Ein Mann der Kirchenmusik: Neofit – der neue Patriarch der Bulgarischen Orthodoxen Kirche

(Porträt)
aus OWEP 2/2013  •  von Hristo P. Berov

Mag. iur. Hristo P. Berov, LL.M. (Potsdam) ist bulgarischer und deutscher Jurist sowie Kirchenrat der Diözese von West- und Mitteleuropa der Bulgarischen Orthodoxen Kirche. Er nahm als Laie an der Wahl des Patriarchen teil.

Patriarch Neofit (Foto: Renovabis-Archiv)

Am 24. Februar 2013 fand in Sofia das Patriarchenwahlkonzil statt, das einen Nachfolger des am 6. November 2012 verstorbenen Patriarchen Maxim bestimmt hat. Der letzte bulgarische Patriarch hatte sein Amt mehr als 41 Jahre lang inne und erreichte das biblische Alter von 98 Jahren, ein Rekord, der bislang in der Geschichte der Orthodoxen Kirche noch nie registriert wurde. In zwei Wahlgängen hat das Wahlgremium, bestehend aus 14 Metropoliten, 19 Bischöfen, 44 Priestern, 21 Mönchen, 11 Nonnen, 33 Laien (8 Frauen und 25 Männern), Metropolit Neofit zum Patriarchen gewählt aus den drei am 15. und 16. Februar vom Heiligen Synod vorab bestellten Kandidaten – Galaktion von Stara Zagora, Gavriil von Lowetsch und Neofit von Russe.

Der weltliche Name seiner Heiligkeit Patriarch Neofit ist Simeon Nikolov Dimitrov. Er wurde am 15. Oktober 1945 in Sofia als zweiter Sohn des Eisenbahnmitarbeiters Nikola Dimitrov und dessen Ehefrau Stefanka geboren. Nach dem Abschluss der Grundschule wurde er im Herbst 1959 ins Geistliche Seminar von Sofia aufgenommen, das er bis 1965 besuchte. Seit September 1967 war Simeon Dimitrov als Student in der Geistlichen Akademie (ehemals Theologische Fakultät) „Heiliger Kliment von Ochrid“ immatrikuliert und schloss seine Studien 1971 ab. Von 1971 bis 1973 absolvierte er ein Aufbaustudium am Lehrstuhl für Kirchengesang an der Geistlichen Akademie in Moskau. Im September 1973 erhielt er einen Lehrauftrag für die Disziplin Ostkirchengesang an der Geistlichen Akademie in Sofia zusammen mit der Dirigentenaufgabe für den Studentenchor. Am 3. August 1975 erteilte ihm Patriarch Maxim die Mönchstonsur unter dem geistlichen Namen Neofit. Zwölf Tage später folgte die Weihe als Hierodiakon, ebenfalls durch Patriarch Maxim; am 25. März 1976 empfing Neofit die Priesterweihe in der Sofioter Metropolitenkathedrale „Heilige Nedelia“.

Neofit leitete seit dem 30. September 1975 den Sofioter Priesterchor. Am 15. Juli 1977 wurde er zum Dozenten für Ostkirchengesang und Gottesdienstpraxis an die Geistliche Akademie in Sofia berufen, wo er bis Ende 1980 verblieb. 1977 wurde er von Patriarch Maxim in der Sofioter Metropolitenkathedrale mit der Würde eines Archimandriten ausgezeichnet. Am 8. Dezember 1985 empfing Neofit die Bischofsweihe in der Patriarchenkathedrale „Hl. Alexander Newski“ mit der Titulatur „Bischof von Levka“ und wurde gleich danach in das Amt des zweiten Vikarbischofs des Sofioter Metropoliten und Bulgarischen Patriarchen Maxim eingeführt. Seit 1. Dezember 1989 bekleidete er das Amt des Rektors der Geistlichen Akademie „Heiliger Kliment von Ochrid“ in Sofia; am 26. Juli 1991 wurde er zum ersten Dekan der wenige Tage zuvor, am 1. Juli, wiedereröffneten Theologischen Fakultät der Sofioter Universität gewählt. Im Januar 1992 übernahm er das Amt des Generalsekretärs des Heiligen Synods der Bulgarischen Orthodoxen Kirche. Am 27. März 1994 wurde Bischof Neofit zum Metropoliten der Diözese Dorostol und Tscherwen gewählt und am 3. April desselben Jahres kanonisch vom Heiligen Synod in diesem Amt bestätigt. Nach der Teilung dieser Diözese in die Metropolien Russe und Dorostol (Dezember 2001) erhielt Metropolit Neofit die Titulatur „von Russe“ und fungierte bis zur neuen Metropolitenwahl als Stellvertreter des Metropoliten von Dorostol. In den vergangenen Jahren wurde Metropolit Neofit auch sehr häufig von Patriarch Maxim bevollmächtigt, die Sitzungen des Heiligen Synod zu leiten.

Von Patriarch Neofit liegt wie bei zehn der insgesamt vierzehn Metropoliten eine persönliche Akte der Staatssicherheitsbehörde auf den Agentennamen „Simeonov“ vor, die aus nur 16 Blättern besteht, weil sie durchsortiert und gereinigt worden ist. Vom Stempel auf der letzten Seite kann man erschließen, dass die Akte zuletzt 1996 ergänzt worden ist. Eine Stasiarbeitsakte ist nicht erhalten. Ins Visier der Stasi ist er bereits 1964 geraten, erste Stasi-Kontakte gab es 1981. Seinen Erklärungen zufolge hat Patriarch Neofit niemanden verraten; die Akte musste zwangsläufig in Verbindung mit Auslandsreisen angelegt werden.