OWEP 1/2025

OWEP 1/2025

Schwerpunkt:
Menschen und Würde

Editorial

Das Prinzip der Unantastbarkeit der Würde des Menschen ist allgegenwärtig. Über sie wird aus verschiedenen Perspektiven gesprochen: Aus christlicher Sicht wurzelt sie in der Gottesebenbildlichkeit, aus philosophischer Sicht bildet sie einen Grundpfeiler moralischer Werte, rechtlich ist sie in Dokumenten wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Heutzutage scheint es fast selbstverständlich, jedem Menschen diese Würde zuzuerkennen. Sie zu schützen, ist aber weitaus schwieriger. In Kriegen, Ausbeutung oder Diskriminierung zeigt sich, wie verletzlich sie ist.

Das vorliegende Heft betrachtet die Lage in Ost-, Mittel- und Südosteuropa, wo die Hoffnung auf die Achtung der Menschenwürde oft enttäuscht wurde. Die Sozialethikerin Ingeborg Gabriel führt in das Thema ein, wobei sie besonderes Augenmerk auf das christliche Verständnis legt. Im ökumenischen Dialog zeigt sich, dass es kein einheitliches Verständnis von Menschenwürde innerhalb des Christentums gibt, sondern ein Spannungsfeld zwischen politischen und religiösen Interessen, wie die Theologin Heta Hurskainen darlegt.

Wie gefährdet die Menschenwürde bleibt, wird in weiteren Artikeln deutlich: Der Journalist Andreas Kunz widmet sich in seiner Schilderung des bulgarischen Roma-Viertels Stolipinowo der verbreiteten Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe. Burkhard Haneke beschreibt das große Leid von Frauen und Mädchen, die Opfer von Menschenhandel und von Zwangsprostitution werden. Die Menschenrechtsanwältin Natallia Vasilevich schildert eindringlich die unmenschlichen Haftbedingungen politischer Gefangener in Belarus.

Unser Redaktionsmitglied, die Theologin Regina Elsner, beschreibt die „Revolution der Würde“ in der Ukraine als ein Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit. Sabina Ferhadbegović thematisiert die Verleugnung von Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina, die das Leid der Opfer verlängert. Hoffnungsschimmer für das Land zeigen sich im Interview mit Žaklina Garić, der Direktorin eines Caritas-Altenheims, in dem Versöhnung und gegenseitiger Respekt die Menschenwürde in einer multikulturellen Gemeinschaft stärken.

Die Redaktion

Inhaltsverzeichnis

2
Herausforderungen für die christliche Anthropologie
Ingeborg Gabriel
9
Ökumenisches Gespräch zwischen Ost und West
Heta Hurskainen
16
Diskriminierung und Elend gehören im Roma-Viertel Stolipinowo zum Alltag
Andreas Kunz
23
Erinnerung an den Völkermord in Srebrenica
Sabina Ferhadbegović
31
Ein Versöhnungsprojekt in Banja Luka. Ein Gespräch mit der Heimleiterin Žaklina Garić
Gemma Pörzgen
37
Die Rolle des Europarats beim Schutz der Menschenrechte
Otto Luchterhandt
45
Das komplizierte Erbe der „Revolution der Würde“
Regina Elsner
52
Politische Gefangene in Belarus
Natallia Vasilevich
60
Frauenhandel und Zwangsprostitution
Burkhard Haneke
66
Tageszentrum für behinderte Menschen in Georgien. Ein Gespräch mit der Projektmanagerin Cristina Lazarishvili
Gemma Pörzgen
69
Bevölkerungsschwund und Geburtenkontrolle in Russland
Paul Katzenberger
77
Weiterführende Lektüre
OWEP-Redaktion

Summary in English

The principle of the inviolability of human dignity is omnipresent. It is discussed from different perspectives: From a Christian perspective, it is rooted in the likeness to God; from a philosophical one, it forms a cornerstone of moral values; and legally, it is enshrined in documents such as the Universal Declaration of Human Rights. Nowadays, it seems almost self-evident that every human being should be granted this dignity. But protecting it is far more difficult. Wars, exploitation and discrimination show just how vulnerable it is.

This issue looks at the situation in Eastern, Central and South-Eastern Europe, where the hope for the respect of human dignity has often been disappointed. Social ethicist Ingeborg Gabriel introduces the topic, paying particular attention to the Christian understanding. Ecumenical dialog shows that there is no uniform understanding of human dignity within Christianity, but rather a field of tension between political and religious interests, as theologian Heta Hurskainen explains.

How endangered human dignity remains is made clear in other articles: In his description of the Bulgarian Roma district of Stolipinowo, journalist Andreas Kunz focuses on the widespread discrimination of this population group. Burkhard Haneke describes the great suffering of women and girls who become victims of human trafficking and forced prostitution. Human rights lawyer Natallia Vasilevich vividly describes the inhumane prison conditions of political prisoners in Belarus.

Our editorial team member, theologian Regina Elsner, describes the „revolution of dignity“ in Ukraine as a quest for freedom and justice. Sabina Ferhadbegović discusses the denial of war crimes in Bosnia and Herzegovina, which prolongs the suffering of the victims. Glimmers of hope for the country are revealed in an interview with Žaklina Garić, the director of a Caritas retirement home, where reconciliation and mutual respect strengthen human dignity in a multicultural community.