1975: ÖRK-Konferenz in Nairobi
Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) ist von den zahlreichen Organisationen der modernen ökumenischen Bewegung die umfassendste und repräsentativste. Die Mitgliederbasis des ÖRK umfasst heute mehr als 500 Millionen Christen in Kirchen, Denominationen und kirchlichen Gemeinschaften in aller Welt. Während die meisten ÖRK-Gründungsmitglieder europäische und nordamerikanische Kirchen waren, setzt sich die heutige Mitgliedschaft vorwiegend aus Kirchen in Afrika, Asien, der Karibik, Lateinamerika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie dem pazifischen Raum zusammen. Der ÖRK zählt derzeit über 350 Mitgliedskirchen in über 140 Ländern.
Der ÖRK hält alle sechs bis acht Jahre eine Vollversammlung ab. Die 5. Vollversammlung fand vom 23. November bis 10. Dezember 1975 in Nairobi statt. Der ÖRK stand unter dem Druck der beiden Supermächte; immer wieder war er in den vorangegangenen Jahren von der einen oder anderen Seite instrumentalisiert worden. Als zwei Mitglieder der Russischen Orthodoxen Kirche, ein Priester und ein Laie, einen offenen Brief an alle Teilnehmer der Vollversammlung in Nairobi sandten, wurde dieser Druck noch verschärft. Denn in diesem Brief prangerten die Autoren die Verletzung der Religionsfreiheit in der UdSSR an und forderten den ÖRK dazu auf, eine Stellungnahme zu verfassen. Die in Nairobi anwesenden offiziellen Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche spielten das Schreiben herunter und wollten glauben machen, dass es sich dabei um Einzelstimmen handele. Besonders die westlichen Medien setzten den ÖRK unter Druck und warfen ihm vor, zwar Rassendiskriminierung und Apartheid in Afrika zu verurteilen, aber bei Menschenrechtsverletzungen im Osten wegzusehen.
Der ÖRK entschied sich am Ende für eine Kompromissformulierung, der auch die russischen Vertreter zustimmten: Da es sich bei dem Brief nicht um ein offizielles Konferenzdokument handle, könnte man ihn auch nicht offiziell behandeln. Doch setze sich der ÖRK aus beiden politischen Lagern zusammen, verbinde diese und dürfe bei Problemen in der Welt nicht schweigen.