gut einer Million Exemplaren, das im Bereich der politischen Berichterstattung ein Leitmedium ist. TV-Programmzeitschriften von Bauer, Burda und Springer haben eine deutlich höhere Verbreitung, die teils die Zwei-Millionen-Grenze übersteigt. Die auflagenstärkste Zeitschrift Europas ist mit 13,5 Millionen Exemplaren die „Motorwelt“ des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC). Dieses Monatsheft wird allerdings nicht am Kiosk verkauft, sondern jedem ADAC-Mitglied kostenlos zugestellt.

Relevante journalistische Angebote im Internet sind bislang vor allem Ableger traditioneller Massenmedien. Als das Internet Mitte der 1990er Jahre seinen Siegeszug begann, richteten Zeitungen und Rundfunksender recht bald Nachrichtenportale im Netz ein, für die auch eigene Redaktionen aufgebaut wurden. Die Angst war und ist, das neue Medium Internet könnte zur lebensbedrohlichen Konkurrenz werden. Als die Medienunternehmen feststellten, dass Werbung im Internet zu geringe Einnahmen bringt, bremsten sie ihr Engagement. Viele Portale waren fortan nur die Online-Fassung der gedruckten Zeitung – ohne einen spezifischen Mehrwert, den zum Beispiel die Multimedialität des Mediums ermöglichen würde. Neuerdings sind die Aktivitäten aber wieder deutlich verstärkt worden; inzwischen gibt es praktisch keine Zeitung mehr, die nicht ihre Artikel online stellt und im Netz zusätzlich Videos, Bildergalerien oder Archive anbietet – Möglichkeiten, die das Muttermedium nicht hat.

Die Finanzierung der Internetportale bleibt für die Medienbranche nach wie vor ein beherrschendes Thema. In den Verlagshäusern überlegt man, wie die Kostenloskultur im Netz noch umkehrbar ist. Internetnutzer sind nur selten bereit, für Inhalte im Netz zu bezahlen, etwa dann, wenn sie einen Artikel aus dem Archiv abrufen möchten. Gleichzeitig sind kostenlose Beiträge auf der Internetseite, die oft auch noch vor dem Redaktionsschluss der gedruckten Ausgabe abrufbar sind, eine hauseigene Konkurrenz. Um die Online-Finanzierung geht es auch im Streit zwischen Verlagen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, denn die Sender haben ebenso Portale im Netz und bieten dort ganze Programmteile sowie ergänzende Artikel in Mediatheken zum Abruf. Die Presseverlage kritisieren die Wettbewerbsverzerrung, weil diese Angebote über Rundfunkgebühren finanziert werden. Die Anstalten verweisen wiederum auf die Bestands- und Entwicklungsgarantie, die ihnen einst vom Bundesverfassungsgericht zugesprochen worden war. Diese schließe neue technische Verbreitungswege ein. Inzwischen mussten die Sender ihre Aktivitäten im Netz zumindest teilweise einschränken.

Welche Macht haben Medien? – Einfluss auf die Gesellschaft

Der Einfluss der Medien in unserer Gesellschaft wie auch die Wirkung auf jeden einzelnen Menschen waren und sind immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen. Die Kirche gehörte zu den frühen und heftigsten Medienkritikern. Papst Pius IX. nannte die schlechte Presse im 19. Jahrhundert einen „lügnerischen, die Menschen betörenden Verführer“ und warnte vor ihrem unheilvollen Einfluss und der Untergrabung der Grundlagen von Religion und Gesellschaft.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigt sich die Wissenschaft mit der Wirkung von Medien. Man ging zunächst von einem Ursache-Wirkungs-Modell mit starker Beeinflussung aus, merkte aber bald, dass es allein auf Seiten des Medienkonsumenten zu viele Faktoren wie Bildungsgrad oder Aufmerksamkeit gibt, die eine Vorhersage der Effekte kaum ermöglichen. Getestet wurden solche Medienwirkungen zum Beispiel mit Propagandafilmen, um die mögliche Beeinflussung von Meinung oder Wissen bei den Probanden zu messen. Die Massenmedien können die Einstellung von Menschen kaum verändern, lautete bald das Urteil. Eher würden bestehende Meinungen verstärkt. Die Medien haben demnach also keinen großen Einfluss auf das, was das Publikum zu einzelnen Themen denkt. Wohl aber geben sie vor, worüber sich die Menschen überhaupt Gedanken machen. Indem Medien über bestimmte Sachverhalte intensiv berichten und dabei auch andere Medien „anstecken“, wird die Themenagenda der Öffentlichkeit definiert. Medienwissenschaftler sprechen von Agenda-Setting.

Ein weiteres Forschungsfeld ist der politische Einfluss der Medien, der nicht mit ihren politischen Funktionen verwechselt werden darf. So gibt es Theorien darüber, wie die Veröffentlichung von Umfrageergebnissen vor Wahlen die Einstellung der Bürger und das Abstimmungsergebnis verändert. Eine These besagt, dass eine in Umfragen zurückliegende Partei am Ende besser abschneidet, weil viele Mitleid haben und ihr Kreuz doch an anderer Stelle machen –oder weil potenzielle Nichtwähler noch kurzfristig mobilisiert werden. Eine führende Partei könnte aber auch abstürzen, wenn zu viele Bürger die Wahl als schon entschieden betrachten und deshalb der Abstimmung fern bleiben. Umgekehrt könnte aber auch eine vorne liegende Partei zusätzlich gewinnen, weil Wähler noch umschwenken, um später auf der Siegerseite zu stehen. Ob eine dieser Hypothesen tatsächlich der Realität entspricht, konnte noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.

Bis heute keimt auch immer wieder die Diskussion auf, welchen Einfluss Gewaltdarstellungen in den Medien auf die Rezipienten haben. Im Fokus stehen vor allem visuelle Medien wie fiktionale Filme oder Computerspiele. Nach Gewaltexzessen wie dem Amoklauf eines ehemaligen Schülers im Erfurter Gutenberg-Gymnasium im Jahre 2002 wird stets eine Debatte geführt, ob so genannte Killerspiele, wie sie auch der Erfurter Täter besaß, verboten werden sollen. Theorien besagen einerseits, dass Gewaltdarstellungen in den Medien Angst erzeugen und dadurch die Aggressionsbereitschaft hemmen können. Auch könnten Spannungen abgebaut und so die Gewaltbereitschaft gemindert werden. Andererseits wird angenommen, Gewalt in den Medien wirke abstumpfend. Letztgültige Beweise für oder gegen eine Theorie gibt es nicht; vielmehr hängt die Reaktion vom Medienkonsumenten und seiner sozialen Situation ab.

Kürzlich hatte eine Fernsehsendung in Georgien extreme Folgen: In der Bevölkerung brach Panik aus. Das staatlich kontrollierte Fernsehen hatte Mitte März zur besten Sendezeit um 20 Uhr Bilder von einmarschierenden russischen Truppen gezeigt und berichtet, der georgische Präsident sei tot. Die Menschen rannten auf die Straße, kauften panisch Lebensmittel und Benzin, die Notdienste waren im Dauereinsatz, eine Frau starb an Herzversagen. Doch es waren in Wirklichkeit Archivaufnahmen vom Krieg im Kaukasus im August 2008, die der Sender in einer Collage präsentierte und gleichzeitig den Anschein erweckte, alles sei live. Gedacht war das offenbar als Provokation in Richtung Moskau. Das Experiment zeigte deshalb eine enorme Wirkung, weil die Erinnerung an die Militäroffensive bei der Bevölkerung noch wach und die Angst weiter in den Köpfen ist. Insofern ist der Vorfall auch nur bedingt mit dem Hörspiel „Der Krieg der Welten“ von Orson Welles vergleichbar, das 1938 im amerikanischen Radio ausgestrahlt wurde. Es handelte von einer Invasion Außerirdischer auf der Erde. Danach soll es in Teilen der Bevölkerung Zeitungsberichten zufolge Irritationen gegeben haben. Die angebliche Massenpanik ist hingegen eher eine Legende.


Literaturhinweise:

  • Roland Burkart: Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Sozialwissenschaft. 4. Aufl. Wien, Köln 2002.

  • Michael Jäckel: Medienwirkungen. Ein Studienbuch zur Einführung. 3. Aufl. Wiesbaden 2005.

  • Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien. 2. Aufl. Opladen 1996.

  • Gerhard Maletzke: Psychologie der Massenkommunikation. Theorie und Systematik. Hamburg 1963.

  • Media Perspektiven Basisdaten. Daten zur Mediensituation in Deutschland 2009. Frankfurt (Main) 2009.

  • Hermann Meyn: Massenmedien in Deutschland. Konstanz 2004.

  • Heinz Pürer/Johannes Raabe: Presse in Deutschland. 3. Aufl. Konstanz 2007.