Umweltbewusstsein in Polen: historische Entwicklung und aktuelle Trends

aus OWEP 2/2021  •  von Andrzej Ceglarz

Andrzej Ceglarz ist Doktorand an der TU München und Forscher bei der Renewables Grid Initiative. Er beschäftigt sich mit der Energiemodellierung und der gesellschaftlichen Akzeptanz von Energieinfrastrukturen. Seine Forschungsinteressen liegen bei dem Thema Klima­ und Energiepolitik mit Schwerpunkt auf Polen, Deutschland und der Europäischen Union.

Zusammenfassung

Die Umwelteinstellungen der Polen haben sich in den letzten 30 Jahren verändert. Zu einem großen Teil haben diese Veränderungen mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und der politischen Polarisierung der Gesellschaft zu tun. Gegenwärtig ist der Umweltschutz ein wichtiges Thema für die Polen, was sich an den konkreten Beispielen der Luftverschmutzung und des Klimawandels zeigt.

Ich möchte mich bei Sybille Reitz für ihre Kommentare zu früheren Versionen dieses Artikels bedanken.“
Andrzej Ceglarz

Einleitung

Umweltschutz ist das wichtigste Thema, mit dem sich Polen auseinandersetzen muss – sagt eine Studie, die das polnische Ministerium für Klima und Umwelt im Oktober 2020 veröffentlichte. Im Jahr der COVID-19-Pandemie ist es überraschend, dass dem Umweltschutz eine so hohe Priorität eingeräumt wird (52 Prozent der Gesamtantworten, unter Berücksichtigung einer Mehrfachauswahl) und der Gesundheitsschutz (48 Prozent) und die wirtschaftliche Entwicklung (20 Prozent) dahinter zurückstehen.1 War die polnische Gesellschaft schon immer so umweltfreundlich und umweltbewusst? Was sind die Gründe, die zur aktuellen Priorisierung von Umweltthemen führen? Wird dieser Trend auch in den kommenden Jahren anhalten? Um diese Fragen zu beantworten, ist es einerseits relevant, die Entwicklung des Umweltbewusstseins in Polen aus historischer Perspektive zu betrachten. Andererseits erfordern die aktuellen Umwelteinstellungen der Polen eine weitere Darstellung ihrer Triebkräfte. Der Klimawandel ist dafür ein geeignetes Beispiel.

Umweltprobleme im Land des Wandels

Das Umweltbewusstsein in Polen hat eine lange Tradition, denn der Beginn der politisch-wirtschaftlichen Transformation war durch einen hohen Stellenwert der Umwelt auf der politischen Agenda gekennzeichnet. Das kommunistische System beutete die Natur vor allem wegen ihrer Ressourcen aus. Der Primat des Wirtschaftswachstums führte zu einem hohen Maß von Vernachlässigung der ökologischen Fragen. Wegen der schlechten Qualität der Luft, der Flüsse und des Bodens wurden einige Gebiete zu „Zonen der Umweltkatastrophe“. Infolgedessen stieg die Umweltbewegung in Polen an und ab Mitte der 1980er Jahre nahm die Zahl der Umweltproteste zu. Ihr klar antikommunistischer Charakter führte zur Entwicklung starker Netzwerke mit der oppositionellen Solidaritätsbewegung (Solidarność). Die Politisierung der Umweltthemen und eine wachsende Zahl etablierter Umweltgruppen, unterstützt von der katholischen Kirche, ermöglichten es der ökologischen Bewegung, organisatorische Stärke, Expertise und Vielfalt zu gewinnen. Infolgedessen gab es bei den Diskussionen am Runden Tisch 1989 eine Untergruppe zum Thema Umwelt, in der ökologische Bewegungen stark vertreten waren.

Nach den ersten halbwegs freien Wahlen im Juni 1989 führte die erste postkommunistische Regierung Maßnahmen zur Beseitigung direkter Bedrohungen für die menschliche Gesundheit ein, insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Luft und Wasser. Die Regierung gründete starke Umweltinstitutionen, wie z. B. den Nationalen Fonds für Umweltschutz und Wasserwirtschaft. Dennoch hielt der „ökologische Enthusiasmus“ nicht lange an. Die Dringlichkeit von Umweltsorgen geriet aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Während der gesamten 1990er Jahre hatten die politischen Parteien wenig Interesse an Umweltfragen; der gesellschaftliche Fokus verlagerte sich auf wirtschaftliche Belange. Die Wirtschaftsreformen führten zur Schließung vieler Industriebetriebe und dies verursachte einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosenquote. Da gleichzeitig die Liquidierung vieler umweltbelastender Anlagen die Luft- und Wasserqualität sichtbar verbesserte, sank die Zahl der Bürger, die die Umsetzung von Umweltmaßnahmen auf Kosten der industriellen Entwicklung unterstützten. Außerdem begann die ökologische Bewegung, ihren politischen Einfluss zu verlieren, und wurde politisch zersplittert. Viele Umweltgruppen professionalisierten sich und wurden zu NGOs, deren Fachwissen oft besser war als das der öffentlichen Verwaltung. Infolgedessen wurden die Beziehungen zum Umweltministerium schwach und oft konfrontativ. Ein symbolisches Ereignis, das die Schwäche der Umweltbewegung in Polen in diesem Jahrzehnt illustriert, ist die Protestkampagne, die 1998 rund um den Annaberg in Oberschlesien organisiert wurde. Diese war nicht nur in Bezug auf die Verhinderung der Anlage einer Autobahn durch den dortigen Landschaftspark erfolglos, vielmehr erhielten die Demonstranten auch keine breitere politische und soziale Unterstützung.

Die letzten 20 Jahre: der EU-Beitritt und die fortschreitende Polarisierung

Die erste Dekade des 20. Jahrhunderts war geprägt von der immer stärkeren Verankerung eines neoliberalen Ansatzes und anthropozentrischen Modernisierungsdiskurses in der politischen Ökonomie und in der Öffentlichkeit. Während die Perspektive des Beitritts zur Europäischen Union (EU) zur Etablierung hoher umweltpolitischer Standards führte, rief der Ansatz der Europäischen Kommission nach 2004, der eine schnelle Umsetzung der europäischen Umweltgesetze erwartete, Kritik von Seiten vieler polnischer Politiker hervor. Sie behaupteten, dass die alten EU-Mitgliedsstaaten sich wirtschaftlich entwickeln konnten, als es noch keine strengen Umweltnormen gab – die neuen EU-Mitglieder würden somit benachteiligt.

Nach den Wahlen von 2005 hat in Polen eine neue konservative Regierung, angeführt von der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS), eine pro-ökonomische und anti-ökologische Agenda stark unterstützt. Dieser Ansatz spiegelte sich u. a. im Bau einer Autobahn durch das geschützte Rospuda-Flusstal wider, was in den Jahren 2006-2007 einen spektakulären Umweltprotest ausgelöst hat.2 Dieser Protest war erfolgreich, da er wesentliche Teile der Gesellschaft mobilisierte und Unterstützung von der internationalen Umweltgemeinschaft sowie von der EU erhielt. Da diese Kampagne jedoch zu einem großen Teil einen regierungsfeindlichen Charakter hatte, hat sie eine „Büchse der Pandora“ geöffnet, was die Einordnung des Umweltschutzes in parteipolitische Kategorien angeht und langsam die soziale Spaltung vorantreibt. Auf semantischer Ebene spiegelte sich das z. B. in der Etikettierung von Protestierenden, als „Öko-Terroristen“ oder „Öko-Verrückte“ wider.

In der Zwischenzeit hat die Regierung gewechselt und wurde seit Oktober 2007 von der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO) geführt. In dieser Zeit ist ein anderes konfliktreiches Thema im Zusammenhang mit dem Umweltschutz aufgetaucht, das in der öffentlichen Diskussion in Polen viel Raum bekommen hat. Die ehrgeizige Klimapolitik der EU hat ernsthafte Bedenken hervorgerufen, da sie ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum in Polen blockieren und der polnischen Gesellschaft zusätzliche Kosten auferlegen würde. Dieses Narrativ, das sich auf die negativen Aspekte der Klimapolitik konzentrierte, wurde bei vielen politischen Entscheidungsträgern dominant und hat innerhalb der nächsten Jahre die Abneigung gegen die Klima- und Energiepolitik der EU in großen Teilen der polnischen Gesellschaft zementiert.

Die weitergehende Spaltung der Gesellschaft, auch im Blick auf Umweltfragen, hat sich 2010 nach dem Flugzeugabsturz in der Nähe von Smolensk sichtbar beschleunigt. Die Vertreter der linken und liberalen Gruppen des politischen Spektrums vertraten eine umweltfreundliche Haltung, während die konservativen und nationalistischen Gruppen die Notwendigkeit von Umweltmaßnahmen stark in Frage stellten und einen Ansatz der „Vorherrschaft der Wirtschaft“ vertraten. In diesem Zusammenhang begann die Ablehnung der Ökologie eine wichtige Komponente für den Aufbau und die Stärkung der Gruppenidentität der rechtsorientierten Milieus in Polen zu sein. Der Höhepunkt dieser Polarisierung wurde symbolisch durch den Kampf um den Białowieża-Urwald in den Jahren 2016-2017 veranschaulicht, der stark in die Parteipolitik verstrickt wurde. Die inzwischen wieder von der PiS geführte Regierung erlaubte eine massive Ausweitung des Holzeinschlags, wovon die staatliche Forstholding erheblich profitierte. Trotz massiver Proteste wich die Regierung monatelang nicht zurück. Stattdessen wurden die Proteste brutal unterdrückt, die regierungsnahen Medien bezeichneten die Umweltschützer fast durchgängig als „Öko-Terroristen“. Erst die Androhung hoher Geldstrafen infolge eines Urteils des Gerichtshofs der EU stoppte die Abholzung.3

Interessanterweise gab es in dieser Zeit keine Spaltung hinsichtlich der Klimapolitik: Es gab fast eine Einstimmigkeit unter den politischen Parteien bei der Ablehnung der EU-Klima-Initiativen. Die PO-Regierung legte die in den Jahren 2011-2012 dreimal ein Veto gegen ehrgeizige Vorschläge der Europäischen Kommission ein, die die Dekarbonisierung des europäischen Energiesystems betrafen. Auf der generellen politischen Ebene lässt sich dies durch die dominierende Rolle der Kohle im polnischen Energiesystem und die starken Verbindungen zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Bergbau- und Energielobby erklären.4 Die rechtsorientierten Politiker begannen jedoch, eine ehrgeizige europäische Klimapolitik als Verletzung der nationalen Souveränität zu identifizieren, was auch genutzt wurde, um die EU im weiteren Sinne anzufechten. Dieser Prozess wurde nach dem Wahlsieg der PiS im Jahr 2015 noch verstärkt. Im Ergebnis hatte die Unterminierung der Klimapolitik eine wichtige ideologische Funktion für den konservativen Teil der polnischen Gesellschaft. Viele rechte Mainstream-Politiker diskreditierten wissenschaftliche Fakten über den Klimawandel und viele Priester der katholischen Kirche sowie ähnlich ausgerichtete Publizisten verbreiteten die Leugnung des Klimawandels weiter. Sie gingen sogar so weit, die klare pro-Klima-Botschaft von Papst Franziskus zu diskreditieren, die in der 2015 veröffentlichten Enzyklika „Laudato si‘“ enthalten ist.5

Umwelteinstellungen im heutigen Polen

Haben diese Entwicklungen dauerhaft zementiert, wie die polnische Gesellschaft derzeit den Klimawandel wahrnimmt? Wie korrespondiert sie mit anderen Umwelteinstellungen? Laut einer Studie des Ministeriums für Klima und Umwelt ist das brennendste Umweltproblem für die Polen die Luftverschmutzung (59 Prozent). An zweiter Stelle steht das Problem des Abfalls (50 Prozent), die Wasserverschmutzung nimmt die dritte Position ein (34 Prozent). Der Klimawandel steht mit nur 4 Prozent der Antworten weit unten auf dieser Liste. Ein solch niedriges Ergebnis gibt jedoch einen falschen Überblick über die Einstellung der polnischen Gesellschaft zum Klimawandel. Ein im März 2020 veröffentlichter Eurobarometer-Bericht, der die Umwelteinstellungen der Europäer untersuchte, zeigt, dass der Klimawandel das drittwichtigste Umweltproblem für die Polen ist (40 Prozent), nach der Luftverschmutzung (58 Prozent) und der wachsenden Anzahl von Abfällen (49 Prozent). Ein Unterschied in der Position des Klimawandels in diesen Listen resultiert aus einem unterschiedlichen Design beider Studien. Ein anderer Grund ist eine verbale Nuancierung spezifischer Begriffe im Zusammenhang mit Klimawandel und Luftverschmutzung, die bei den Polen eine kognitive Verknüpfung im Verständnis beider Probleme herstellt.

Dennoch zeigt die Studie des Ministeriums für Klima und Umwelt ein anderes interessantes Phänomen in Polen: Während im Jahr 2020 für 68 Prozent der Befragten der Klimawandel ein „sehr ernstes“ Problem darstellt, waren es zwei Jahre zuvor, im Jahr 2018, erst 39 Prozent. Diese Lücke wird sogar noch größer, wenn man die Daten aus dem Jahr 2014 berücksichtigt, wo nur 27 Prozent der Polen den Klimawandel als „sehr ernst“ betrachteten. Woher kommt eine so große Veränderung in so kurzer Zeit?

Die Bedeutung von Smog im öffentlichen Leben

Man könnte sagen, dass der Hauptgrund für diese Veränderung die schlechte Luftqualität ist, da Polen hinsichtlich des Smogs so ziemlich das Schlusslicht in Europa ist – 37 der 50 am meisten verschmutzten Städte in der EU befinden sich in Polen. Das Einatmen verunreinigter Luft hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit, die schlechte Luftqualität verursacht in Polen über 43.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr. Dennoch war das Problem der Luftverschmutzung nicht der Hauptgrund, der eine so große Veränderung in der Wahrnehmung der Wichtigkeit des Klimawandels seit 2018 verursacht hat. Es spielte jedoch eine wichtige Rolle bei der Steigerung des allgemeinen Bewusstseins über die Qualität der Luft. Mehrere Akteure haben diesen Prozess verstärkt und dazu beigetragen, ihn auf die politische Agenda zu setzen.

Krakau im Smog6

Seit ihrer Gründung im Jahr 2012 führt die Umweltinitiative „Krakauer Smog-Alarm“ Informationskampagnen über die Luftverschmutzung und ihre negativen Gesundheitsauswirkungen durch. Drei Jahre später verbündete sie sich mit regionalen Pendants und gründete den „Polnischen Smog-Alarm“. Nachdem der Oberste Rechnungshof in seinem Bericht aus dem Jahr 2014 die Maßnahmen zum Schutz der Luft scharf kritisiert hatte, begannen die Medien vermehrt über Smog zu berichten. Heutzutage wird fast die Hälfte der Polen regelmäßig per SMS oder in regionalen Medien über die Überschreitung der zulässigen Schadstoffwerte in der Umgebungsluft informiert, während viele die Verschmutzungswerte selbst mit mobilen Apps überwachen. Das Thema Smog wurde hochgradig politisiert, sodass keine der Mainstream-Parteien das Problem mehr ignorieren kann. Selbst die nicht ultra-umweltfreundliche PiS-Regierung hat es erkannt und 2018 zwei Programme zum Kampf gegen die Luftverschmutzung gestartet: „Stop Smog“ und „Saubere Luft“.

Das Jahr 2018 – der Gamechanger für das Klima

Nichtsdestotrotz gab es 2018 in der Tat eine deutliche Beschleunigung in Bezug auf die Berichterstattung über den Klimawandel in Polen: Im Dezember fand in Katowice die Konferenz der Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (COP24) statt. Es war das dritte Mal, dass Polen den Klimagipfel organisierte, aber zum ersten Mal erhielt der Klimawandel als Umweltproblem eine so breite Aufmerksamkeit. Davor waren die Medien in Polen viele Jahre lang nicht daran interessiert, über die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels zu berichten.

Das Narrativ rund um den Klimawandel hat sich jedoch verändert, denn das Smog-Problem wirkt sich massiv auf das Leben vieler Polen aus. Auch der Einsatz der katholischen Kirche trug dazu bei: In den Monaten vor dem Klimagipfel schickte die Polnische Bischofskonferenz einen Brief an die Gläubigen, in dem sie das Thema „Luftqualität“ ansprach und eine klare Verlinkung zum Gipfel in Katowice vornahm. Während der Vorbereitungen zur und direkt auf der Klimakonferenz begann die Regierung, die Notwendigkeit eines gerechten Übergangs zu betonen, und wies darauf hin, dass den Kohleregionen bei den Dekarbonisierungsbemühungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Ein solches Framing zeigte, dass die PiS-Regierung den Klimawandel nicht mehr bestreitet, sondern nach Lösungen sucht, wie man ihn abmildern kann. Auch rechte Publizisten haben begonnen, sich der Klimaproblematik anzuschließen, indem sie z. B. dazu aufrufen, Umweltfragen nicht den Liberalen und Linken zu überlassen, oder einen „grünen Konservatismus“ befürworten.

Die Wahlen des Jahres 2019 haben diesen Trend nur bestätigt: Alle politischen Parteien sprachen Umweltprobleme an, mit Schwerpunkt auf Smog, aber in starkem Bezug zum Klimawandel. Kein Wunder – Umweltthemen spielen für die junge Generation eine bedeutende Rolle, was sich in den Aktivitäten des Jugendklimastreiks und der Extension Rebellion gerade ab 2019 widerspiegelt. Daher konnte im strategischen Kontext der Wahlen die Stimme der jungen Generation nicht ignoriert werden. Auch andere gesellschaftliche Gruppen haben die negativen Auswirkungen des Klimawandels am eigenen Leib zu spüren bekommen. Zum Beispiel erlebten die vor allem die PiS-unterstützenden Landwirte im Frühjahr 2019 eine schwere Dürre und Woiwodschaften, die traditionell die PiS unterstützen (wie Małopolskie und Podkarpackie), wurden von schweren Überschwemmungen getroffen.

Auf symbolischer Ebene haben die Wahlen 2019 zum ersten Mal in der Geschichte Vertreter der Grünen Partei ins Parlament gebracht und im November 2019 hat die neue PiS-Regierung das Klimaministerium eingerichtet. Der wirkliche Wandel kam 2020: Die Regierung kündigte einen fast vollständigen Ausstieg aus der Kohle im Energiemix bis 2040 an, begann mit den Kohlebergleute, über die Schließung der Bergwerke zu verhandeln, und beschleunigte die Arbeit an der Entwicklung von Offshore-Windparks. Gleichzeitig begannen die Polen, massiv in Solarpaneele auf ihren Dächern zu investieren – am Ende des Jahres betrug die Zahl der Mikroinstallationen 375.000, was eine Steigerung von über 2.400 Prozent im Vergleich zu 2019 bedeutet.

Der Weg in die Zukunft

Die Geschichte der Entwicklung des Umweltbewusstseins in Polen ist mit Perioden des ökologischen Enthusiasmus verflochten, gefolgt von deutlichen Abschwächungen. Wird das Gleiche mit der konkreten Einstellung zum Klimawandel geschehen? Höchstwahrscheinlich nicht. Da die polnische Gesellschaft in den letzten 30 Jahren sehr viel wohlhabender geworden ist, spielen postmaterialistische Werte (einschließlich des Umweltschutzes) eine immer wichtigere Rolle. Außerdem sind die Polen immer besser über die ökologischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und der schlechten Luftqualität informiert. Kohärente Botschaften, die von beiden Seiten der öffentlichen Debatte ausgesendet werden, verstärken diese Haltungen nur.

Es liegt auch nicht im Interesse der aktuellen und der nächsten Regierungen, vom eingeschlagenen Pro-Klima-Pfad abzuweichen. Die globalen Trends sind eindeutig, und die Welt bewegt sich in Richtung Dekarbonisierung: Die USA kehren zum Pariser Abkommen zurück und die EU stärkt den Europäischen „Green Deal“. In diesem Zusammenhang ist es nicht unbedeutend, dass die polnische Regierung auf enorme EU-Fördermittel zur Unterstützung der Energiewende und des Klimaschutzes zählen kann wie z. B. den „Just Transition Fund“.

Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass Klimawandel und Luftverschmutzung nicht die einzigen Umweltprobleme sind, mit denen Polen konfrontiert ist. Abfallwirtschaft, Wasserverschmutzung oder der Schutz der Biodiversität sollten ebenfalls ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Man kann jedoch nur, wenn man diese Herausforderungen ganzheitlich als Teil eines größeren sozioökologisch-technischen Systems betrachtet, angemessene Lösungen für den Umweltschutz finden. Es bleibt zu hoffen, dass auf dem Weg dorthin kein Konflikt mit hohem Polarisierungspotenzial über Umweltfragen entsteht.


Fußnoten:


  1. Ministerstwo Klimatu i Środowiska: Badanie świadomości i zachowań ekologicznych mieszkańców Polski. (Ministerium für Klima und Umwelt: Erforschung des Umweltbewusstseins und -verhaltens der polnischen Bürger). Warschau 2020. ↩︎

  2. Vgl. dazu auch Helen Byron, Małgorzata Górska: Kollision im Rospuda-Tal. Polen: Natur und Verkehr im Widerstreit. In: Osteuropa 4-5/2008, S. 359-372; download unter https://www.zeitschrift-osteuropa.de/site/assets/files/2510/oe080427.pdf↩︎

  3. https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/erfolgreicher-protest-polen-muss-abholzung-im-bialowieza-urwald-stoppen/ (letzter Zugriff: 06.04.2021 - Link mittlerweile inaktiv!) ↩︎

  4. Vgl. auch die Hinweise im Beitrag von Kai-Olaf Lang auf S. 118-120 (der gedruckten Ausgabe). ↩︎

  5. Vgl. dazu die Ausführungen von Roman Globokar in diesem Heft. ↩︎

  6. Aufnahme von Jarek Ciurus (12.09.2013); Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Krakow_Wawel_i_Leg_przed_wschodem_Slonca.jpg↩︎