Die Save und ihre Nebenflüsse im Spiegel von Multikulturalität und Multireligiosität
Die Save, rechter Nebenfluss der Donau, ist 940 km lang. Sie entspringt in den Julischen Alpen in Slowenien, durchfließt Slowenien und Kroatien, bildet die kroatisch-bosnische Grenze und fließt weiter nach Serbien. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie durch drei Hauptstädte fließt, somit Ljubljana, Zagreb und Belgrad miteinander verbindet und große politische Bedeutung erlangt. Bei Belgrad mündet die Save schließlich in die Donau.
Die Save entspringt in den Julischen Alpen in Slowenien. Beim Ort Radovljica vereinigen sich zwei Quellflüsse mit den Namen Sava Dolinka und Sava Bohinjka zur Save. Sie ist 946 km lang. Auf ihrem Weg zur Donau verbindet sie die neuen Staaten Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina mit Serbien und Montenegro, wo sie bei Belgrad in die Donau mündet. Unterwegs wird sie vom Wasser vieler Nebenflüsse gespeist, wie die Kupa, die Una, der Vrbas, die Bosna, die Drina und viele kleine Flüsschen und noch mehr Gebirgsbäche oder Gewässer in der Ebene. So ist die Save sogar den weit entfernten bosnischen und montenegrinischen Bergen und Flüssen sympathisch, die sie ausgesucht haben, sich vor ihr verneigen und ihr das eigene Wasser darbringen. Ihr Flussbett ist ziemlich breit, und sie ist reich genug an Wasser, um ein bedeutender Handelsweg auf dem größten Teil ihrer Länge zu sein (besonders zwischen Belgrad und Sisak). Das begann schon in der Antike und war im 17. und 18. Jahrhundert am intensivsten. Fast in ihrer ganzen Länge ist sie großherzig und uneigennützig, gestattet große internationale Verkehrswege, Straßen und Schienen neben sich.
Ihre Quellen und ihre Mündung sind durch ihr Flussbett miteinander verbunden. Sie ist durch ein Wasser mit dem Ozean verbunden. So ist sie, wie auch viele andere Flüsse, eine Verbindung zwischen Ländern und Regionen, zwischen Menschen und Kulturen, zwischen Nationen und Konfessionen. Zwar gilt das nur für die slawische, aber doch für eine internationale Welt. Damit bezeugt sie tatkräftig ihre breite Multikulturalität und Toleranz. Gleichermaßen freut sie sich über die Nebenflüsse von der einen wie von der anderen Seite, gleichermaßen tränkt sie slowenische, kroatische, bosnische und serbische Erde, und in gleichem Maße freut sie sich über die katholischen Glockentürme, die muslimischen Minarette und die orthodoxen Kirchtürme. Sie genießt den westlichen Choral ebenso wie den östlichen Gesang und den Ruf des Muezzin. An der Oberfläche ihres Wassers spiegelt sie die Schatten aller Gebetsstätten wider. Im Vorüberfließen grüßt sie sie still. Sie führt mit allen Dialog. Mehr als in einem Gespräch tauscht sie mit anderen ihre Gedanken und Geheimnisse aus, ihre Schönheit und ihre Geschenke. Sie hat ihre eigene Natur und ihren würdigen Stil. Sie mischt sich nicht in fremde Wasser ein, aber sie akzeptiert bei sich alles. Sie respektiert fremde Identität.
Sie ist gleichzeitig sowohl international als auch national und regional. Sie ist über ihre Zuflüsse mit noch kleineren Flüsschen verbunden und schließlich mit entfernten Gebirgsbächen. In diesem Sinne bilden diese auf natürliche Weise eine Flussgemeinschaft. In dieser Gemeinschaft sind sowohl die großen Flüsse wie Kupa, Vrbas oder Drina miteinander verbunden, als auch zahlreiche kleine Flüsschen und noch zahlreichere, für die Save unsichtbare und weit entfernte Gebirgsbäche. Durch das Wasser sind sie auf eine innere Art miteinander verbunden. Im wahrsten Sinne des Wortes bilden sie so eine statische als auch dynamische Gemeinschaft. In jener statischen Gemeinschaft kommt ein Gebirgsbach nicht bis zur Save, und das Wasser der Save kommt nicht in die Gebirgsschluchten, aber sie sind auf eine innere Art und Weise durch das gleiche dynamische Wasser miteinander verbunden. So bildet das Wasser des Bachs zunächst nur sein eigenes Sein, aber zugleich ist es auch Teil des Wassers der großen Save, und so ist ein Bächlein ein Teil der Universalität und der Internationalität der großen Save. Mit seinem Wasser macht das Gebirgsbächlein die Save reicher, und sie empfängt und akzeptiert es mit beiden Armen. Manchmal ist der Schatz der Flüsse und Bäche wie auch der der größeren Flüsse trüb und schmutzig, schnell und zerstörerisch. Die Save akzeptiert ruhig den Prozess der Reinigung, der sie vom Angeschwemmten und vom Schmutz befreit, von falschen Vorstellungen und Vorurteilen der Flüsse. Sie reinigt sich selber, aber sie ist auch sauberer dadurch, dass sie die anderen reinigt. Ein anderes Mal erhält sie den Schatz der Nebenflüsse klar und sauber, friedliebend und fruchtbar, und dann kommt in vollem Glanz der Dialog von Schönheit, Übereinstimmung, Frieden und Zusammenleben zum Ausdruck. Immer ist sie zum Dialog mit den Nebenflüssen bereit, ungeachtet der sommerlichen Hitze oder der Eiseskälte des Winters. Ewig tauschen sie ihre Gaben und Erfahrungen miteinander aus.
Einige Flüsse bilden mit ihren Schluchten und unzugänglichen Ufern natürliche Grenzen. Die Save ist im Gegenteil dazu eine natürliche Verbindung. Sie verbindet unterschiedliche Menschen in ihrer Länge und in ihrer Breite. Das bezeugt sie mit ihren zahlreichen Brücken und vor allen mit den langen Lastkähnen, die flussaufwärts oder flussabwärts ihrem Ziel entgegen fahren und so die Unterschiedlichen verbinden. Sie bietet ihr Leben allen, die an ihrem Ufer wohnen, ungeachtet ihrer Unterschiedlichkeit. Die Unterschiedlichkeiten von Kupa, Vrbas oder Drina, die unterschiedliche Farbe ihres Wassers, die unterschiedlichen Linien ihres Flussbetts, die verschiedenen Arten ihrer Fische bedrohen das Wesen und die Identität der Save nicht, sondern sie vergrößern ihren Glanz und ihre Größe. Sie ist mit ihnen im Wesentlichen einverstanden. Sie akzeptiert ihre Partner „par cum pari“.
Durch ihre stille Schönheit hat sie viele Völker angezogen, die manchmal auf beiden Seiten den gleichen Glauben, die gleiche Kultur und die gleiche Nationalität haben und an anderen Orten sich in diesen Punkten unterscheiden. An der Save entlang hat sich die größte Konzentration von Bevölkerung in diesen Ländern angesiedelt. An ihr sind mit der Zeit Dörfer und Siedlungen entstanden, Städte und Metropolen. Von vier Hauptstädten der genannten Staaten verbindet die Save drei Städte miteinander, nämlich Ljubljana, Zagreb und Belgrad.
Menschen haben Jahrhunderte lang ihre Existenz an die Save gebunden, und sie hat ihnen still ihre Inspiration geschenkt. In ihrer Umgebung haben viele das Licht des Tages erblickt. An der Save sind unterschiedliche Menschen groß geworden und mit ihr zusammengewachsen und in ihr gereift. Sie hat sie ernährt und getränkt, und sie haben mit ihr gemeinsam gesungen und gelitten. Und sie hat sie durch den Gesang der Vögel und den Geruch der Blumen erfreut, durch die Früchte der Bäume und die Ernte der Äcker, durch das Grün der Weiden und die Buntheit der Wälder. Sie hat den Menschen ihre Kraft gegeben, ihnen ihren Zauber geschenkt, ihnen ihre Geheimnisse geoffenbart und die Geheimnisse der Menschen sorgsam gewahrt. Den Menschen hat sie das Leben geschenkt, wo sie doch selbst zuweilen in Lebensgefahr war. Selbst hat sie den Menschen unermüdlich allseitige Hilfe geboten, doch manchmal war sie auch der menschlichen Fürsorge bedürftig. Sie freute sich immer über ihre Einheimischen, und gutwillige Gäste hat sie nie verworfen. Ihre Schönheiten hat sie immer allen angeboten und ihren Reichtum großherzig verschenkt, selbst dann, wenn sie dadurch arm geworden ist. Mit Freude hat sie Badende und Fischer angenommen, Spaziergänger und Spieler, Kinder und Rentner.
Die Menschen haben sie zu bändigen versucht, aber das ist nie vollständig gelungen. Sie besitzt eine stille, aber lockende und anziehende Wilde. Wenn sie zuviel trinkt, ist sie nicht gut. Dann wird sie wild. Wenn sie zuviel getrunken hat, ist sie am wenigsten zuverlässig. Manchmal bricht sie dann aus in die Freiheit und weiß nicht, was sie in ihrem trunkenen Zustand macht. Es scheint, dass das ihre Proteste gegen all das ist, was die Menschen ihr an Übel angetan haben. Es scheint, dass das ihre Rache für das unwürdige und nicht sorgfältige Betragen der Menschen ihr gegenüber ist. Dann geht sie zuweilen ohne Erlaubnis einfach aus ihrem Flussbett und protestiert auf den Straßen und Plätzen, auf den Äckern und Wiesen. Manchmal kommt sie sogar in die Höfe von Gebäuden und in die Keller von Häusern. Sie protestiert schweigend. Im Protest zeigt sie ihre Kraft. Polizeiketten können sie nicht aufhalten, ebenso wenig Tränengas und Wasserwerfer. Dann ist sie einfach unerschrocken und ganz schmutzig vom betrunkenen Wälzen auf der Erde. Doch so wie sie tiefes Verständnis für ihre Menschen hat, so haben diese auch Verständnis für sie. Sie kann Schaden anrichten, ist aber niemals rachsüchtig. Sie verzeiht gerne und bittet um Verzeihung. Immer wenn sie eine Gefahr für die Menschen dargestellt hat, hat sich niemand über sie geärgert. Sie ärgert sich kurze Zeit über die Menschen und beruhigt sich dann schnell wieder. Nach zuviel Trinken kehrt sie beschämt und leise nach Hause in ihr Flussbett zurück. Dann kommt auch das normale Zusammenleben des Flusses und der Menschen wieder.
Die Save und die Menschen an ihr sind zusammengewachsen, wie Fleisch und Knochen. Sie sind unzertrennlich geworden. Sie ist für die Menschen Trost in ihren Trübsalen, sie vertrauen ihr ihre Schmerzen und Geheimnisse an. Sie ist Zeuge von vielen Liebesbeziehungen, von verzagten Seelen und zitternden Herzen. Sie ernährt die Menschen, die hungrig sind, und gibt ihren zu trinken, wenn sie durstig sind. Wenn sie heiß sind, kühlt sie sie, und sie hebt die Gestolperten auf, tröstet die Traurigen, stärkt die Müden. Sie ist in ihren Gedanken, Herzen, Augen und Leben. Sie ist in ihren Liedern und auf ihren Bildern. Sie ist die Inspiration für viele Dichter, Schriftsteller und Meister des Pinsels. Sie atmen mit ihrem Atem, hören ihr leises Lied, berauschen sich an ihrer Liebe und verbinden mit ihr Lebenshoffnung. Die Save bedeutet für diese Menschen einfach Leben. Sie gibt ihnen Kraft und Energie, sie gibt die notwendige Feuchtigkeit für ihre Felder, die sehr fruchtbar sind. Sie gibt ihnen alles von sich und sich selbst ganz. Sie hat manchen Gebieten sogar ihren Namen gegeben, wie z. B. „Posavlje“, „Prisavlje“, „Posavina“ usw.
In ihrem Flussbett ermöglicht die Save es, leicht und häufig von der einen Seite auf die andere zu kommen, sogar an vielen Stellen, wo es keine Brücken gibt. Man kommt mit Kähnen, Fähren und Brücken über sie. Manche Leute durchschwimmen sie ohne Probleme. Es gibt nur ganz wenige, die sie nie auf diese oder jene Weise überquert haben. Aber doch steht vor allen Menschen jene letzte Überquerung über einen besonderen Fluss, den hier die Save auch symbolisieren kann. Diesen Fluss muss man persönlich überschreiten, jetzt oder später, auf diese oder jene Art, fahrend, schwimmend oder fliegend. Dieser Übergang ist unausweichlich, ungeachtet dessen, ob der Fluss breit oder schmal ist, schnell oder langsam, trüb oder sauber, gefährlich oder ungefährlich, hellblau oder dunkelblau, tief oder flach, kalt oder warm. Schwimmer und Nichtschwimmer müssen über diesen Fluss, Fischer und Ackerbauern, Landwirte und Arbeiter, Reiche und Arme, Tapfere und Ängstliche, Zufriedene und Unzufriedene, Magere und Dicke, Gesunde und Kranke. Es ist sicher, dass dieser Übergang nur in eine Richtung zu begehen ist. Ungeachtet dessen, auf welche Seite man hinübergeht und auf welcher Seite man sich befindet: es gibt keine Rückkehr. Wollen wir hoffen, dass dieser Übergang über den Fluss, in diesem Fall über die Save, wieder ein Eintritt in jene Zufriedenheit ist, die die Save auch in Bezug auf ihre Nebenflüsse bedeutet.
Das Leben schreibt Romane, und die Save erzählt ihre Märchen. Hier hat sie ein ökumenisches Märchen erzählt. Wie jeder Vergleich, so hinken auch die in diesem Märchen. Aber vielleicht ist es gar kein Märchen, vielleicht ist es das Leben für die Save und für alle ihre Bewohner unterschiedlicher Kultur und Religion.
Deutsch von Thomas Bremer.