Ein Wasserprojekt weckt neue Hoffnung in Armenien.

Ein Gespräch mit Georg Ehrler
aus OWEP 2/2021  •  von Gemma Pörzgen

Zusammenfassung

In vielen armenischen Dörfern sind Armut und Not der Bevölkerung groß. Der Alltag wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Bewässerungsrohre veraltet und marode sind. In entlegenen Dörfern gibt es bis heute kein fließendes Wasser in den Häusern. Renovabis arbeitet deshalb seit vielen Jahren mit der Partnerorganisation Caritas Armenia in einem Wasserprojekt zusammen, um die Wasserversorgung im Distrikt Shirak Marz im Nordwesten Armeniens zu verbessern. Der Agraringenieur Georg Ehrler ist seit 2015 für Renovabis als Berater vor Ort im Einsatz. Mit ihm sprach OWEP-Chefredakteurin Gemma Pörzgen über das Wasserprojekt.

Sie waren für Misereor mehrere Jahre in Nigeria tätig und sind auch heute noch als Berater in Kenia und Äthiopien aktiv. Da war Ihre Begegnung mit dem Südkaukasus doch vermutlich eine ganz neue Erfahrung?

Es ist eine ganz andere Geschichte, als in Afrika unterwegs zu sein, aber unheimlich spannend. Es hat mich wirklich beeindruckt. Das Wasserprojekt ist in einer gebirgigen Gegend in Höhenlage, bis zu 2.000 Meter hoch. Im Winter wird es bis zu minus 30 Grad kalt. Im Sommer regnet es oft von Mai bis September nicht, deshalb ist die Bewässerung der Landwirtschaft so besonders wichtig. Ohne ausreichend Wasser lässt sich kein Ertrag erzielen und alles vertrocknet. Die Menschen sind sehr arm, aber sie versuchen, das Beste daraus zu machen. Unser Wasserprojekt ist dort sehr hilfreich und kommt bei den Menschen an.

In dem Projekt geht es darum, Trinkwasser bereit zu stellen, aber eben auch fehlende Bewässerungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft zu schaffen oder alte Rohre auszuwechseln. Das ist offenbar eine sehr praktische Arbeit?

Früher zu Sowjetzeiten gab es auch in Armenien noch die Kolchosen, also landwirtschaftliche Großbetriebe. Da wurde alles vom Staat geregelt, auch noch riesige Abwasserkanäle gebaut. Aber das ist alles schon sehr lange her und inzwischen völlig marode. Der Staat macht da nicht mehr viel und die Infrastruktur verfällt. Außerdem sind die Bewässerungstechniken inzwischen veraltet. Es gibt in den Bergen eigentlich zwar Quellen, aber durch die veralteten Leitungen geht viel Wasser verloren und kommt nicht direkt bei den Pflanzen an. Die Caritas hat in Armenien einen sehr guten Namen, deshalb sprechen die Menschen sie an und wissen, dass deren Experten helfen können Dann werden die Leitungen renoviert und man versucht, zusammen mit den Menschen in den Dörfern bessere Bewässerungstechniken einzuführen.

Alltag in der armenischen Provinz: Wasserholen am Brunnen (Quelle: Renovabis-Archiv)

Auch die Trinkwasserleitungen müssen über Kilometer ausgetauscht werden. Sie sind oft verrostet oder sogar durchgefault. Viele Häuser haben überhaupt kein Trinkwasser direkt im Haus, sondern die Dorfbewohner müssen zum Brunnen gehen. Die Trinkwasserqualität ist vielerorts schlecht. Daran arbeiten wir und modernisieren.

Marode Wasserleitungen (Quelle: Renovabis-Archiv)

Ein wichtiger Leitsatz in der Entwicklungsarbeit lautet „Hilfe zur Selbsthilfe“. Was wird hier getan, damit die Menschen sich selbst für die Lösung ihrer Wasserprobleme verantwortlich fühlen?

Die Caritas reagiert auf Vorschläge aus der Bevölkerung. Die Projektanträge laufen meist über den Bürgermeister. Das wird dann geprüft und geschaut, ob es sinnvoll ist und sich mit dem vorhandenen Budget umsetzen lässt. Hier liegt dann auch meine Aufgabe als Berater vor Ort. Das Projekt wird dann technisch ausgearbeitet und umgesetzt. Aber die Voraussetzung für eine solche Projektbewilligung seitens der Caritas oder von Renovabis ist eben, dass die Bevölkerung sich dafür einsetzt.

Welche Rolle spielt dabei ein nachhaltigerer Umgang mit Wasser?

Es gibt Workshops, die das Projekt begleiten. Das Ganze ist ein Gesamtpaket, bei dem es um die Bewässerung der Landwirtschaft geht, aber auch um Hygienemaßnahmen und mehr Verständnis für die Umwelt. Die Leute sollen in ihren Dörfern Wasserkomitees bilden, damit sie selbst für die ganze Bewässerung zuständig sind.

Neue Wasserleitung (Copyright: Georg Ehrler)

Der Umweltschutz wird in Armenien bisher nicht großgeschrieben. Es fehlt an Kenntnissen bei der Müllentsorgung, aber auch beim Umgang mit Wasser. Anders als in Afrika gab es da gerade im Gebirge lange keinen Mangel. Aber inzwischen verändert sich das und der Klimawandel ist zu bemerken, denn die Quellen geben nicht mehr so viel Wasser wie früher. Der Regen ist zurückgegangen. Und wenn es regnet, dann hagelt es oft. Das ist ein großes Problem: Es gibt sehr viele Hagelschäden, aber keine Versicherung dagegen. Die Leute müssen selber draufzahlen. Viele haben deshalb Geräte, die den Hagel abwehren sollen.

Bewusstseinsbildende Maßnahmen sind deshalb auch ein wichtiger Teil des Projekts. Wir haben aber auch kleinere Kläranlagen vor Ort aufgebaut. In Armenien wird in vielen Dörfern das Abwasser immer noch in den nächsten Bach geleitet. Vieles ist leider immer noch so wie in Deutschland vielleicht in den 1950er Jahren.

Wie lange sind Sie als Berater immer vor Ort in Armenien?

Normalerweise bin ich eine Woche in Armenien und eine Woche in Georgien. aber wegen Corona war ich jetzt einige Zeit nicht mehr da. Ich verbinde meine Einsätze in Armenien normalerweise mit den Einsätzen für die Caritas Georgien, die ebenfalls Wasserprojekte unterstützen. Die Bedingungen sind dort ähnlich und man kann sehr einfach mit dem Auto über die Grenze fahren. Das Projekt in Armenien ist eigentlich Ende 2020 ausgelaufen, aber es wurde ein neuer Antrag für ein Drei-Jahres-Projekt gestellt, den auch die Bundesregierung unterstützen soll.

Vermutlich ist es schön mitzuerleben, wie Ihre Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes fruchtet.

Auf jeden Fall. Nach all den Jahren sind die Erfolge sichtbar. Hinter jedem Haus gibt es so etwa 1.500 Quadratmeter privaten Garten. Die Gärten spielten schon zu sowjetischer Zeit eine Rolle und haben oft mehr Menschen ernährt als die ganze staatliche Kolchose. Heute können wir mit besserer Bewässerung dabei helfen, dass die Dorfbewohner wieder mehr Obst und Gemüse anbauen. Da kann man an der wachsenden Zahl der Obstbäume sehen, wie es wieder aufwärts geht.

Was bedeutet das für die Menschen in diesen Dörfern?

Sie erleben, dass sie durch den Verkauf von Obst und Gemüse wieder ein Einkommen für die Familie erzielen können. In vielen Haushalten sind ja nur noch die Frauen mit ihren Kindern daheim, weil die Männer keine Perspektive mehr sahen und zum Arbeiten nach Russland fortgegangen sind. Dank einer besseren Wasserversorgung in der Landwirtschaft können sie zu Hause bleiben und entwickeln eine neue Perspektive für sich und ihre Familien.