03. Dezember 2012

„Die Politik kann nur die Türen öffnen – hindurchgehen müssen die Menschen.“

Rückblick auf die Präsentation des OWEP-Heftes „Die Tschechische Republik“ (29. November 2012, München)

Wie steht es um die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen? Das kürzlich erschienene Heft „Die Tschechische Republik“ der Zeitschrift OST-WEST. Europäische Perspektiven (OWEP) bietet zwar auf knapper Fläche eine Fülle von Informationen, beansprucht jedoch keinesfalls, erschöpfende Auskunft über das Verhältnis dieser Nachbarn in Mitteleuropa Auskunft zu geben. Wie andere Hefte möchte es aber Fakten wiedergeben, zur Diskussion anregen oder ganz einfach Menschen miteinander ins Gespräch bringen. Dies war auch das Ziel der Veranstaltung „Fremder Nachbar? Die Tschechische Republik“ am 29. November 2012 in der Tschechischen Mission in München, zu der die Redaktion der Zeitschrift OWEP, Renovabis, die Ackermann-Gemeinde und die Tschechische Mission gemeinsam eingeladen hatten.

Dr. Christof Dahm - Foto: Marie Smolkova (Ackermann-Gemeinde)

Über 40 interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus nah und fern, darunter auch mehrere Autorinnen des Heftes, wurden vom Leiter der Tschechischen Mission, Pfarrer Bohuslav Švehla, begrüßt und über das Selbstverständnis und die Aufgaben der Tschechischen Mission informiert. Dr. Gerhard Albert, Geschäftsführer von Renovabis, beschrieb anschließend die Arbeit des Osteuropahilfswerks Renovabis und erläuterte die Schwerpunkte der Renovabis-Projektarbeit in der Tschechischen Republik. Daran schloss sich die eigentliche Präsentation des aktuellen OWEP-Heftes durch Dr. Christof Dahm, Redakteur vom Dienst der Zeitschrift, an, der einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Zeitschrift gab und den Aufbau des Heftes „Die Tschechische Republik“ skizzierte. Der Name der Zeitschrift ist eigentlich auch ihr Programm: Es geht um den Osten und den Westen Europas, um ihr Verhältnis zueinander, und um die künftige Entwicklung, also die Perspektiven Europas, oder, um einen etwas aus der Mode gekommenen Begriff zu verwenden: Es geht um das „gemeinsame Haus Europa“.

Europa ist, um im Bild zu bleiben, ein Mehrfamilienhaus mit vielen Parteien auf verschiedenen Etagen. Manche Wohnungstüren waren aber so lange verschlossen, dass die Menschen auch heute, über zwanzig Jahre nach der gesellschaftlich-politischen „Wende“, sich davor scheuen, zum Nachbarn hinüberzugehen. Matthias Dörr, Geschäftsführer der Ackermann-Gemeinde, wies als Moderator eines Gespräch mit dem tschechischen Generalkonsul Josef Hlobil, der Studentin Marie Talířová und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Joachim Unterländer MdL, auf die immer noch vorhandenen Unsicherheiten hin, die sich bei Begegnungen zwischen Deutschen und Tschechen zeigen. Die Sprachbarriere mag dabei eine Rolle spielen, auffälliger ist aber nach Ansicht von Frau Talířová das Missverhältnis in der gegenseitigen Wahrnehmung: Die Tschechen aller Generationen verfolgen mit großem Interesse das politische und gesellschaftliche Leben in Deutschland, bei den meisten Deutschen lässt sich hingegen nur wenig Interesse am „kleinen“ Nachbarn im Südosten ausmachen. Bleibt es also beim „fremden Nachbarn“? Nicht unbedingt, wie Generalkonsul Hlobil erläuterte, denn gerade in den Grenzregionen, also im bayerisch-tschechisch-sächsischen Raum, bestehen zahlreiche Kooperationen zwischen Behörden und Wirtschaftsunternehmen, und – was viel wichtiger ist – Kontakte von Mensch zu Mensch. Wenn es gelingt, diese weiter auszubauen, werden sich die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen weiter verbessern. Auch die katholische Kirche hat mit vielfältigen Hilfsmaßnahmen schon lange vor den Umbruchsjahren 1989/90 Zeichen gesetzt und, wie Herr Unterländer ausführte, damit wesentlich dazu beigetragen, dass sich das historisch belastete Verhältnis der Nachbarn merklich entspannt hat. Matthias Dörr griff abschließend ein Wort von Hans-Dietrich Genscher auf: „Die Politik kann nur die Türen öffnen – hindurchgehen müssen die Menschen.“ Die Europäer sind aufgerufen, gerade auch in Zeiten der Krise sich nicht auf sich selbst zurückzuziehen, sondern zum Nachbarn zu gehen und ihn, den Fremden, als Bereicherung zu erleben.

Die „Buchtaufe“ (von links: Matthias Dörr, Joachim Unterländer MdL, Dr. Gerhard Albert, Generalkonsul Josef Hlobil) - Foto: Marie Smolkova (Ackermann-Gemeinde)

Nach diesem angeregten Gespräch wurde am OWEP-Heft „Die Tschechische Republik“ eine Buchtaufe vollzogen, womit es endgültig nun seinen Weg in die Öffentlichkeit gehen kann. Die Veranstaltung, musikalisch umrahmt durch den Pianisten Jan Čech mit Werken von Bohuslav Martinů und Antonín Dvořák, ging dann in offene Gespräche über und endete mit einem Gottesdienst in tschechischer und deutscher Sprache, der von Pfarrer Bohuslav Švehla, Monsignore Dieter Olbrich und Monsignore Johann Tasler zelebriert wurde.

Dr. Christof Dahm