Leitha/Lajta.

Fluss an der Grenze – Grenze als Flusslauf
aus OWEP 3/2004  •  von Horst Haselsteiner

Prof. Dr. Horst Haselsteiner ist Ordinarius für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien.

Die Leitha entsteht durch den Zusammenfluss von Schwarza und Pitten bei Lanzenkirchen in Niederösterreich. Nach 178 km Flusslauf mündet sie bei Mosonmagyaróvár/Ungarisch Altenburg in die Donau.

Wasserläufe stellen in der Regel Trennlinien dar. Sie können aber auch verbinden. Die Leitha als im europäischen Vergleich kleiner Fluss – Gesamtlänge ca. 180 km – vereinigt in vielleicht einzigartiger Weise beide Funktionen.

Die Entstehung der Leitha ist mehrschichtig. Sie entsteht durch „dualistische Synthese“: durch den Zusammenfluss der Schwarza und der Pitten. Beide Quellflüsse entspringen im südlichen Niederösterreich: die Schwarza am Unterberg bei Tiefental in den niederösterreichischen Kalkalpen, die Pitten im Wechselgebiet. Bei Lanzenkirchen (südlich von Wiener Neustadt) vereinigen sich beide zur Leitha. Sie mündet auf ungarischem Staatsgebiet bei Mosonmagyaróvár/Ungarisch Altenburg in den so genannten Wieselburger Arm der Donau.

Die Leitha bildete durch Jahrhunderte die Grenze zwischen den „Habsburgischen Erbländern“ und den Ländern der Heiligen Stephanskrone. Neben der March (im Norden) und der Lafnitz (im Süden, in der Steiermark) war diese Flussgrenze zwischen „Österreich“ und „Ungarn“ eine der beständigsten staatlichen Trennlinien. Dies gilt sogar im gesamteuropäischen Vergleich, denn sie bestand über 1100 Jahre. Erst durch den Zuschlag der westungarischen, dominant deutschsprachigen Komitate/Gespanschaften als Burgenland an Österreich in den Pariser Vorortverträgen nach dem Ersten Weltkrieg sollte diese Langzeitfunktion als Grenze ihr Ende finden.

Historische Bedeutung weit über den mitteleuropäischen Raum hinaus erhielt der Fluss durch eine entscheidende und folgenreiche militärische Auseinandersetzung. Herzog Friedrich der Streitbare, als Sohn Leopolds VI. des „Glorreichen“ der letzte Babenbergerfürst, verlor am 15. Juni 1246 Schlacht und Leben gegen den Árpádenkönig Béla II. bei der „Schlacht an der Leitha“ unweit von Wiener Neustadt. Damit stellte sich für die babenbergischen Länder (Kernländer „Österreichs“) die Nachfolgefrage. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fielen diese Gebiete den Habsburgern zu, jenem Fürstengeschlecht, das als casa d‘Austria, als „Haus Österreich“ durch Jahrhunderte das Schicksal Mitteleuropas bestimmen sollte.

Dass ein Fluss und dass eine Grenze durchaus unterschiedlich gesehen und auch verschieden benannt werden können, dafür gibt die Leitha ein eindrucksvolles Zeugnis. Im magyarisch-ungarischen Selbstverständnis wurden nach dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1867 die „Sonstigen Königreiche und Länder“, sprich „Österreich“, als „Transleithanien“ (Lajtán tuli országok) bezeichnet. Spiegelverkehrt von Wien aus gesehen bezeichnete man die Länder der Heiligen Stephanskrone, bezeichnete man das Königreich Ungarn als „Transleithanien“. Denn für sich selber, als westlich der Leitha (sowie der March und der Lafnitz) liegender Reichsteil der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn verwendete man selbstverständlich die Territorialsammelbezeichnung „Cisleithanien“.

Ob diesseits oder jenseits, ob „cis-“ oder „trans-“ eines Grenzflusses: Kommunikation und Gemeinsamkeit, Partner- und Nachbarschaft im fluss- und grenzüberschreitenden Miteinander bleibt trotz aller da und dort und hie und da auftretenden Differenzen die „Brückenfunktion“ der Flüsse, gestern, heute und auch noch morgen.