Ein Ökumeniker in schweren Zeiten: Metropolit Filaret von Minsk

(Porträt)
aus OWEP 2/2000  •  von Thomas Bremer

Um die Beziehungen zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche und den westlichen Kirchen steht es nicht gerade zum Besten. In den letzten Jahren stand die russische Kirche mehrfach kurz vor dem Abbruch aller ihrer ökumenischen Kontakte und vielen russischen Kirchenvertretern gilt "Ökumene" geradezu als Schimpfwort.

Metropolit Filaret von Minsk und Sluzk, Patriarchalexarch von ganz Weißrussland, ist wohl derjenige russische orthodoxe Bischof, der sich am stärksten für die ökumenischen Beziehungen einsetzt. Lange Jahre, von 1973 bis 1984, war er Exarch von Mittel- bzw. Westeuropa, davon die Zeit bis 1978 mit Sitz in (Ost-)Berlin. Außerdem leitete er von 1981 bis 1989 das Außenamt der Russischen Orthodoxen Kirche, eine der wichtigsten Positionen der Kirche, zumal in der Sowjetzeit. Davor war er bereits viele Jahre stellvertretender Leiter dieser Behörde gewesen. Durch diese Funktionen und durch seine vielfältigen Aktivitäten in ökumenischen Dialogen, etwa mit der Altkatholischen Kirche, der Lutherischen Kirche von Finnland, den Evangelischen Kirchen in der DDR und in der Bundesrepublik oder der Deutschen Bischofskonferenz, wie auch durch seine Mitgliedschaft im Zentralausschuss des Weltkirchenrates konnte er vielfältige Erfahrungen auf ökumenischem Gebiet erwerben.

Als Kyrill Wachromejew wurde der jetzige Metropolit 1935 in Moskau geboren. Gleich nach der Schule trat er in das Geistliche Seminar ein und absolvierte auch die Geistliche Akademie. 1959 wurde er Mönch und nahm den Namen Filaret an. Nach einigen Jahren in verschiedenen Funktionen an der Akademie wurde er bereits 1965, also mit gerade 30 Jahren, zum Bischof geweiht. Anschließend wirkte er bis zu seiner Versetzung nach Berlin als Rektor der Moskauer Geistlichen Akademie. Seit 1978 ist Filaret Metropolit von Minsk, seit 1981 auch ständiges Mitglied des Hl. Synods, des faktischen Leitungsgremiums der Russischen Orthodoxen Kirche.

Durch die Auflösung der Sowjetunion und die Unabhängigkeit Weißrusslands ergab sich auch für die Kirche eine neue Situation. Die dortigen Bistümer erhielten als weißrussisches Exarchat autonomen Status, so dass sie zwar unter dem Moskauer Patriarchat verblieben, aber ihre Angelegenheiten selbstständig regeln konnten. Somit ist Metropolit Filaret seither Oberhaupt der Orthodoxie in Weißrussland, doch durch die Mitgliedschaft im Hl. Synod, durch den Vorsitz der Theologischen Kommission der Russischen Orthodoxen Kirche und durch andere Ämter in enger Verbindung mit ihr.

Der Metropolit hat sich gleich nach dem Nachlassen der Repressionen durch den Staat um die Verbesserung der pastoralen Gegebenheiten in Weißrussland gekümmert. Unter seiner Ägide sind in den letzten Jahren zahlreiche Kirchen gebaut und neue Gemeinden gegründet worden. Auch viele Klöster wurden (wieder)eröffnet. Ein besonderes Anliegen ist ihm die theologische Wissenschaft. Er ist Dekan der 1993 gegründeten Theologischen Fakultät an der "European Humanitarian University" in Minsk, einer im gesamten orthodoxen Bereich einmaligen Einrichtung. Für die künftigen Priester seines Exarchats gibt es ein großes Seminar im Kloster Shirowizy, dessen Verlegung nach Minsk geplant ist. Von seinen akademischen Leistungen zeugen auch die zahlreichen Ehrendoktorate, die ihm verliehen wurden.

Metropolit Filaret ist also in vieler Hinsicht eine Ausnahme im russischen orthodoxen Episkopat. Er hat sich in der Sowjetzeit nicht kompromittiert und ist jetzt einer der wichtigsten russischen Hierarchen, dem eine Schlüsselposition unter den russischen Bischöfen zukommt. Seine Aufgeschlossenheit dem westlichen Christentum gegenüber hat ihm zuweilen auch Kritik aus den Reihen derjenigen eingebracht, die schon in jedem Kontakt zu nichtorthodoxen Kirchen einen Verstoß gegen die kirchliche Disziplin sehen. Doch die Ökumene ist Metropolit Filaret so wichtig, dass er sich von solchen Anwürfen nicht beirren lässt. Für die westlichen Kirchen ist es gerade in diesen schwierigen Zeiten von kaum zu überschätzender Bedeutung, dass sie in Metropolit Filaret einen gesprächsoffenen Partner haben, der bereit ist, die Anliegen der Ökumene auch gegen innerkirchliche Widerstände zu behaupten.