Russlands „stählernes Band“: Die Transsibirische Eisenbahn

Dr. Frithjof Benjamin Schenk studierte Osteuropäische Geschichte, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Marburg, St. Petersburg und Berlin. Seit 2003 ist er als Assistent am Historischen Seminar der Universität München tätig.

Auf den Besucher der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 wartete im Pavillon des Russischen Reiches eine ganz besondere Attraktion. In dem Palast hatte die Internationale Schlafwagengesellschaft vier Luxuswaggons aufstellen lassen, die für den Verkehr auf der Großen Sibirischen Bahn vorgesehen waren. Nach Erwerb einer Fahrkarte konnte man in einem der beiden Restaurantwagen Platz nehmen und sich auf eine imaginäre Reise durch Raum und Zeit begeben. Nach dem dritten Läuten der Stationsglocke setzte sich der edle Zug scheinbar in Bewegung. Vor den Fenstern zog gemächlich die weite Landschaft Sibiriens vorbei, die Künstler der Pariser Oper auf ein gewaltiges Panoramagemälde gebannt hatten. Vier verschiedene Ebenen des Kunstwerkes, die sich in unterschiedlichem Tempo bewegten, sorgten für die perfekte Illusion. Nach einer dreiviertel Stunde „Fahrt“ entstiegen die Reisenden dem prachtvollen Waggon und wurden auf dem Bahnsteig von Beamten in chinesischer Tracht in „Peking“ willkommen geheißen.

Die Phantasiereise von Moskau nach Peking in 45 Minuten war ein gewaltiger Publikumserfolg. In der Attraktion schienen sich die hoffnungsvollen Erwartungen der Menschen an das noch junge 20. Jahrhundert wie in einem Brennspiegel zu bündeln. Die Inszenierung kündete vom Sieg über Raum und Zeit in naher Zukunft. Der Schienenstrang der Großen Sibirischen Bahn schloss eine bedeutsame Lücke im Netz der globalen Verkehrswege und versprach eine weitere Intensivierung des damals vielfach beschworenen „Weltverkehrs“. Noch war der Bau des über neuntausend Kilometer langen durchgehenden Schienenstranges von Moskau nach China jedoch nicht abgeschlossen. Entlang des Streckenabschnittes der Bahnlinie durch die Mandschurei tobten vielmehr im Jahre der Pariser Weltausstellung erbitterte Kämpfe zwischen aufständischen chinesischen „Faustkämpfern“ (Boxern) und den herbeigerufenen Interventionstruppen des Zarenreiches.

Dennoch zeigte der große Aufwand, mit dem die russische Reichsregierung in Paris für die transkontinentale Bahn warb, seine Wirkung. Während zwei Jahre zuvor die Internationale Schlafwagengesellschaft noch ohne nennenswerte Resonanz für eine Reise auf einem bereits fertig gestellten Teilstück der Sibirischen Bahn geworben hatte, lösten die ersten ausländischen Touristen Fahrkarten für die Reise in den Fernen Osten. Bald erschienen Reiseberichte in westlichen Sprachen, die von der Überwindung des Raumes, vom Komfort der Luxuszüge und von der Weite Sibiriens schwärmten. Der Mythos der Transsibirischen Eisenbahn (Transsib) war geboren.

Die Anfänge des Projektes, Sibirien mit dem europäischen Russland durch einen Schienenstrang zu verbinden, reichen bis in die fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. Vor dem Krimkrieg (1853-1856) schreckte die Reichsregierung noch weitgehend vor den hohen Kosten des Eisenbahnbaus zurück und vertraute weiter auf die traditionellen Formen des Binnentransports zu Wasser und zu Lande. Nur zwischen St. Petersburg und Moskau existierte seit 1851 eine nennenswerte innerrussische Schienenverbindung. Die bittere Niederlage der Zarenarmee auf eigenem Territorium, die nicht zuletzt eine Folge der gewaltigen logistischen Probleme während des Krimkrieges war, führte zu einem radikalen Umdenken in der russischen Verkehrspolitik. Zunächst konzentrierten sich diese Überlegungen jedoch auf das europäische Russland. Bald wurden allerdings Stimmen laut, die auch eine Anbindung Sibiriens an das wachsende russische Schienennetz forderten. Sibirien, das zarentreue Kosaken im 16. Jahrhundert der russischen Krone unterworfen hatten, galt aufgrund seiner extremen Klimabedingungen, seiner dünnen Besiedelung und seines Reichtums an Land und Bodenschätzen als Russlands „wilder Osten“. Die Praxis der Zarenregierung, Strafgefangene und politisch missliebige Personen zu Zwangsarbeit und Verbannung jenseits des Urals zu verschicken, trug zur Verfestigung des Bildes von Sibirien als „Reich der Kälte“ bei.

Legendär war auch Sibiriens Unwegsamkeit. Zwar hatte der russische Staat im 18. Jahrhundert mit dem Straßenbau begonnen, doch setzte das raue Klima des Landes diesem Unterfangen Grenzen. Während der Schneeschmelze verwandelten sich die unbefestigten Wege alljährlich in unpassierbare Schlammpisten. Die Flüsse, die eine zentrale Rolle beim Gütertransport spielten, waren im Winter zugefroren und für Schiffe unpassierbar. Auch Russlands Pazifikhafen mit dem programmatischen Namen „Beherrsche den Osten“ (Wladiwostok) war im Winter für drei Monate zugefroren und so regelmäßig von der Kommunikation mit dem europäischen Zentrum abgeschnitten.

Die schlechte Verkehrsanbindung der östlichen Peripherie des Reiches wurde von der herrschenden Elite in St. Petersburg in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts zunehmend als politisches und strategisches Problem wahrgenommen. Im Fernen Osten hatte sich der Wettlauf der europäischen Großmächte um Einfluss, Land und Macht verschärft. Für einen möglichen Krieg gegen England oder China in Fernost war Russland denkbar schlecht vorbereitet. Die Sicherheit der eigenen Besitzungen an der Pazifikküste konnte nur mit Hilfe einer transkontinentalen Bahnlinie gewährleistet werden. Auch hoffte man, separatistische Bestrebungen zur Abspaltung der „Kolonie“ Sibirien vom russischen Mutterland nach dem Vorbild der USA von England durch den Eisenbahnbau unterdrücken zu können. Eine wichtige Rolle sollten in diesem Projekt russische Kolonisten spielen, die man mit Hilfe der Bahn in großer Zahl aus den übervölkerten Teilen des Reiches in den fruchtbaren Gegenden Sibiriens ansiedeln wollte.

Die Pläne des Verkehrsministeriums für den Bau einer transkontinentalen Bahn nach Sibirien stießen jedoch lange Zeit auf den erbitterten Widerstand aus dem Finanzressort. Dass ein Verkehrsprojekt von so großer strategischer und politischer Bedeutung aus der Staatskasse finanziert werden müsse, galt als Konsens innerhalb der Administration. Nach dem kostspieligen Krieg gegen das Osmanische Reich 1877/78 war die Situation der russischen Staatsfinanzen allerdings äußerst angespannt. Von einer Investition der Reichsregierung im Umfang von mehreren hundert Millionen Rubel in ein sibirisches Eisenbahnprojekt mit ungewissem ökonomischem Nutzen rieten die Verwalter der Staatsfinanzen deshalb vehement ab. Als jedoch 1886 die Generalgouverneure von Irkutsk und des Amurgebietes eindringlich vor der weiteren Vernachlässigung ihrer Provinzen durch das Zentrum sowie vor einem wachsenden Einfluss Chinas in der Region warnten und erneut auf die strategische Bedeutung einer Anbindung durch einen transkontinentalen Schienenstrang hinwiesen, entschied Zar Alexander III., dass es nun „höchste Zeit“ sei, das Projekt der Großen Sibirischen Bahn in Angriff zu nehmen.

Bis zum ersten Spatenstich auf der bald längsten Baustelle der Welt sollten jedoch noch weitere fünf Jahre vergehen. In dieser Zeit wurden die Beratungen über den Verlauf der Strecke in verschiedenen Planungskomitees fortgesetzt und Erkundungen im Terrain unternommen. Als am 31. Mai 1891 der Zarewitsch Nikolaus die Bauarbeiten an der Großen Sibirischen Bahn in Wladiwostok feierlich eröffnete, war Westsibirien bereits durch die Bahnlinie von Sysran an der Wolga nach Tscheljabinsk an das russische Schienennetz angebunden. Aus diesem Grunde wurden die sibirische Stadt am Fuße des Uralgebirges als der westliche und Wladiwostok als der östliche Endpunkt der neu zu errichtenden Großen Sibirischen Bahn festgelegt.

Der Bau der über 8.000 Kilometer langen Strecke erfolgte weitgehend zeitgleich auf sechs Abschnitten. Die westsibirische Sektion von Tscheljabinsk bis an den Fluss Ob konnte bereits im August 1895 in Betrieb genommen werden. Die Einweihung des mittelsibirischen Segments bis zur Stadt Irkutsk erfolgte im Sommer 1898. Zwei Jahre später wurde das westliche Ufer des Baikalsees mit der Eisenbahn erreicht. Im Frühjahr 1900 war auch der Streckenabschnitt vom östlichen Ufer des Baikalsees bis nach Sretensk betriebsbereit. Der Bau der Gürtelbahn am südlichen Ufer des Baikals wurde zunächst aufgrund des schwierigen Terrains und der zahlreichen und kostspieligen Bauten, die der Streckenverlauf erforderte, verschoben. Als provisorische Lösung zur Überquerung der gewaltigen Wasserfläche nahm man zwei Transportschiffe in Betrieb, die bei Frost auch als Eisbrecher eingesetzt werden konnten. Auch die Strecke von Sretensk nach Chabarowsk musste zunächst auf dem Wasserweg der Flüsse Schilka und Amur überwunden werden, da der Bau der Amurbahn zunächst als zu teuer und zu aufwändig erschien. In Chabarowsk konnte Reisende jedoch ab 1897 die Züge der Ussuri-Bahn bis Wladiwostok nutzen.

Somit war im Jahr der Pariser Weltausstellung der russische Pazifikhafen Wladiwostok bereits mit der Eisenbahn und zwei Schiffspassagen erreichbar. Fasziniert von der Idee einer Landreise quer durch Sibirien und beseelt von dem Plan, als erste englische Lady auf der transkontinentalen Bahn zu fahren, bestieg Annette Meakin im Mai 1900 in Moskau den Luxuszug der Internationalen Schlafwagengesellschaft in Richtung Osten. In ihrem Reisebericht „A Ribbon of Iron“, der 1901 veröffentlicht wurde, preist sie den Komfort des Luxuszuges in höchsten Tönen: „Time passes very pleasantly on such a train“, stellt sie zufrieden fest. Das geringe Reisetempo von sechzehn Meilen pro Stunde schone die Nerven, ein Klavier sowie eine kleine Bibliothek im Salonwagen böten Unterhaltung und Zerstreuung auf der langen Reise. Der Speisewagen, der mit Porträts des Kaisers und seiner Gemahlin sowie mit frischen Blumen geschmückt war, hatte in ihren Augen eine „homelike appearance“.1 Auf diese Art ließ sich das „Reich der Kälte“ wahrlich bequem bereisen.

Auch wenn die Zarenregierung auf der Länderschau in Paris mit gewaltigem Aufwand für die Große Sibirische Bahn geworben hatte, so zählten Luxusreisende wie Annette Meakin natürlich nicht zur primären Zielgruppe des gewaltigen Unternehmens. In erster Linie sollte die Bahn handfesten politischen, militärischen und ökonomischen Interessen dienen. Mit Blick auf die erhoffte wirtschaftliche Anziehungskraft der transkontinentalen Bahn waren jedoch Reiseberichte, die dem westlichen Publikum begeistert Sibirien und dessen Reichtümer offen legten, durchaus im Interesse der Zarenregierung. Schilderungen dieser Art trugen zu einem Imagewandel der Region bei, die im Westen immer häufiger als ein „Land der Zukunft“ und als ein (zweites) Reich der unbegrenzten Möglichkeiten beschrieben wurde. Letztendlich zielte die umfangreiche Präsentation auf der Pariser Weltausstellung darauf ab, ausländische Investoren, insbesondere aus dem verbündeten Frankreich, nach Sibirien zu locken und so für einen wirtschaftlichen Aufschwung jenseits des Urals und für eine Nachfrage nach Transportkapazitäten der sibirischen Züge zu sorgen.

Mit Blick auf die strategische Funktion, die der Großen Sibirischen Bahn im Verkehrsnetz des Russischen Reiches zugedacht war, blieb eine ununterbrochene Schienenverbindung vom europäischen Russland bis an die Pazifikküste ein wichtiges Ziel der zarischen Verkehrspolitik. Als Alternative zu der aufwändigen Amur-Eisenbahn und der Dampferverbindung zwischen Sretensk und Chabarowsk entwarfen die geopolitischen Strategen in St. Petersburg den Plan, eine um dreihundert Kilometer kürzere Eisenbahnlinie von Tschita quer durch die Mandschurei, d. h. über chinesisches Territorium, nach Wladiwostok zu legen. Maßgeblichen Anteil an der Entwicklung dieser Idee hatte Sergej Witte, der zwischen 1892 und 1903 das Amt des Finanzministers bekleidete. Witte schlug Nikolaus II. 1895 vor, Russland solle China, das gerade eine bittere militärische Niederlage gegen Japan erlitten hatte, ein strategisches Bündnis anbieten. Das Zarenreich sollte Druck auf Japan ausüben und zum Verzicht auf territoriale Forderungen an das Reich der Mitte nötigen. Zudem sah die Taktik vor, China bei der Suche nach Krediten zur Tilgung seiner Kriegsschulden auf dem französischen Finanzmarkt zu unterstützen. Als Gegenleistung forderte Witte von chinesischer Seite die Konzession zum Bau einer „Chinesischen Ostbahn“, die die Lücke im Schienenstrang der Transsib nach Wladiwostok schließen sollte. Sowohl der Zar als auch die chinesischen Unterhändler stimmten Wittes Vorschlägen zu. Einer eigens gegründeten, privaten Eisenbahngesellschaft wurde die Aufgabe übertragen, eine Bahnlinie von der russisch-chinesischen Grenze nach Wladiwostok und eine Stichbahn in südlicher Richtung in das 1897 von der russischen Flotte besetzte Port Arthur am Gelben Meer zu bauen. Wenngleich der Bau Ende 1901 abgeschlossen werden konnte und ab 1903 für den internationalen Zugverkehr offen stand, war der Preis, den das Zarenreich für diese Kolonialbahn zu zahlen hatte, hoch. Gegen das russische Engagement in der Mandschurei richtete sich im Jahr 1900 der Zorn der revoltierenden „Boxer“, die mit Hilfe russischer Interventionstruppen brutal niedergeschlagen wurden. Als sich Russland nach Beendigung der Krise weigerte, seine Soldaten wieder abzuziehen, trug es entscheidend zur Verschlechterung der außenpolitischen Beziehungen mit Japan bei, das 1904/05 das selbstbewusste Zarenreich militärisch in die Knie zwang.

Bereits im Sommer 1903, als die regelmäßige Zugverbindung von Moskau nach Port Arthur in den internationalen Kursbüchern auftauchte, sahen westeuropäische Reisende auf der Transsib den drohenden militärischen Konflikt mit Japan bereits am Horizont heraufziehen. Für Eugen Zabel, der sich 1903 auf die Reise nach China machte, bestand an dem militärischen Charakter der Chinesischen Ostbahn kein Zweifel. In seinem Reisebericht beschreibt er die massiven Stationsgebäude entlang der Strecke in der Mandschurei, die „wie kleine Festungen wirken“. Zabels Fazit war nüchtern und prophetisch zugleich: „In dem Wort ‚Räumung der Mandschurei‘ [nach der Niederschlagung des Boxer-Aufstandes, F.B.S.] liegt in jedem Fall eine köstliche Ironie für jeden, der diese lange Reihe von Festungen und befestigten Anlagen auf der chinesischen Ostbahn … beobachtet hat. Im Laufe des Jahres hat die ganze Strecke eine völlig veränderte Physiognomie erhalten, und nun steht sie da als eine in Waffen starrende Heerstraße.“2

Als im Februar 1904 japanische Torpedoboote den Krieg gegen das scheinbar übermächtige Russische Reich eröffneten, war der Bau der ununterbrochenen Schienenverbindung der Großen Sibirischen Bahn immer noch nicht abgeschlossen. Als Nadelöhr für die Militärtransporte aus dem Westen erwies sich der Baikalsee, der zudem im Moment des japanischen Überfalls noch fest zugefroren war. Ohne Rücksicht auf Kosten und Verluste trieb die Zarenregierung nun den Bau der Gürtelbahn am südlichen Ufer des Baikalsees voran, die im September 1904 in Betrieb genommen werden konnte. Mit Hilfe der Transsibirischen Bahn wurden während des Russisch-Japanischen Krieges rund 1,3 Millionen Soldaten und über eine Milliarde Tonnen Kriegsgerät auf die Schlachtfelder der Mandschurei transportiert. Diese gewaltigen Zahlen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kapazitäten der Bahnlinie für den Ernstfall eines Krieges im Fernen Osten bei weitem nicht ausreichten. Während der Bauarbeiten der Trasse hatte die Devise gegolten: „So schnell und so billig wie möglich!“ Infolgedessen war die Streckenführung in den meisten Abschnitten eingleisig, und die Transportkapazität der Eisenbahn betrug zu Beginn des Krieges nur vier Zugpaare pro Tag.

Die militärische Niederlage gegen Japan war für die regierende Klasse des Zarenreiches ein schwerer Schock. Der Krieg hatte den Verkehrsplanern auch die Verletzlichkeit der Verbindungswege nach Wladiwostok über chinesisches Territorium deutlich gemacht. Obwohl der für das Zarenreich relativ milde Friedensvertrag von Portsmouth den Verbleib der Chinesischen Ostbahn in russischem Besitz garantierte, wuchs doch innerhalb der Regierung der Wunsch nach einer Bahnlinie an die Pazifikküste, die gänzlich auf eigenem Territorium verlief. So wurde 1905 mit dem Bau der zunächst verworfenen Amur-Bahn begonnen, die jedoch erst 1916 in Betrieb genommen werden konnte. Damit war die letzte Lücke der Großen Sibirischen Bahn geschlossen, die seinerzeit als das größte staatliche Investitionsprojekt in Friedenszeiten galt.

Der Mythos der Transsib speiste sich aus einer Mischung aus Technikbegeisterung und Zukunftseuphorie. Die transkontinentale Bahn trug maßgeblich dazu bei, dass sich Sibirien in den Köpfen der Zeitgenossen von einem menschenfeindlichen Raum der Kälte und der unbezwingbaren Natur in eine Region mit leuchtender Zukunft verwandelte.

Neben den Ausländern, die in den Luxuszügen der Internationalen Schlafwagengesellschaft Sibirien bereisten und in ihrer Heimat begeistert von ihren Erlebnissen berichteten, machten sich zwischen 1891 und 1914 auch über fünf Millionen russische, ukrainische und weißrussische Bauern auf den Weg nach Osten, um in Sibirien als Kolonisten ein neues Zuhause zu finden. Zusammengepfercht in Waggons vierter Klasse rollten sie einer ungewissen Zukunft entgegen. Allein den Glauben an das Potenzial und die Zukunft Sibiriens hatten sie mit den vornehmen Ausländern in den Salonwagen gemeinsam, die auf der Weltausstellung in Paris ihre Reisepläne geschmiedet hatten.

Literaturhinweise:

  • Jean de Cars u. Jean-Paul Caracalla: Die Transsibirische Bahn. Geschichte der längsten Bahn der Welt. Zürich 1987.

  • Steven G. Marks: Road to Power. The Trans-Siberian Railway and the Colonization of Asian Russia, 1850-1917. Ithaca 1991.


Fußnoten:


  1. Annette Meakin: A Ribbon of Iron. Westminster 1901, Repr. New York 1970, S. 21 f. ↩︎

  2. Eugen Zabel: Transsibirien. Mit der Bahn durch Russland und China, 1903. Hrsg v. Bodo Thöns. Darmstadt 2003, S. 137 und 171. ↩︎