„Kunst muss in gute und schlechte unterschieden werden.“

Kultur im Dienste des Staates
aus OWEP 3/2016  •  von Piotr Kosiewski

Piotr Kosiewski ist Historiker, Kunstkritiker und Publizist. Er arbeitet beim „Tygodnik Powszechny“ sowie dem Magazin „Szum“.

Zusammenfassung

Der Regierungswechsel in Polen nach den letzten Parlamentswahlen hatte nicht nur Folgen für die politische Ausrichtung Polens. Auch der Umgang der neuen politischen Führung mit den Medien und kulturellen Einrichtungen änderte sich schlagartig. Der Beitrag vermittelt einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in Polen hinsichtlich des medialen und kulturellen Lebens.

Ende März 2016 fasste die neue Führung des Ministeriums für Kultur und Nationales Erbe (MKiDN) die ersten 100 Tage der neuen Regierung zusammen. Genannt wurde eine lange Liste von Erfolgen – von der Gründung neuer Institutionen, die sich mit der polnischen Geschichte befassen, bis hin zu Veränderungen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Kaum weniger bedeutsam ist, dass dieser Bericht eines nicht enthält: zeitgenössische Kunst.

Kultur und ihre Bedeutung in Polen

Kultur nahm in den programmatischen Dokumenten der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) stets einen besonderen Platz ein. Wohl keine andere politische Gruppierung hat ihr so viel Aufmerksamkeit gewidmet. Im neuesten, 2014 verabschiedeten Programm der Partei heißt es, dass die Kultur „das Fundament der nationalen Identität und einer der wichtigsten Faktoren für die zivilisatorische Entwicklung Polens“ ist. Darum benötige sie Hilfe vonseiten des Staates und sollte diese auch erhalten, da „der Staat alleine ohne Kultur nicht überleben und sich entwickeln könnte“. Es gibt allerdings eine wichtige Einschränkung – „das Ausmaß dieser Hilfe muss mit der Sphäre jener Werte übereinstimmen, die vom Staat propagiert werden.“

Nach der für die PiS siegreichen Wahl wurde Professor Piotr Gliński neuer Kulturminister, ein Soziologe und Wissenschaftler am Institut für Philosophie und Soziologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften; der PiS ist er seit einigen Jahren verbunden (2013 war er ihr Kandidat für das Amt des Premierministers). Er wurde nun nicht nur Minister, sondern auch stellvertretender Premierminister. Zum ersten Mal in der Geschichte der Dritten Republik erhielt ein amtierender Kulturminister einen solch bedeutenden politischen Rang. Mehr noch, zwei weitere Abgeordnete, Krzysztof Czabański und Jarosław Sellin, wurden Vizeminister. So besteht kein Zweifel daran, welche Rolle die Kultur und das Ministerium selbst, das früher gelegentlich mit parteilosen Experten besetzt wurde, für die gegenwärtige Regierung spielen.

Ein gutes Beispiel hierfür sind die öffentlich-rechtlichen Medien. Zu Beginn der Regierungskoalition von Bürgerplattform (PO) und Polnischer Bauernpartei (PSL) wurde die Arbeit an einem Gesetz über den Landesrundfunk- und Fernsehrat (Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji, KRRiT) vom Kulturministerium in die Kanzlei des Premierministers verlagert, obwohl die öffentlich-rechtlichen Medien traditionell dem Kulturminister unterstanden. Dennoch gelang es der PO-PSL-Regierung zwei Legislaturperioden hindurch nicht, die Lage in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu ordnen: Ihnen wurde oft Kommerzialisierung vorgeworfen; es hieß, sie würden ihrer Aufgabe nicht nachkommen, und gerade im Umfeld der PiS wurde gesagt, sie seien parteiisch und zu nahe an der Politik. Auch das Problem ihrer Finanzierung konnte nicht gelöst werden.

Es ist eine der Prioritäten der neuen Regierung, die öffentlich-rechtlichen Medien umzugestalten. In den letzten Dezembertagen 2015 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, demzufolge es möglich war, neue Direktoren von Radio und Fernsehen einzusetzen. TV-Direktor wurde der Rechtspolitiker Jacek Kurski, der bis zu seiner Ernennung kurz stellvertretender Kulturminister der neuen Regierung gewesen war.

Rechte Kreise, auch Journalisten, kritisierten die Vorgängerregierung scharf, weil sie viele Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Medien entlassen hatte. Sie legten eine Liste mit vielen dutzend Journalisten vor, die 2007 bis 2015 ihren Abschied genommen hatten. Allerdings umfasst eine von der Journalistengesellschaft (Towarzystwo Dziennikarskie) geführte Entlassungsliste alleine für die Monate Januar bis April 2016 bereits 140 Namen. Wohlgemerkt haben diese Entwicklungen keinerlei Widerstand bei der wichtigsten Berufsorganisation, der „Vereinigung der Journalisten Polens“ (Stowarzyszenie Dziennikarzy Polskich), hervorgerufen.

Im April 2016 präsentierte die Regierung ihr so genanntes „Großes Mediengesetz“, das die Arbeit der öffentlich-rechtlichen Medien in Polen (auch der Polnischen Presseagentur PAP) endgültig verändern wird. Dieses Gesetzesprojekt wurde zwar von allen Oppositionsfraktionen im Sejm kritisiert, konnte aber aufgrund der absoluten Mehrheit der Regierungspartei im Sejm verabschiedet werden.

Es ist kein Zufall, dass die PiS den öffentlich-rechtlichen Medien so viel Aufmerksamkeit schenkt. Meist wird auf ihre Bedeutung bei der Gewinnung von Wählerunterstützung verwiesen. Keine geringere Rolle hat aber ihr gemeinschaftsbildender Charakter, was von den bislang Regierenden vernachlässigt worden war. Heute sollen die öffentlich-rechtlichen Medien ein wichtiges Werkzeug der Identitätspolitik bilden.

Die Vergangenheit als Werkzeug

Der kulturpolitische Bericht für die ersten 100 Regierungstage widmete der Gründung historischer Museen viel Aufmerksamkeit. Darunter befinden sich: Das Museum der Geschichte Polens, das Józef Piłsudski-Museum, das Museum für die polnischen Judenretter im Zweiten Weltkrieg (Ulma-Museum in Markowa) sowie das Museum der verfemten Soldaten in Ostrołęka (für die antikommunistischen Widerstandskämpfer nach 1945). Angekündigt wurde die Gründung eines Witold-Pilecki-Zentrums für die Erforschung der Totalitarismen sowie ein Programm „Aufzeichnungen des Terrors. Zeugnisse vor der Hauptkommission für die Erforschung der deutschen Verbrechen / Kommission für die Verfolgung der Verbrechen gegen die polnische Nation“, bei dem diese Zeugnisse veröffentlicht und ins Englische übersetzt werden sollen. Als wichtige Entscheidung gilt auch, dass die Mittel für patriotische Projekte im Jahr 2016 erhöht wurden. Alle diese Maßnahmen zeigen in der Praxis die Prioritäten der PiS-Kulturpolitik. Bemerkenswert ist, dass im Bericht selbst keinerlei Aktivitäten des Ministeriums in Hinblick auf die zeitgenössische Kunst genannt werden.

Es sollte niemanden überraschen, mit welcher Aufmerksamkeit die neue Regierung die Vergangenheit bedenkt. Zur Bedeutung der Geschichtspolitik haben sich die Politiker der Regierungspartei vielfach geäußert. So hob Andrzej Duda während des Präsidentschaftswahlkampfes hervor: „Es müssen 26 Jahre aufgeholt werden, in denen Polen es nicht verstanden hat, sich um seine Geschichte und sein Ansehen in der Welt zu kümmern.“

Die Stichwahl zum Präsidentenamt am 24. Mai 2015 gewann Andrzej Duda (PiS). Das Bild von Martin Buschermöhle zeigt ein Wahllokal in Poznań.

Als Präsident ließ er Arbeiten an einer Strategie für eine polnische Geschichtspolitik aufnehmen und erklärte, Erinnerungspolitik werde eine Säule seiner Präsidentschaft sein. Schließlich kündigte der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński im Parlamentswahlkampf 2015 an, eine globale Kultur-, Bildungs- und Geschichtspolitik betreiben zu wollen. „Lasst uns Geld für zwei oder drei Hollywoodfilme sammeln, die zeigen, wie es in Polen wirklich gewesen ist“, erklärte er.

Sowohl die Verlautbarungen der Politiker als auch die realen Maßnahmen haben dazu geführt, dass die PiS vor allem als vergangenheitsorientiert wahrgenommen wird. Ihr Ziel ist es, wie Jakub Majmurek im „Dziennik Opinii Krytyki Politycznej“ (Februar 2016) schrieb, „Mythen einer nationalen Gemeinschaft zu errichten“. Es soll eine Politik sein, die sich nicht nur gegen die Politik der Vorgängerregierung richtet, sondern überhaupt gegen die meisten Regierungen seit 1989. Dies erfordert eine entsprechend konstruierte Erzählung über die eingeleiteten Maßnahmen. So haben etwa die Arbeiten an den im 100-Tage-Bericht genannten Museen vor vielen Jahren begonnen, doch die Bedeutung der Vorgänger für diese Projekte wird sorgfältig verschwiegen.

Moderne als Problem

Die Auseinandersetzungen um diese Pläne zeigen gut, dass der Konflikt zwischen der vorherigen und der gegenwärtigen Regierung nicht die Frage betrifft, ob überhaupt eine Geschichtspolitik betrieben werden muss, sondern die Frage, welches Geschichtsbild vermittelt werden soll. Dabei möchte die PiS sich das ausschließliche Recht vorbehalten, die Sicht auf die Geschichte Polens sowie die polnische Identität zu gestalten. Die Theaterkritikerin und derzeitige stellvertretende Kulturministerin Wanda Zwinogrodzka skizzierte auf der PiS-Programmkonferenz „Polen denken“ die Unterschiede zwischen der staatlichen Kulturpolitik der PO-PSL-Koalition sowie der PiS. Ziel dieser Politik solle es nicht sein, „die ererbte Tradition nach den Mustern der gegenwärtigen political correctness zu rekonstruieren, die rückständigen Polen zu einer Postmoderne umzuerziehen“. Vielmehr solle sie darauf abzielen, „die überstrapazierten und immer weiter zerbröckelnden gemeinschaftsstiftenden Bande zu stärken“.

Trotz vermeintlich fehlenden Interesses an der Gegenwart ist auch die heute entstehende Kunst Teil des PiS-Projekts. Die Jahre 2007 bis 2015 waren ein großer infrastruktureller Sprung in der Kultur. Vor allem dank EU-Mitteln entstanden zahlreiche Objekte, nicht nur in den wichtigsten Zentren, sondern auch an kleineren Standorten. Viele andere wurden modernisiert. Langsam wurden Rückstände aufgeholt, die zum Teil mehrere Jahrzehnte betrugen. Außerdem setzte in vielen Institutionen ein Generationenwandel ein. Auch die Präsenz polnischer Kultur im Ausland wurde stärker; einige Künstler wurden zu einem festen Bestandteil der internationalen Kunstszene.

Viele Probleme wurden jedoch nicht gelöst und es entstanden neue, etwa die Diskrepanz zwischen den Aufwendungen für Gebäude und für den Unterhalt von Einrichtungen. Ein Gesetz zur Regulierung des Verlagswesens kam nicht zustande, die Reprivatisierung – auch von Kulturgütern – wurde nicht geregelt. Ein Problem bleiben die niedrigen Löhne in den Kultureinrichtungen. Für viele Künstler ist das Fehlen einer festen Anstellung eine große Herausforderung, auch weil sie deshalb nicht sozialversichert sind.

Zwar wurden alle diese Dinge beschrieben und diskutiert, doch waren sie bei den Wahlkämpfen des letzten Jahres kein wirklich wichtiges Thema. Trotz diverser Wahlversprechen einzelner Parteien kann man kaum von einem umfassenden kulturpolitischen Projekt sprechen. Die Aktivität der Künstler selbst beschränkte sich darauf, sich in Unterstützungskomitees für diverse Politiker zu engagieren. Eine Ausnahme war wiederum die PiS, die in ihrem Programm der Kultur besondere Aufmerksamkeit schenkte. Sie machte – worauf auch ihre Kritiker hinwiesen – durchaus begründet auf die Bedeutung von Kultur außerhalb der großen Metropolen aufmerksam, kündigte Mittel für Bibliotheken, Programme zur Leseförderung, Unterstützung junger Künstler („Wyspiański-Stipendienprogramm“) sowie Hilfe bei der Vermarktung von Künstlern im Ausland an.

Gleichzeitig aber beurteilt die PiS einen erheblichen Teil des gegenwärtig entstehenden künstlerischen Schaffens sehr kritisch. Im Parteiprogramm heißt es: „Mit den Steuergeldern werden verschiedenerlei pseudokünstlerische Exzesse finanziert, die oft obszön oder Profanisierungen sind. Diese Unternehmungen können überwiegend nicht als Kunst gelten, sondern verletzen verschiedene moralische Tabus, aber auch eine Sphäre, die von der Religion als heilig erachtet wird.“

Diese Worte passten überraschend gut zu den Äußerungen einiger Künstler. Auf einem Wahlkampftreffen von Künstlern mit Andrzej Duda sagte der Dichter, Essayist und Publizist Bohdan Urbanowski: „Die Tradition wird lächerlich gemacht, die patriotischen Vorbilder und heldenhaften Verhaltensweisen werden zerstört, der Bereich des sacrum befleckt – und an diese Stelle werden niedrigere Werte gestellt … Alle diese Antiwerte werden in attraktiver, meist ‚europäischer‘ Verkleidung dargeboten ... In der Kultur ... gibt es unbekannte Auftragstäter und Auftragsmörder … Die Feinde der polnischen Kultur müssen erkannt werden, es muss festgestellt werden, von wo die Angriffe kommen, wo man Verbündete findet und wo die fünfte Kolonne aktiv ist.“1

Die Guten und die Schlechten

Zwar werden von Politikern und Künstlern selten die Namen konkreter Kulturschaffender genannt, doch wird der Mainstream der zeitgenössischen Kultur größtenteils misstrauisch, ja sogar feindlich betrachtet. Gleichzeitig werden Kulturschaffende, die sich auf rechte oder konservative Traditionen beziehen, als „marginalisiert“, „ausgegrenzt“ oder gar „verfolgt“ bezeichnet (obwohl viele von ihnen Teil des kulturellen Establishments sind). Gelegentlich gab es auch die Erwartung, dass die neuen Machthaber nicht nur mit der bisherigen Kulturpolitik brechen und ihnen nahestehende künstlerische Kreise unterstützen, sondern dass sie auch als „antipolnisch“ geltende Künstler aus öffentlichen Institutionen beseitigen werden.

Kunst „muss in gute und schlechte unterschieden werden, je nachdem ob sie mit der polnischen Staatsräson übereinstimmt oder ob sie sie infrage stellt“, legt Tadeusz Deszkiewicz dar, ein Musikjournalist, der seit 2015 Berater von Präsident Andrzej Duda und seit Februar 2016 neuer Direktor des öffentlich-rechtlichen polnischen Radios RDC ist.2 „Die erste muss unterstützt werden, um ein Bild von den im Inland wie im Ausland lebenden Polen als eines Volks zu untermauern, das international zählt“, fügt er hinzu, ergänzt jedoch: „Das ist nicht leicht, da die Demokratie die Möglichkeit zur Freiheit des künstlerischen Ausdrucks gibt, selbst wenn sie ... provokant und bilderstürmerisch ist. Derlei Aktivitäten können nicht von oben verboten werden, dürfen aber sicherlich nicht vom Staatsapparat beworben und unterstützt werden.“

Piotr Gliński traf sich schon gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Kulturminister mit etwa 50 Kulturschaffenden. Er hielt dies für notwendig, weil diese Personen – wie er sagte – „ein sehr schweres Leben hatten ..., da sie keinen Zugang zu öffentlichen Mitteln hatten ..., obwohl es sich um bedeutende Künstler handelt“. Auch wurden die Jurymitglieder für die meisten Projektausschreibungen des Kulturministeriums für 2016 ausgetauscht. Die Ergebnisse zeigen, wie Kulturpolitik auch betrieben werden kann. Bei der Ausschreibung für den Ankauf zeitgenössischer Kunst in „regionalen Sammlungen“ kam etwa das Nationalmuseum der Hauptstadt nicht zum Zuge. Man hielt es für angebrachter, u. a. eine Sammlung modernen Schmucks für das Danziger Bernsteinmuseum anzukaufen. In der Ausschreibung zur Bildung nationaler Sammlungen zeitgenössischer Kunst wurden überhaupt keine Zuschüsse vergeben; sie wird wiederholt.

Zugleich wird sich das Ministerium mit den Erwartungen derer auseinandersetzen müssen, die die gegenwärtige Regierung unterstützt haben (und deren Erwartungen durch die PiS gewachsen waren). Kurz nach den Wahlen veröffentlichte die rechte Tageszeitung „Gazeta Polska Codzienna“ einen Brief an den Kulturminister mit der Forderung, Jan Klata – einen erfolgreichen jüngeren Regisseur – als Direktor des „Narodowy Stary Teatr“ in Krakau abzusetzen. Man warf ihm vor, dass er „unbeeindruckt von der allgemeinen Empörung ... mit ganzer Konsequenz auf einer staatlichen, von Steuerzahlern finanzierten Bühne den Plan verwirklicht, die polnische Tradition zu zerstören“. Unter den mehr als 100 Unterzeichnern dieses Briefs fanden sich viele rechtsstehende Intellektuelle, doch nur eine Person, die aktuell in der Theaterszene aktiv ist. In einem anderen Fall forderte ein PiS-Abgeordneter im Namen der „patriotischen Malerin und Sängerin“ Bogna Lewtak-Baczyńska, die Nationalgalerie „Zachęta“ solle die jährliche Ausstellung des – eher marginalen – „Verbands der Polnischen Bildenden Künstler“ veranstalten.

Das sind nur zwei Beispiele für derlei „Erwartungen”. Im ersten Fall ordnete Gliński an, das Repertoire des Stary Teatr „künstlerisch zu überprüfen“, letztlich behielt Jan Klata aber seinen Job. Und der PiS-Abgeordnete erhielt die Antwort, das Ministerium werde untersuchen, ob es eine „Mafia“ gäbe, die Künstlern den Zugang zur Nationalgalerie verwehre. Gliński kündigte auch an, die Satzungen öffentlicher Kultureinrichtungen zu prüfen und so zu ergänzen, dass sie zu einer dem Ministerium genehmen Programmpolitik gezwungen werden können.

Außerdem beauftragte das Ministerium die politisch rechts stehende „Republikanische Stiftung“ (Fundacja Republikańska) mit der Revision einer Reihe ihm unterstehender Einrichtungen, was insgesamt als Ankündigung verstanden wurde, ihre Leiter zu entlassen. Noch vor Beginn dieser Überprüfungen wurde – in der Mitte seiner Amtsperiode – dem Direktor des Buchinstituts Grzegorz Gauden der Stuhl vor die Tür gesetzt.

All diese Maßnahmen können bedeuten, dass die Autonomie der Institutionen und die Kulturförderung beschnitten werden, wenn sie die Erwartungen der Regierenden nicht erfüllen. Wäre dies gleichbedeutend mit der Einführung von Zensur? Piotr Gliński schränkte in einem Gespräch mit der Tageszeitung „Nasz Dziennik“ (die zum katholischen Medienkonzern von Pater Tadeusz Rydzyk gehört) ein: „Es ist sehr schwer, in den Bereich der so genannten künstlerischen Freiheit einzugreifen, die uns nicht gefallen muss, da sie gelegentlich bestimmte kulturelle Tabus bricht oder die nationale Kultur diskreditiert, doch wir müssen hier vorsichtig sein. Diese Kriterien sind stets unscharf, künstlerische Freiheit ist schließlich ein wichtiger Wert und wir setzen uns immer auch Gegenargumenten der anderen Seite aus.“

Eigentlich aber schlägt die PiS – auch wenn dies nicht das Ziel ihrer Politik ist – die Einführung eines Mechanismus vor, den man „ökonomische Zensur“ nennen könnte. Durch die Steuerung mit Fördermitteln kann man nämlich – so wie in Ungarn unter Victor Orbán – künstlerisches Schaffen zum Schweigen bringen oder marginalisieren, wenn es den Erwartungen der Regierung nicht entspricht.

Im Dezember 2015, kurz nach der Amtseinführung der neuen Regierung, warnte Tadeusz Koczanowicz in der Vierteljahresschrift „Res Publica Nowa“ davor, dass die PiS-Politiker bestimmen wollten, „womit sich Künstler befassen sollen und welches die Grenzen ihrer Aussagen zu sein haben. Diese Grenzen sind die Werte des Regierungslagers, die nach Auffassung seiner Vertreter von allen Bürgern geachtet werden, woraus es eine Legitimation seiner Macht schöpft.“ Die darauffolgenden Monate haben diese Beobachtung wohl leider bestätigt.

Aus dem Polnischen übersetzt von Peter Oliver Loew.


Fußnoten:


  1. Zitiert nach einer online-Veröffentlichung auf www.niezalezna.pl, Mai 2015. ↩︎

  2. Zitiert nach www.wpolityce.pl, 05.06.2015. ↩︎