Zajde Badža

Dragoljub B. Djordjević ist Professor für Soziologie an der Universität Niš und Autor zahlreicher Studien über die Lage der Roma im ehemaligen Jugoslawien. Dragan Todorović ist Soziologe und arbeitet als Assistent an der Philosophischen Fakultät der Universität Niš.

Charakteristisch für die serbische Stadt Niš ist, dass sie auch als Roma-Stadt zählt, da sie ca. 30.000 Roma beherbergt. Seit Jahrhunderten wohnen sie in zerstreuten Dörfern und Vororten, am Rande der Stadt in eigenen Vierteln oder im Stadtkern; ethnisch und kulturell verschieden, sowohl Orthodoxe als auch Muslime, reich und arm, mit Schulbildung und Analphabeten, berühmt und anonym, hervorragende Musiker und schlichte Altpapiersammler, Industriearbeiter und Tagelöhner, ruhige Bürger und laute Hooligans. Der Bewohner von Niš trifft sie an jeder Straßenecke, und ob er mit ihnen zu tun hat oder nicht, er kennt sie nicht richtig: woher sie kommen und wann sie sich hier niedergelassen haben, wo und wie sie leben, wie und zu welchem Gott sie beten, warum sie „so“ und nicht „anders“ sind. Im Kultort Zajde Badža haben die Roma ein eigenes Heiligtum, das Thema dieser Ausführungen ist. Die nachstehende Abbildung zeigt den aktuellen, leider ziemlich verwahrlosten Zustand der Anlage.

Roma-Heiligtum in Zajde Badža (Foto: Renovabis-Archiv).

Dušanka Bojanić paraphrasiert in ihrem Buch über Niš in der Zeit der Türkenherrschaft eine Schrift von Evlija Čelebija aus dem Jahr 1660 über die Zahide-Badža, wahrscheinlich die erste Erwähnung dieser muslimischen Legende:

„Evlija Čelebija schreibt über Zahide-Badža. Dem Namen nach war Zahide-Badža eine fromme, geachtete Person, doch man weiß nicht, wann sie lebte. Ihr Grab zeigt, dass sie wichtig war, denn wäre sie nur Frau oder Tochter eines Derwisch gewesen, wäre sie mit ihm beerdigt worden. Der Brunnen, den sie erbauen ließ, war schlicht, aber wertvoll für die Mitbürger, wegen des Wasserkults im Islam, aber auch wegen des großen Bedarfs an gesundem Trinkwasser.

In den Chroniken aus den letzten Jahren der Türkenherrschaft in Niš wird auch die Türbe1 von Zahide-Badža erwähnt. Gleichzeitig gab es in Niš eine Überlieferung von der Türbe ‚eines türkischen Mädchens‘, das sich allem Anschein nach auf die Türbe Zahide-Badžas bezog. Dieser Legende nach war sie ein junges und sehr frommes Mädchen, das von einem reichen Türken adoptiert worden war, der nach Mekka aufgebrochen war. Als einen Tag vor dem Zuckerfest ihre Stiefmutter viel Essen und Süßes vorbereitete, bat das Mädchen um eine kupferne Schüssel mit Essen, das ihr Stiefvater am liebsten aß, um es ihm nach Mekka zu bringen. Nach langem Bitten erfüllte ihr die Stiefmutter den Wunsch, ‚und das Mädchen ging nicht durch das Stadttor, sondern über die Stadtmauer und den Graben‘. Hier verschwand sie für immer; man fand im Stadtgraben nur ihre Pantoffeln. Als der Stiefvater von seiner Pilgerreise zurückkehrte, erzählte ihm seine Frau vom Verschwinden des Mädchens. Er zog daraufhin aus seinen Satteltaschen die Schüssel, die sie ihrer Stieftochter gegeben hatte, und erzählte, dass er sie voll Honigkuchen am Tag nach dem Zuckerfest in seinem Zimmer in Mekka gefunden hatte.

Wo die Pantoffeln des Mädchens gefunden worden waren, sahen fromme Türken oft ein Licht, das nicht von Menschenhand entzündet war. Dort baute man ein schönes Grab mit einer Türbe, ein Werk des Stiefvaters und anderer Nišer, die glaubten, dass das Mädchen heilig geworden war. Diese Türbe duldete keine Überdachung. Man erbaute drei Mal eine, und sie fiel drei Mal von allein zusammen, sodass seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhundert das Grab unbedeckt steht, von der Sonne beschienen und vom Regen begossen. Dieses Grab des türkischen Mädchens befand sich in der Nähe des ehemaligen Belgrader Tores im Graben.“

Der Forscher und Reiseschriftsteller Felix Kanitz, der mehrere Male Niš besuchte, hinterließ 1887 ebenfalls einen Eintrag über das legendäre Mädchen: „In der unmittelbaren Nähe des von Hajdar-ćehaja erbauten Brunnens sah ich eine Türbe, die über dem Grab eines Nišer Mädchens – das wegen ihrer wundersamen Reise nach Mekka berühmt wurde – erbaut worden war.“ Milan D. Milićević, ein bekannter Historiker und Staatsmann, beschreibt während seines Aufenthalts in Niš kurz nach Ende der türkischen Herrschaft im Jahre 1878 anschaulich und aus türkischen Quellen die muslimische Legende wie folgt: „In der Nähe des Belgrader Tores gibt es zwei türkische Gräber (Türben), die von den Türken als Gräber ihrer Heiligen verehrt werden. Eine liegt im Stadtgraben, die andere vor dem Tor auf einer Anhöhe. Das erste Grab ist von einem türkischen Mädchen, das als eine Heilige verehrt wird, und über das die Türken in Niš dies erzählen: ...“ [Es folgt die Legende.]

Djordje Stamenković, langjähriger Direktor des Historischen Archivs und ein Schreiber von Notizen aus der näheren Vergangenheit der Stadt, weist 1995 auf das Heiligtum der Roma und seine heutige Verwendung hin:

„Jeden Freitag kann man neben der Nišer Festung in der Nähe des Belgrader Tores Hunderte brennender Kerzen sehen. Eine Ecke unter der Mauer der Festung ist beleuchtet. Man sieht das nächtliche Kultfeuer, um das sich zahlreiche Roma und andere Muslime unserer Stadt scharen. Die Sitte ist mehrere Jahrhunderte alt.

Zum Grabe von Zahida (Zajda) Badža kommen regelmäßig Nišer Roma und Muslime, in der letzten Zeit auch ausländische Studenten, vor allem aus arabischen Ländern. Der Kultort der Nišer Roma ist von einem bescheidenen Zaun umzäunt, die Gemäuer der Festung sind weiß gestrichen und bemalt; um das Grab herum befindet sich eine kleine Bank. Am Grabe versammeln sich ältere und jüngere Roma und beschenken ‚den heiligen Ort‘. Sie hinterlassen ein paar Münzen, ein Handtuch oder Hemd. Danach zünden sie regelmäßig in den Abendstunden Kerzen an und beten, dass Zahide (Zajde) Badža ihnen hilft, Gesundheit schenkt, Glück, Liebe und Freude in die Familie und das Leben bringt. Aber Zahide (Zajde) Badža kann auch Flüche annehmen für all diejenigen, die ‚nicht gut‘ waren; daher halten sich die Roma streng an ihre Sitte, niemanden zu verfluchen oder ihm Schlechtes zu wünschen. Keine Regierung hat diese Tradition verboten. Nur die Deutschen und Bulgaren hatten während des Zweiten Weltkriegs das Pilgern zur Türbe verboten. Nach der Befreiung versammelten sich die Roma wieder um ihre Türbe ohne Dach. [Es folgt die Legende.] Die Nišer Roma glauben immer noch an diese Legende. Sie bringen ihre Kleinen mit und erzählen ihnen, wie auch heute noch eine Hand ‚vom Himmel‘ kommt und die Kerzen am Grab von Zahide (Zajde) Badža anzündet, damit sie wegen ihrer Güte für immer beleuchtet sei und unvergessen bliebe.“

Der Ethnologe Iva Trajković versucht gegen Ende des 20. Jahrhundert die Zajdebača, die bereits zu einem exklusiven Heiligtum der Roma geworden war, zu erklären:

„Die Zajdebača kann man als ein echtes Heiligtum der Nišer Roma ansehen. Sie pilgern oft hierher und huldigen ihr, sodass wir diesen Kultort, der von den Türken stammt, als ihre Kirche betrachten können. Dieses Heiligtum befindet sich neben der Mauer der Nišer Festung, rechts vom Belgrader Tor. Es ist mit einigen Pfeilern aus Beton und einer Metallkette umrandet; darin befinden sich drei Holzbalken und einige Steine, auf denen jeden Donnerstag Zigeuner Kerzen anzünden, die Steinblöcke der Festung küssen und leise ihre Gebete und Wünsche sprechen. Dem Volksglauben nach war die Zajdebača-Zajda ein Mädchen, eine Serbin, Christin und Dienerin am Hofe eines türkischen Paschas. [Es folgt die Legende.] ... Zu dieser Stelle pilgerten später die Türken, zündeten Kerzen an und beteten zu Allah in der Hoffnung, dass er alle ihre Wünsche erfüllen möge. Zajda hielten sie für eine Heilige, obwohl das mit der islamischen Lehre nicht übereinstimmt.

Nach dem Volksglauben gibt es dieses Heiligtum schon seit langem. Neben den Muslimen aus Niš und der weiteren Umgebung besuchten es auch einige Angehörige des orthodoxen Glaubens. Nach dem Weggang der Türken setzten die Nišer Zigeuner die Verehrung dieses Heiligtums fort. Hierhin kamen Kranke mit der Überzeugung, dass Zajda sie heilen würde, kinderlose Frauen hofften zu gebären, Mütter erbaten bei Zajda guten Erfolg ihrer Kinder in der Schule. Vom Heiligtum verabschiedet man sich rückwärts gehend als Zeichen der Verehrung. Das Geld, das die Gläubigen zurücklassen, soll man nicht nehmen, da dem, der das wagen würde, die Hand oder ein anderer Körperteil vertrocknen oder ihn ein anderer Schicksalsschlag heimsuchen würde.

Die Gläubigen selbst ernannten eine Person, die sich um die Sauberkeit und Ordnung kümmerte und Kerzen verkaufte, wovon sie auch lebte. Heute verrichtet eine Zigeunerin diese Arbeiten, die ihren Unterhalt von Geschenken und verkauften Kerzen bestreitet.“

Der Publizist Nenad Jašić, ein Historiker des Lebens und der Sitten der Nišer Roma, erzählt die Geschichte von Zajda Badža so: „Die alten Nišer Roma glauben an die Zajde Badža (Zahida Badži) als Heilige und Beschützerin. Die Legende von Zajde Badža wurde unter den Roma von Generation zu Generation weiter tradiert. Eine sehr fromme junge Frau arbeitete als Dienerin bei einer reichen türkischen Familie. Da sie keine Muslimin war, war es ihr nicht erlaubt, im Haus zu beten. Deswegen hat sie immer die Toilette gewischt und dort gebetet ...“ [Es folgt die Legende.]

Hier noch das Zeugnis von Nešo Asić, der heute die Sorge um das Heiligtum trägt, in einem Interview:

„An dieser Stelle gab es eine Betonplatte. Irgendein, was weiß ich, reicher Mann befahl, sie niederzureißen. Er brachte Arbeiter, aber was geschah? Dem einen verdrehte sich der Arm, dem anderen das Bein und wieder einem anderen der Mund. Und was geschah mit ihm? Er fuhr mit dem Wagen weg, etwa 30 oder 40 Meter weit, baute einen Unfall und kam sofort auf der Stelle ums Leben.“ „Alles klar, und wann war das?“ „Letztes Jahr.“

„Es heißt, hierher kommen jetzt auch Roma, mit muslimischen Familiennamen oder Muslime, es kommen auch Orthodoxe?“ „Es kommen Orthodoxe, und auch kranke Menschen. Jedem, der für etwas eine Kerze anzündet, wird geholfen.“ „Kamen früher mehr, um Kerzen anzuzünden, oder jetzt?“„Jetzt sind es mehr. Jetzt kommen sie zahlreicher.“

„Seit wann bist du hierfür verantwortlich?“ „Ich … meine Schwester war es zuerst, aber was das betrifft, bin ich besser eingeweiht in solche Sachen … Die Schwester war hier, und danach habe ich es von meiner Schwester übernommen, seit beinahe sieben oder acht Monaten.“ „Wann versammeln sich die Menschen, donnerstags?“ „Nur donnerstags. Roma halten ihre Versprechen, verstehen Sie? Sie versprechen, jeden Donnerstag eine Kerze hier anzuzünden. Diejenigen, die es nicht können, machen es zu Hause.“ „Und wann kommen mehr Menschen, mittags, abends, oder …?“ „Nachmittags kommen die meisten.“ „Und kommen sie auch, wenn irgendein Fest ist, am Fest des heiligen Georg oder des heiligen Wasilij?“ „Ja, sie kommen, wenn es auf einen Donnerstag fällt, dann kommen sie bestimmt. Aber sie kommen unabhängig davon, ob es ein Fest ist. Ich war in der adventistischen Kirche, in der orthodoxen und danach war ich in der katholischen, und jetzt bin ich ein Zeuge Jehovas und will euch sagen, die Bibel kenne ich, wie ich meine Finger zählen kann.“ „Bringen die Menschen auch ihre jüngeren Kinder hierher?“ „Ja, bringen sie. Es kommen auch Jugendliche. Mädchen zünden Kerzen für die Jungs an, was weiß ich, damit sie sie mögen, und es gibt keinen, dessen Wunsch nicht in Erfüllung geht. Vor kurzem war hier eine Roma-Frau vom Dorf, was weiß ich, sie kam hierher. Ich kenne sie nicht, nur vom Sehen. Und sie klagte über ihren Kopf, aber was geschah? Sie saß dort und ich sagte ihr, steh auf und komm hierher, und ich stellte sie an die Wand da, damit sie zu ihr beten kann. Sofort fühlte sie sich besser, verstehen Sie?“

„Wenn diejenigen, die sich von Zajde Badža helfen lassen wollen, kommen, sprechen sie etwas in Wörtern, oder beten sie nur so?“ „Nein, sie sagen es in Wörtern, und jeder ist verpflichtet, es mir anzuvertrauen, weswegen er eine Kerze anzündet. Ich frage sie, frage sie höflich, weil sie mich an diesem Ort nicht belügen dürfen. Und sie sagen es.“ „Da drüben2 machen sie nichts, außer eine Kerze anzuzünden?“ „Sie zünden nur eine Kerze an und machen sonst nichts, nur eine Kerze zünden sie an. Die es versprochen haben, und wenn ihr Wunsch in Erfüllung geht, bringen sie ein Handtuch oder etwas anderes, Socken oder so, und legen es hierher und keiner außer mir darf es nehmen …“

„Und wie heißt du?“ „Asić Nešo.“ „Und welcher Konfession gehörst du an, bist du ein Christ oder …?“ „Hören Sie, im Grunde bin ich ein Rom, ich gehöre dem Volk der Roma an. Ich ehre alle Kirchen und jetzt bin ich auch mit den Orthodoxen. Sie kommen zu mir nach Hause und belehren mich und ich lerne die Bibel und das alles.“ „Du bist ein Christ, dem Familiennamen nach sieht man es. Und deine Herkunft ist muslimisch?“ „Angeblich ist es so mit der Herkunft, aber das ist nicht richtig, ich bin in Serbien geboren und alle meine Angehörigen leben in Serbien. Ich werde als Serbe angesehen.“ „Und kommst du jeden Tag hierher?“ „Nur donnerstags. Weil wenn ich nicht hier bin, verstehst du, an diesem heiligen Ort, dann kommt sie nach Hause … und wenn ich nicht da bin, egal, wer sich hier befindet, erscheint sie und sagt, schickt den und den zu dem und dem Ort, um sauber zu machen … Und ich muss kommen.“

„Findest du es schön, dass auch die orthodoxen und muslimischen Roma hierher kommen?“ „Hören Sie, egal welche Nationalität man hat, sie hilft jedem. Denn hierher kommen auch die, die einen Schlaganfall hatten, und viele andere Frauen kommen, und sie hilft jedem.“ „Kommen mehr Frauen als Männer hierher?“ „Das macht keinen Unterschied.“ „Es kommen auch die Roma aus den Dörfern?“ „Ja, die kommen auch. Eine kam hierher – ich weiß jetzt nicht, wie die heißt – aus Aleksinac und fing an zu weinen. Ich fragte, warum weinen Sie? Sie sagte, dass ihr Mann hier im Gefängnis sitzt. Weswegen? Was weiß ich, gefälschte D-Mark hat man bei ihm gefunden, die ihm jemand untergeschoben hat. Aber sie zündete mehrere Male Kerzen an und betete hier, damit man ihren Mann freilässt. Und es verging kaum ein Monat und ihr Mann kam frei.“ „Und meinst du, dass jemand hier für die Sanierung aufkommen müsste, etwa die Stadt …?“ „Ja, das müsste man … hören Sie, man müsste ein wenig … Wenn das hier eine Kirche wäre, würde man hier nicht einen solchen Gestank zulassen. Ach, vergiss es, es sind ja nur Muslime, heißt es dann, und so … Sie ist eine echte Türkin, aber ich will es dir sagen, es ist nicht gut, dass man hieraus eine Toilette macht. Ich habe versucht, mehrere Male zu putzen, aber es hilft nichts.“

Schlussfolgerungen

  1. Der Kultort Zajde Badža basiert auf der ursprünglich osmanischen Legende über ein frommes Mädchen, eine Türkin, die wahrscheinlich im 16. Jahrhundert in Niš lebte. Von den muslimischen Wurzeln der Legende wird in den Quellen überzeugend berichtet. Zajde Badža war bis zum Ende des 19. Jahrhundert ein Kultort, der ausschließlich von Türken benutzt worden war – keine Quelle erwähnt Roma.

  2. Orthodoxe Roma sind in Niš und Umgebung schon seit dem Mittelalter ansässig. Mit den Türken veränderte sich die Struktur der Roma-Bevölkerung. Die muslimischen Roma kamen entweder mit den türkischen Eroberern oder traten aus Überlebensgründen vom Christentum zum Islam über. Mit dem Weggang der Türken wurden die Spuren der islamischen Kultur und des islamischen Glaubens schnell und rigoros getilgt; es fehlte eine Stütze für die religiöse Praxis der verbliebenen muslimischen Bevölkerung.

  3. Die muslimischen Roma wurden zum alleinigen Erben der Legende von Zajde Badža und ihres Kultortes, nachdem sie die Muslime als Stütze der islamischen Religion verloren und sich plötzlich in einem mehrheitlich orthodoxen Umfeld befanden. So begann die Aneignung und schöpferische Überarbeitung der Legende seitens der Roma und die Anpassung des Kultortes. Ein langer Prozess der Umwandlung, begleitet vom unausweichlichen Verlust der Bindung an den Islam (es blieben fast nur Spuren in den Namen und zwei verbreitete Gebräuche, muslimische Beerdigungen und seltener die Beschneidung) und von einer Rückkehr zum Glauben der Urväter, zur Orthodoxie, gipfelt in der Gründung eines islamisch-christlichen Heiligtums. Heute wird Zajde Badža von allen Roma ungeachtet ihrer Glaubensüberzeugung verehrt. Die Veröffentlichungen über das Heiligtum von Nenad Jašić und Iva Trajković sind jedoch mangelhaft (Trajković geht sogar so weit, dass er eine offensichtliche Fälschung begeht und Zajde Badža zur Serbin erklärt).

  4. Allem Anschein nach bekräftigt Zajde Badža die Annahme, die in der Literatur sehr verbreitet ist, wonach die Roma Offenbarungsreligionen zuerst in einer Notlage annehmen und sich des ursprünglichen Glaubens erinnern, was oft in eine merkwürdigen Vermischung von Glaubensinhalten einmündet.

  5. Diese Vermischung kultureller Aspekte ist keineswegs als Fehlentwicklung, sondern vielmehr als Bereicherung vor dem Hintergrund der jahrhundertelangen Lebenserfahrung der Roma in multiethnischen und multireligiösen Gesellschaften zu verstehen. Vielleicht kann sie anderen Volksgruppen ein Beispiel sein. Wie bei ähnlichen religiösen Vorstellungen der Roma führt diese Entwicklung nicht zum Verlust der eigenen kulturellen Spezifika oder der nationalen Identität. Vielmehr handelt es sich um interkulturelle Integration – nicht um Assimilation und keineswegs um bewusste Abspaltung.

Deutsch von Berislav Župarić.


Fußnoten:


  1. Türbe (türkisch, ursprünglisch aus dem Arabischen) bedeutet „Grab“, „Grabstätte, auch „Mausoleum“. (Anm. d. Redaktion) ↩︎

  2. Vgl. dazu die Abbildung oben im Text. ↩︎