Authentische Erinnerung – Fundament für tragfähige Versöhnung

aus OWEP 2/2018  •  von Thomas Hoppe

Prof. Dr. Thomas Hoppe ist Professor für Sozialethik an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Zusammenfassung

Ein Umgang mit belasteter Vergangenheit, der Versöhnungsprozesse ermöglichen will, steht vor manchen Schwierigkeiten. Zentral sind der Kampf um die “Deutungshoheit” über das Geschehene und die Trennung der Lebenswelten von Tätern und Opfern systemischen Unrechts bzw. organisierter Gewalt. Authentisches Erinnern zielt auf die Wiederaufrichtung der verletzten Würde der Opfer und will verhindern, dass selektive Narrative einen Zustand der Unversöhntheit festschreiben.

Bald drei Jahrzehnte sind vergangen, seit es zum epochalen Umbruch in Europa kam, mit dem der Kalte Krieg endete und für den der Fall der Berliner Mauer als eines der sinnfälligsten Symbole steht. Die weltweit vielleicht gefährlichste politisch-militärische Konfrontation konnte in substanzielle Reduzierungen der Rüstungspotenziale transformiert und eine deutliche Entschärfung der politischen Spannungen erreicht werden. Viele hofften, dass damit die Gefahr eines neuen Krieges wenigstens für Europa auf Dauer überwunden werden könnte. Doch schon mit dem Ausbruch des blutigen Konflikts im ehemaligen Jugoslawien im Sommer 1991 wurden solche Hoffnungen enttäuscht.

Konkurrierende Narrative statt differenzierenden Gedenkens

In diesem Konflikt trat an die Oberfläche, was in den Tiefenschichten des kollektiven Gedächtnisses der beteiligten Parteien seit langem präsent war, auch wenn es zuvor nicht offen artikuliert werden konnte: Die Erinnerung an physische Gewalt, nicht minder aber die traumatischen Auswirkungen anderer politisch verursachter Leiderfahrungen, die man von den jeweiligen Nachbarn erlitten hatte. Die Eruption des Konflikts in atavistisch anmutende Gewaltexzesse, die vor allem ab 1993 stattfand, bestätigte von neuem, dass eine Fortsetzung, ja Steigerung solcher Leiderfahrungen jederzeit möglich war, wenn dies nicht durch bewusst gesetzte politische Arrangements gehemmt, im besten Fall verhindert wurde. So erklärt sich die politische Logik des Abkommens von Dayton (Ohio) aus dem Jahr 1995, mit dem dieser Konflikt „eingefroren“ wurde: Es löste die Konfliktursachen nicht, verhinderte aber dessen weitere gewaltförmige Austragung. An welche Grenzen auch dieser Versuch stieß, zeigte der internationale Konflikt um Kosovo im Frühjahr 1999.

Diese und eine Reihe nachfolgender, ebenfalls ernüchternder Erfahrungen rieten zur Skepsis im Umgang mit der moralischen Forderung nach Versöhnung, die noch während der Umbruchzeit im Herbst 1989 von zahlreichen Stimmen erhoben worden war. Es wurde offenbar, dass Versöhnung nichts ist, was sich durch einen einfachen Willensakt eines oder mehrerer beteiligter Akteure herbeiführen lässt. Vielmehr kam es offensichtlich entscheidend darauf an, zunächst korrekt zu erfassen, worin die versöhnungsbedürftige Situation genauerhin besteht und wo ihre Ursachen liegen. Ohne den Versuch einer sorgfältigen historisch-politischen Aufarbeitung der belasteten Vergangenheit wäre es bei der Konfrontation miteinander unvereinbarer Narrative geblieben: Jede Seite hätte der anderen die Haupt-, wenn nicht die Alleinschuld für die Traumata der Vergangenheit zugewiesen und, wie der Jugoslawienkonflikt nur zu deutlich zeigte, sich aus diesem Narrativ bedienen können, um eigene Gewaltanwendung in der Gegenwart zu rechtfertigen.

Ein Kampf um die „Deutungshoheit“ für die Handlungszusammenhänge jüngster Geschichte lässt sich auch in vielen Ländern beobachten, die nach 1990 Transformationsprozesse durchlaufen haben, in denen die Grundlagen des bisherigen politischen Systems so tiefgreifend verändert wurden, dass dieses damit an sein Ende gelangte. Dabei besteht die Gefahr, dass die Verantwortlichen für politisches Systemunrecht unter den alten Verhältnissen im öffentlichen Diskurs gegenüber den noch lebenden Opfern solchen Unrechts dominieren und auf diese Weise deren fortwirkende Marginalisierung und Ausgrenzung aus der Gesellschaft bewirkt wird.

Aufarbeitung der belasteten Vergangenheit erweist sich angesichts dieser Sachlage selbst als ein moralisches Erfordernis, das gegenüber der Aufgabe der Versöhnung prioritär sein muss, weil erst solche Aufarbeitung die Voraussetzungen für etwas schafft, worauf sich tragfähige Versöhnungsprozesse gründen lassen: die Gewinnung einer authentischen Erinnerung. Dazu gehört, die im Einzelnen durchaus unterschiedlichen Formen der Mitverantwortung für das in der Vergangenheit geschehene Leid in den Blick zu nehmen, wobei genau darauf zu achten ist, wie Handlungsketten, die zu katastrophalen Folgen gerade in humanitärer Hinsicht führten, entstanden und welche Interdependenzen ihren Verlauf bestimmten. Gerade im Blick auf eine längere Konfliktgeschichte lässt sich immer wieder konstatieren, dass – zu unterschiedlichen Zeiten – Opfer auch zu Tätern, Täter auch zu Opfern werden können. Zugleich darf dieser Befund nicht generalisiert werden: Zahllose Menschen fielen Gewalthandlungen zum Opfer, ohne dass bei ihnen zugleich Anteile irgendeiner Täterschaft zu verzeichnen wären; sie wurden verfolgt und ermordet allein deswegen, weil sie z. B. einer anderen ethnischen bzw. sozialen Gruppe angehörten. Eine relativistische, auf tendenzielle Gleichsetzung zielende Beschreibung der Täter-Opfer-Problematik wäre daher neues schwerwiegendes Unrecht, zudem gerade das Gegenteil einer authentischen Erinnerung. Ihr muss es stattdessen darum gehen, die Unterschiedlichkeit von tatsächlichen Verantwortungszusammenhängen jenseits von Legitimationslegenden und geschönten oder selektiven subjektiven Narrativen herauszuarbeiten.

Eine besondere Problematik im Kontext von politischem Systemunrecht liegt im Phänomen der Verstrickung in solche Zusammenhänge, die den beteiligten Personen teils erst im Lauf der Zeit in ihrer vollen moralischen Fragwürdigkeit bewusst wurde. Wo Verdrängungsmechanismen nicht mehr weiterhalfen, konnte es sehr schwer werden, mit einer solchen Situation auf Dauer zu leben. Gerade die Techniken der Verstrickung in Systemunrecht bedeuten einen nachhaltig schädigenden „Angriff auf die Seele.“ Sie zerstören letztlich die Identität der Person als sittliches Subjekt, das den Anspruch, sich nicht an der systematischen Zerstörung Andersdenkender zu beteiligen, oft deutlich als Stimme des eigenen Gewissens vernehmen konnte.

Zäsur der Lebenswelten

Zu den lang wirkenden Folgen der Anwendung physischer, aber auch psychischer Gewalt gehört der Verlust des Vertrauens in diejenigen, von denen solche Gewalt erfahren wurde. Die Überlebenden von Kriegen und Bürgerkriegen sind vielfach für ihr Leben von den Traumatisierungen gezeichnet, die durch die direkte Konfrontation mit den unterschiedlichen Erscheinungsformen organisierter Gewalt entstanden sind. Menschliche Verarbeitungsmöglichkeiten solcher Situationen haben ihre Grenzen; daraus ergeben sich zahlreiche Beeinträchtigungen im späteren alltäglichen Leben, bis hin zu manifesten Krankheitsbildern als Ausdruck einer Reaktion auf die auch körperlich gespeicherten, nicht bewältigbaren traumatischen Erinnerungen. In ähnlicher Weise kann das Leben eines Menschen durch das fortgesetzte Erleiden psychischer Gewalt geschädigt werden, wie sie im Kontext von politischer Verfolgung als einer der Ausdrucksformen systemischen Unrechts häufig ausgeübt wird. Viele Opfer solcher Verfolgungsmaßnahmen erlebten oft jahrelang andauernde Phasen von außen induzierter existenzieller Verunsicherung und starker Ängste, die ihre Selbstwahrnehmung wie ihre inneren Bilder von der sie umgebenden sozialen Welt grundlegend veränderten. Das damals Erlittene bewirkte, dass man sich auch in der Gegenwart auf Verhältnisse, die in einem herkömmlichen Sinn „normal“ zu sein scheinen, nicht mehr verlassen, ja womöglich nicht einmal versuchsweise auf sie einlassen kann – zu wenig scheint in solchen Kontexten einigermaßen sicher zu sein, dass man riskieren könnte, in ihnen zu leben, als sei man unbefangen. Menschen, die in Deutschland in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur Verfolgungsmaßnahmen erlitten und denen es auf oft gefahrvollen Wegen gelang, aus diesem Land zu fliehen, berichteten nachher übereinstimmend, fortan sei es zum wichtigsten Ziel ihres Lebens geworden, nie wieder anderen Menschen ausgeliefert zu sein. Alle anderen Wünsche und Interessen wurden diesem absolut prioritären Ziel nachgeordnet. Auch nach Ende der Bedrohungssituation war es für die meisten sehr schwer und für viele von ihnen letztlich unmöglich, aus dem innerpsychischen „Überlebensmodus“ wieder herauszufinden, der ihnen in der Zeit der Verfolgung aufgezwungen worden war. Neben dem Versuch, unerträgliche Erinnerungen abzuspalten und zu verdrängen, war eine charakteristische Erscheinungsform dieser Existenzweise im Überlebensmodus, dass es den Betroffenen in der Regel nicht möglich war, über das von ihnen Erlittene zu sprechen – außer mit Menschen, von denen sie wussten, dass sie ihr Schicksal teilten.

Die kollektive Erfahrung von organisierter Gewalt wie auch von systemischem Unrecht führt deswegen zu einer Zäsur der Lebenswelten bei denjenigen, die in solchen Situationen auf unterschiedlichen Seiten, zuweilen direkt einander gegenüber standen. Auch darin begegnet nochmals eine weitere Asymmetrie: Diejenigen, die für die Verursachung schwerer Traumata verantwortlich sind, können sich kaum in die Lebenssituation der Traumatisierten hineinversetzen – dies gelingt allenfalls Personen, die als Fachleute im Kontext psychosozialer Hilfsangebote ständig mit Betroffenen arbeiten, um die Folgen ihrer Traumatisierung zu lindern. Umgekehrt können sich viele der von Traumatisierungen Betroffenen noch recht gut daran erinnern, wie sich ihre Wahrnehmung von Umwelt und eigenem Selbst vor den Ereignissen anfühlte, die zur Traumatisierung führten. Attributionen verschieben sich dabei: Galt zuvor das Leben in einer durchschnittlichen bürgerlichen Zivilität als „Normalwelt“, so tritt an die Stelle dieser für das eigene Lebenskonzept grundlegenden Hypothese nun die Befürchtung, die gesuchte Normalität sei eher in der Welt des Lagers oder des Krieges anzutreffen – damit aber eine Normalität, in der zu überleben nur mit viel Glück und innerer Stärke werde gelingen können. Phasen außerhalb des Lagers oder ohne kriegerische Gewaltanwendung gelten nur als vorübergehende Unterbrechung verhängnisvoller Ereignisketten, die einen – und sei es in der Form unablässiger Bedrohtheitswahrnehmung – das Leben lang festhalten.

Aus dieser Perspektive betrachtet kommt der Wunsch nach Versöhnung einer Quadratur des Kreises gleich: Aus den gleichen Gründen, weswegen man sie sich wünschen würde – nämlich dem Leiden an der Situation der Unversöhntheit und dem mit ihr verbundenen grundlegenden Vertrauensverlust –, erscheint sie zugleich als nahezu unmöglich. Der Respekt vor den von den Folgen der Gewalt Betroffenen und ihrer Lebenssituation verbietet es, diese hohe Hürde gewissermaßen durch moralischen Druck hin zu mehr Vergebungsbereitschaft zu überspringen zu suchen. Hierin liegt einer der Gründe dafür, dass es häufig erst in den nachfolgenden Generationen möglich werden kann, wieder Schritte aufeinander zuzugehen, die nicht sofort mit einem Erwartungsdruck verbunden sind, der die beteiligten Personen überfordern muss. Oft geht es zunächst darum, wechselseitig erfahren zu können, dass die Situation in der Gegenwart nicht mehr dieselbe ist wie diejenige, die den Vertrauensverlust bewirkte, auch weil die handelnden Personen meist nicht dieselben sind.

Authentisches Erinnern – Gerechtigkeit – Versöhnung

Im Blick auf diese Grundverfasstheit versöhnungsbedürftiger Situationen wird man sensibel dafür werden, wo hohle Versöhnungsrhetorik an die Stelle tatsächlichen Versöhnungshandelns tritt. Vor allem wird deutlich, dass alle Schritte, die auf das Ziel solcher Versöhnung bezogen sind oder zumindest in seinem Kontext stehen, auch dann einen Eigenwert haben, wenn die erhoffte Versöhnung bis auf weiteres aussteht. Dies gilt zuvorderst für das Bemühen um authentische Erinnerung. Sie dient wenigstens drei Zwecken:

  • Zum einen geht es (wie oben dargestellt) darum, mehr Gerechtigkeit in der Gestaltung von Politik dadurch zu bewirken, dass das kollektive Erinnern vor seiner Verfälschung durch einen selektiven Umgang mit historischen Tatsachen bewahrt wird.
  • Darin liegt zugleich – zweitens – ein Beitrag zu wiederherstellender Gerechtigkeit, indem sich die beschädigte Würde der Opfer von Gewalt und Systemunrecht dadurch ein Stück weit wieder aufrichten lässt, dass man ihren Erfahrungen eine Stimme gibt und sie im öffentlichen Diskurs zu Wort kommen lässt. Denn dadurch kann verhindert werden, dass sie gesellschaftlich isoliert und in ihrer Situation gefangen bleiben.
  • Drittens dient authentisches Erinnern dem Ziel, die Wiederholung solcher Erfahrungen in ähnlicher Erscheinungsform in der Zukunft zu verhindern. Je gründlicher und genauer diese Bemühungen sich gestalten, um so eher werden auch die teils subtilen, teils brutalen politischen und sozialen Mechanismen erkennbar, die in Unrechtsverhältnisse hineinführen, welche, einmal etabliert, nur schwer wieder überwunden werden können. Gerade in einer Zeit, in der sich rechtspopulistische Tendenzen bis hin zu offen autoritären Politikkonzepten erneut Geltung verschaffen, lässt sich durch das Wachhalten der Erinnerung an die politische und soziale Wirklichkeit von Diktaturen dazu beitragen, dass Menschen gegen solche Trends widerstandsfähig bleiben.

Ein erst in jüngerer Zeit beachteter Handlungszusammenhang sollte im Bemühen um authentisches Erinnern noch stärkeres Gewicht erhalten: Viele Betroffene konnten Situationen, in denen sie physischer Gewalt oder den vielfältigen anderen Formen politischer Verfolgung ausgesetzt waren, nur überleben, weil sie Menschen begegneten, die ihnen halfen – nicht selten unter Inkaufnahme hoher persönlicher Risiken. Im Blick auf die NS-Zeit spricht man heute treffend von „Rettungswiderstand“, wenn es darum geht, dass größtenteils unbekannte Menschen denjenigen, die sich der Verfolgung durch Flucht zu entziehen suchten oder „unsichtbar“ wurden, d. h. untertauchten, mit im Einzelnen ganz begrenzten und überschaubaren Aktivitäten einige Tage oder Wochen des Ausharrens im Verborgenen ermöglichten. Man konnte überleben, wenn man das Glück hatte, immer wieder auf Menschen zu stoßen, die den nächsten Schritt ermöglichten. Viele von ihnen wurden seither wegen ihres selbstlosen Einsatzes von der Jerusalemer Shoah-Gedenkstätte YadVaShem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.

Solidarische Hilfe kann auch andere Formen annehmen – zu denken wäre etwa an die nicht selten ebenfalls hochriskanten Versuche, eine Bürgerrechts- und Demokratiebewegung in den Ländern des ehemaligen Ostblocks aufzubauen und selbst noch unter den Bedingungen des Kriegsrechts (in Polen ab 1981) am Leben zu erhalten. Die Erinnerung an diese Handlungsformen mit ihren ausgesprochen identitätsstiftenden Auswirkungen im Selbstkonzept der damals verantwortlich Handelnden machte nach 1990 in vielen dieser Länder ein überzeugendes Bekenntnis zu einem rechtsstaatlich und demokratisch fundierten Umbau ihrer Gesellschaften und politischen Systeme möglich. Unter den dort heute vielfach gewandelten innenpolitischen Gegebenheiten drohen diese mühsam errungenen Erfolge auf dem Gebiet politischer Ethik ebenso in Vergessenheit zu geraten, wie das Bewusstsein ihrer besonderen Entstehungsbedingungen verblasst. Umso wichtiger erscheint es, ihnen einen angemessenen Platz in der öffentlichen Erinnerung zukommen zu lassen.

Neben der Aufgabe, authentisches Erinnern als Fundament für tragfähige Versöhnungsprozesse in seinen vielfältigen Dimensionen zu entfalten und zu pflegen, bleibt ein Weiteres zu tun, und auch die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus elementaren Gerechtigkeitserwägungen: die Linderung der Folgen von Gewalt und Systemunrecht bei ihren Opfern. Sollen sie auch auf längere Sicht zu Überlebenden ihrer traumatischen Erfahrungen werden, müssen heilende Veränderungsmöglichkeiten ihrer Situation geschaffen werden. Vor allem bedarf es geschützter Räume, in denen es allmählich gelingen kann, Ressourcen für das Wiederentstehen der Fähigkeit, anderen Menschen vertrauen zu können, erneut wachsen zu lassen. Noch immer herrscht ein großes Missverhältnis zwischen dem Bedarf an psychosozialen Hilfsangeboten, die nicht nur stark traumatisierte Menschen benötigen, und den dafür bereitgestellten personellen und finanziellen Ressourcen.

Erfahrungen aus Transformationsprozessen auch außerhalb Europas zeigen, dass die Reichweite solcher Hilfsangebote entscheidend davon abhängt, ob sie in einem „aufarbeitungsfreundlichen“ gesellschaftlichen und kulturellen Klima bereitgestellt werden. Dazu gehört nicht zuletzt, dass gerade die moralischen Bedeutungsgehalte einer gesellschaftlichen Neuorientierung im Alltag zum Thema werden. Dem gesamten Bereich von Bildung und Erziehung kommt hier große Verantwortung zu, etwa indem die oft beeindruckenden Formen der Aufarbeitung, wie sie sich an zahlreichen Gedenkorten dokumentieren, systematisch in entsprechende Bildungsprogramme integriert werden.


Literaturhinweise:

  • Aleida Assmann: Formen des Vergessens. Göttingen 2016.

  • Ulf Brunnbauer, Stefan Troebst (Hrsg.): Zwischen Amnesie und Nostalgie. Die Erinnerung an den Kommunismus in Südosteuropa. Köln 2007.

  • Dan Diner: Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust. Göttingen 2007.

  • Arno Lustiger: Rettungswiderstand. Göttingen 2011.

  • Susan Neiman: Das Böse denken. Eine andere Geschichte der Philosophie. Frankfurt (Main) 2006.

  • Sandra Pingel-Schliemann: Zersetzen. Strategie einer Diktatur. Berlin 2002.

  • Jan Philipp Reemtsma: Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne. Hamburg 2008.

  • Stefan Trobisch-Lütge, Karl-Heinz Bomberg (Hrsg.): Verborgene Wunden. Spätfolgen politischer Traumatisierung in der DDR und ihre transgenerationale Weitergabe. Gießen 2015.