OWEP 1/2024

OWEP 1/2024

Schwerpunkt:
Kämpfen für den Frieden

Editorial

Der Wunsch, es möge doch endlich wieder Frieden werden, ist trügerisch. Er setzt voraus, dass es jemals eine friedliche Zeit gegeben hätte, zu der man zurückfinden könnte. Hat es diesen Frieden aber tatsächlich je gegeben? Die Frage danach, wie Frieden werden kann, kann nur beantwortet werden, wenn wir uns mit den Realitäten von Kriegen auseinandersetzen. Die Frage, welchen Frieden wir wollen, setzt zunächst eine Auseinandersetzung darüber voraus, wie Sicherheit für die betroffenen Menschen verhandelt wird. Für die meisten der aktuellen Kriege, besonders aber für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, werden diese beide Fragen äußerst kontrovers diskutiert.

Die Beiträge dieser Ausgabe gehen dem diskursiven Ringen um Frieden nach. Welchen Frieden wollen wir? Welche Wege könnten vielversprechend sein? Welche sind vielleicht schon gescheitert? Die Theologieprofessorin Regina Elsner, die wir als neues Redaktionsmitglied der OWEP begrüßen, eröffnet die Ausgabe mit einem Beitrag über die hybride Diplomatie des Heiligen Stuhls im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Wissenschaftler Elif Sandal-Önal und Andreas Zick beschreiben die globale Friedensunsicherheit als Herausforderung für einen demokratischen Umgang mit Konflikten. Der ukrainische Autor Juri Durkot konfrontiert die Forderung nach gewaltfreiem Widerstand mit der reellen ukrainischen Kriegserfahrung. Im Interview berichtet der kolumbianische Vermittler Sergio Jaramillo Caro von seinen Erfahrungen in Vermittlungsprozessen und seiner Skepsis, ob mit Russland ein Verhandlungsfrieden überhaupt möglich ist. Dem stimmt auch der Politologe Andreas Heinemann-Grüder mit seiner Analyse von möglichen Szenarien zu. Den Umgang mit Kriegsdienstverweigerern aus Russland und der Ukraine schildert die Journalistin Tamina Kutscher. Abschließend weiten vier Beiträge den Blick auf andere Konflikte, deren friedliche Beilegung äußerst fragil ist. Die Journalistin Silvia Stöber widmet sich dem Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan, die Publizistin Alexandra Sitenko Zentralasien, der Politikwissenschaftler Vedran Džihić der Lage auf dem Balkan und OWEP-Redakteur Matthias Kneip dem Suwałki-Korridor zwischen Belarus und der russischen Exklave Kaliningrad als Risikofaktor der europäischen Sicherheit.

Die Redaktion

Inhaltsverzeichnis

2
Die vatikanische Diplomatie im russischen Krieg gegen die Ukraine
Regina Elsner
12
Friedensunsicherheit als Herausforderung
Elif Sandal-Önal und Andreas Zick
20
Die „Antiwelt“ – Nachdenken über Pazifismus
Juri Durkot
26
Der schwierige Weg zum Frieden. Ein Gespräch mit dem Vermittler Sergio Jaramillo Caro
Gemma Pörzgen
32
(K-)Ein Ende des Ukrainekrieges?
Andreas Heinemann-Grüder
41
Stell dir vor, es ist Krieg, und du willst nicht hin
Tamina Kutscher
50
Brüchiger Frieden auf dem Balkan
Vedran Džihić
57
Was vom Konflikt um Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan bleibt
Silvia Stöber
64
Zentralasien in der globalen Sicherheitsarchitektur
Alexandra Sitenko
73
Trügerischer Frieden. Ein Besuch im Suwałki-Korridor
Matthias Kneip
78
Weiterführende Lektüre
OWEP-Redaktion

Summary in English

The wish for peace to finally return is deceptive. It assumes that there was ever a peaceful time to which we could return. But has this peace ever really existed? The question of how peace can be achieved can only be answered if we look at the realities of war. The question of what kind of peace we want first requires a discussion of how security is negotiated for the people affected. For most of the current wars, but especially for the Russian war of aggression against Ukraine, these two questions are extremely controversial.

The articles in this issue explore the discursive struggle for peace. What kind of peace do we want? Which paths could be promising? Which ones have perhaps already failed? Theology professor Regina Elsner, whom we welcome as a new member of the OWEP editorial team, opens the issue with an article on the Holy See's hybrid diplomacy in the Russian war of aggression against Ukraine. The academics Elif Sandal-Önal and Andreas Zick describe global peace insecurity as a challenge for a democratic approach to conflicts. The Ukrainian author Yuri Durkot confronts the call for non-violent resistance with the real Ukrainian experience of war. In an interview, Colombian mediator Sergio Jaramillo Caro talks about his experiences in mediation processes and his scepticism as to whether a negotiated peace with Russia is even possible. Political scientist Andreas Heinemann-Grüder agrees with this in his analysis of possible scenarios. Journalist Tamina Kutscher describes the treatment of conscientious objectors from Russia and Ukraine. Finally, four articles take a broader look at other conflicts whose peaceful resolution is extremely fragile. Journalist Silvia Stöber focuses on the conflict between Armenia and Azerbaijan, publicist Alexandra Sitenko on Central Asia, political scientist Vedran Džihić on the situation in the Balkans and OWEP editor Matthias Kneip on the Suwałki Corridor between Belarus and the Russian exclave of Kaliningrad as a risk factor for European security.