1927: Spaltung der Russischen Orthodoxen Kirche
Die Jahre nach der Revolution waren mit einer massiven, blutigen Verfolgung von Religion und Glaube einhergegangen. Zunächst betraf das vorwiegend die orthodoxe Mehrheitskirche, doch bald schon wurde alles religiöse Leben administrativ eingeschränkt und gewaltsam unterdrückt.
Die orthodoxe Kirche reagierte zunächst mit Kirchenstrafen gegen die Bolschewiki, was diese wenig beeindruckte. Die Kirchenleitung glaubte, die kommunistische Herrschaft werde nur von kurzer Dauer sein und Russland werde bald wieder eine legitime Regierung haben. Ein Teil der Bischöfe hatte sich im Bürgerkrieg mit den „Weißen“ verbündet und war mit ihnen ins Ausland gegangen: nach China, in die USA, aber vor allem nach Südosteuropa. Im jugoslawischen Sremski Karlovci organisierte sich eine Gruppe von Bischöfen zum „Karlowitzer Synod“.
Nach dem Tod von Patriarch Tichon in Moskau 1925 konnte kein Nachfolger gewählt werden. Der Amtsverweser, Metropolit Sergij, veröffentlichte am 29. Juni 1927 eine Erklärung, in der es hieß: „Wir wollen orthodox sein und zugleich die Sowjetunion als unsere irdische Heimat anerkennen, deren Freuden und Erfolge unsere Freuden und Erfolge sind, deren Misserfolge unsere Misserfolge sind.“ Damit wurde die Sowjetregierung als legitim anerkannt, ohne dass allerdings die Verfolgungen nachließen.
Auf diese Erklärung hin sagte sich der Synod in Karlovci vom Patriarchat los und gründete die „Russische Orthodoxe Kirche im Ausland“, die sich als freien Teil der im Heimatland unfreien Kirche betrachtete. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelte die Führung dieser Kirche in die USA über. Sie hatte Bistümer und Gemeinden vor allem in Westeuropa, Nord- und Südamerika und in Australien. Nach dem Ende der UdSSR gründete sie auch in Russland eigene Gemeinden und stand zunächst in scharfem Gegensatz zur Patriarchatskirche. Nach langen Verhandlungen, in die auch Präsident Putin intervenierte, wurde im Mai 2007 jedoch eine Übereinkunft über eine Vereinigung unterzeichnet. Die Kirchengemeinschaft wurde wieder aufgenommen, und die Auslandskirche genießt heute einen halbautonomen Status innerhalb der Russischen Orthodoxen Kirche.