Rolle und Bedeutung der katholischen Kirche Kroatiens

aus OWEP 3/2013  •  von Željko Tanjić

Prof. Dr. Željko Tanjić ist Rektor der Kroatischen Katholischen Universität. Zuvor war er Lehrstuhlinhaber für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Zagreb und Chefredakteur der Theologischen Zeitschrift „Bogoslovska smotra“.

Zusammenfassung

Nach Ansicht des Autors ist der Einfluss der katholischen Kirche in Kroatien kleiner als in den Medien zu hören und lesen ist, vor allem ihr Einfluss auf Entwicklungen in Kultur, Wissenschaft, Politik und den Medien. Wegen der Folgen des Kommunismus, aber auch der eigenen Unfähigkeit, sich in den ersten Jahren mit der Demokratie zurechtzufinden, konnte die Kirche kaum Einfluss auf die kroatischen Eliten erlangen, hat sich jedoch zugleich ihr Ansehen in der Bevölkerung bewahren können.

Einführung: Eine komplexe Frage ohne eindeutige Antwort

Welche Bedeutung und Rolle hat die katholische Kirche in Kroatien? Es ist überhaupt nicht einfach, diese Frage zu beantworten, denn es geht um eine Frage, auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Ich denke, alle würden der Behauptung zustimmen, dass die katholische Kirche in Kroatien die langlebigste Institution mit ununterbrochenem Bestehen in der komplexen Geschichte des kroatischen Volkes ist. Dieses Volk lebte während des größten Teils seiner historischen Existenz in aufgezwungenen staatlichen Verhältnissen ohne völlige Unabhängigkeit, und dabei war die katholische Kirche eine der wichtigsten Institutionen, die für die Erhaltung seiner nationalen und kulturellen Identität sorgte. „Trotz aller Zweideutigkeiten blieb die Kirche der wichtigste moralische Schiedsrichter der kroatischen Gesellschaft, ungeachtet dessen, dass Kroaten, aber auch die Kirche, zu oft auf beiden Seiten der modernen Aufteilungen standen“1, betont der bedeutende kroatische Historiker Ivo Banac, langjähriger Professor an der amerikanischen Yale-Universität. Alles, was in dieser Behauptung steckt, findet allerdings keinen Konsens in den unterschiedlichen Ansichten und Auffassungen über die katholische Kirche in Kroatien. Ihre Bedeutung und Rolle in der kroatischen Geschichte, aber auch in der heutigen Zeit, werden durch sehr verschiedene hermeneutische Ansätze gedeutet.

Spielt die katholische Kirche in Kroatien eine große Rolle?

Mein Ansatz beginnt mit einer einfachen These: Die Bedeutung und Rolle der katholischen Kirche in Kroatien sind nicht so groß und stark, wie sie, im Gegensatz zu landläufigen Meinungen, einem kundigen oder unkundigen Betrachter auf den ersten Blick erscheinen könnten. Diese These mag überraschen angesichts der Tatsache, dass sich auch bei der jüngsten Volkszählung in der Republik Kroatien 86,28 Prozent der Bevölkerung als Katholiken bezeichneten. Obwohl in der Öffentlichkeit eine lebhafte Diskussion darüber geführt wurde, dass im Vergleich zur Volkszählung im Jahr 2001 die Anzahl der Katholiken um 1 Prozent gesunken ist, halte ich diesen Prozentsatz für unbedeutend angesichts einer Vielzahl anderer Variablen, einschließlich der Tatsache, dass die katholische Kirche in den letzten zehn Jahren in den Medien berechtigter- oder unberechtigterweise einer großen Anzahl von Angriffen und Kritik ausgesetzt war.

Darüberhinaus steht meine These im Gegensatz zu jenen Positionen, die in der Öffentlichkeit und den Medien oft den übermäßigen Einfluss der Kirche auf das soziale und politische Leben betonen, der die Grenzen des säkularen, weltlichen und religiösen Raumes überschreite. Dementsprechend werde in letzter Zeit, so manche Kommentatoren, „moralische Panik“ verbreitet, dass sich in Kroatien eine „konservative Revolution“ vollziehe, besonders mit Blick auf die Initiative des Vereins „Im Namen der Familie“, der mehr als genug Unterschriften für eine Volksabstimmung gesammelt hat, um die Definition der Familie als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau in die kroatische Verfassung aufzunehmen. Dies führte zu einer großen Diskussion in der kroatischen Öffentlichkeit.

Aber die Wirklichkeit sieht in vielerlei Hinsicht anders aus. Noch vor ein paar Jahren, in der Regierungszeit der konservativen Partei HDZ, wurde das Gesetz zur Bekämpfung von Diskriminierung verabschiedet. Kroatien hat noch immer ein liberales – im kommunistischen Jugoslawien 1978 verabschiedetes – Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch. Der kroatische Präsident bekennt sich als Agnostiker und der Premierminister als Atheist, genauso wie die Mehrheit der kroatischen politischen und kulturellen Eliten. Es gibt noch eine Reihe weiterer Beispiele, die zeigen, dass sich Kroatien viel schneller in eine säkulare Richtung bewegt hat als viele andere Länder mit entwickelter Demokratie.

Während einige natürlich glauben, man sei zu weit gegangen, ist es für andere immer noch zu langsam, aber beide übersehen, dass sich Kroatien und damit auch die Kirche in Kroatien in einer Situation befinden, die man als „Ungleichzeitigkeit der Zeit“ bezeichnen könnte. – Was bedeutet das? Obwohl wir die chronologische Zeit mit allen anderen in Europa teilen, bedeutet das nicht, dass wir auch die Gleichzeitigkeit des Geistes, der Entwicklung und des Lebens gemeinsam haben – im Guten wie im Schlechten.

Kirche und Kultur

Neben den angeführten Beispielen bezieht sich die Behauptung eines eher geringen Einflusses der Kirche in erster Linie auf jene Bereiche des Lebens, die in modernen Gesellschaften den Zustand ihres Geistes widerspiegeln und Ausdruck ihrer Kreativität sind: Kultur, Kunst, Medien, Wissenschaft und auch Politik. Besonders im Bereich der Kultur ist der Einfluss der Kirche sehr schwach, es sei denn, man nimmt eine retrospektiv-historische Sichtweise ein. „Man kann sagen, dass die ganze Kultur in Kroatien völlig säkularisiert und antichristlich ist. Im Kommunismus war die Kultur ganz getrennt von der Kirche und von jedem christlichen Einfluss, sodass ganze Generationen, die heute in der kroatischen Kultur wirken und andere Generationen ausbilden, mit Indifferenz und oder sogar Aggressivität gegen die Kirche aufgewachsen und ausgebildet worden sind“2, betont der Theologe Ivica Raguž.

Man sollte natürlich versuchen, nicht in einseitiger oder oberflächlicher Weise die kommunistische Zeit für jedes Ungemach nicht nur der Kirche, sondern auch der kroatischen Gesellschaft verantwortlich zu machen. Es bleibt jedoch klar, dass diese Zeit eine vollkommene Unterbrechung der Anwesenheit der Kirche im kulturellen und öffentlichen Leben bedeutete. Andererseits entwickelte sie gerade während des Kommunismus durch ihre Überlebensstrategie eine Art „Gegengesellschaft“, die reich an Geist, Verlagstätigkeit und pastoralen Aktivitäten im Einklang mit den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils war. Sie war der materiellen und sonstigen Macht beraubt, aber ihr größter Verlust war nicht der Verlust ihres Vermögens, sondern die Verbannung aus der Öffentlichkeit, wobei sich die Kirche auf die Arbeit und Präsenz im Volk konzentrierte und auf diese Weise versuchte, die ihr aufgezwungene Kluft zu überwinden.

In den neunziger Jahren hat sich die Situation jedoch schnell verändert. Die lang ersehnte, aber unerwartete Freiheit, die allerdings gleich durch den Krieg unterbrochen wurde, bot einerseits zahlreiche Chancen, zeigte andererseits aber auch, wie schwer es der Kirche fiel, sich im öffentlichen Raum zu orientieren, was in Hinblick auf ihre langjährige Isolation allerdings nicht überrascht. In dieser Zeit fand sich die Kirche auch deshalb ziemlich schlecht zurecht, weil sie in ihrer Wahrnehmung die Rolle des Staates und der Gesellschaft nicht unterschieden hat, obwohl ich zugebe, dass es in der damaligen Situation in Kroatien wichtig war, der Bildung des Staates als Rahmen für die Gestaltung der Gesellschaft Vorrang einzuräumen.3

Kirche und kommunistisches Erbe

Die Kirche teilte die Freude des kroatischen Volkes über die wiedergewonnene Unabhängigkeit, durchlebte die Kriegsereignisse, die einige Fragen, wie beispielsweise die Frage der Lustration und systematischer Erwägung des Verhältnisses zum Kommunismus, vollkommen verdrängten. Dabei bemerkte sie nicht, dass die früheren Akteure aus dem kommunistischen Umfeld die Last der Sorge für den Staat ablegten und nach anfänglicher Orientierungslosigkeit und Rückzug ihre Präsenz in der Gesellschaft, in Kultur, Kunst und Wissenschaft sowie in den Medien und im zivilen Sektor verstärkten. Sie ersetzten die marxistische Ideologie durch unterschiedliche postmoderne philosophische Ausrichtungen und beherrschten vollkommen die gesellschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Szene. Ihre eigene Rolle während des Kommunismus relativierten sie oder schrieben einfach neue, den Anforderungen der Gegenwart angepasste Biografien, um sich vor allem als Menschen mit kosmopolitischen Ansichten ohne jede – vor allem nationale – Engstirnigkeit darzustellen. Dabei stellten sie alles in Frage, was mit dem Nationalen verbunden war: Kultur, Tradition, Identität, und bezeichneten diese als antimodern, chauvinistisch, nationalistisch oder fremdenfeindlich.

Kroatien, und damit auch die Kirche in Kroatien, war gezwungen, in kurzer Zeit Antworten auf alle jene Fragen zu finden, mit denen sich der Westen jahrhundertelang, besonders seit der Aufklärung, beschäftigt und im Prozess der Bildung der Nationalstaaten und einer lang andauernden Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte befasst hatte. Bis heute scheint diese Auseinandersetzung in Kroatien noch nicht vollkommen abgeschlossen zu sein. Die Frage nach dem Verhältnis zur Vergangenheit sorgt noch immer für Polemik. Einzelpersonen und Institutionen sehen sich mit Themen wie Heimatkrieg, Versöhnung und Kriegsverbrechen, Erinnerung, wirtschaftliche Rückständigkeit und politische Unreife konfrontiert. Europa, aber auch alle, die nach besseren Lebensverhältnissen streben, fordern, dass in einem kurzen Zeitraum alle Elemente einer reifen, demokratischen, modernen Gesellschaft in Übereinstimmung zu bringen sind. Das erscheint schon vom psychologischen Standpunkt aus als unmöglich, vor allem angesichts latent vorhandener Aggressionen, des fortdauernden Transitionsprozesses und einer vollkommenen Aufsplitterung der Gesellschaft – und aktuell zusätzlich in einer Zeit der tiefen Krise in Europa.

Die Paradoxien der kroatischen Gesellschaft

Von diesem Standpunkt aus betrachtet, sind in der kroatischen Gesellschaft einige Paradoxien zu bemerken. Sie ist in sich selbst gleichzeitig prämodern, modern und postmodern. Obwohl es zwischen den beiden Weltkriegen Auseinandersetzungen des Integralismus katholischen, kommunistischen und liberalen Typs gab, kam es in Kroatien zu dem, was der engagierte Christ und Religionssoziologe Željko Mardešić als „Oktober vor der Bastille“ bezeichnete bzw. zur kommunistischen Revolution vor der Bildung der Bürgergesellschaft.4 Im Zuge einiger Modernisierungsrunden, die dabei stattfanden, kamen auch wir in der Kirche mit der Entwicklung nicht so gut zurecht.5

Einige finden, die Unabhängigkeit sei in bestimmten kirchlichen Kreisen Anlass für eine Retraditionalisierung und eine Stärkung des politischen Katholizismus gegenüber dem im Einklang mit dem Konzil stehenden Christentum gewesen, woraus auch die Gefahr resultiere, die gesunde Idee und Bedeutung des Nationalstaates durch einen Nationalismus zu kompromittieren. Daher liege das Paradox der modernen kroatischen Gesellschaft, so Mardešić, in der Stärkung zweier Bestimmungen mit prämodernen Eigenschaften: der katholischen und kommunistischen, die beide von feudalen Elementen geprägt sind. Dabei darf nicht vergessen werden, dass den größten Nutzen aus dem Transitionsprozess die ehemaligen kommunistischen Eliten und Managergruppen gezogen haben, die ihrem Profil nach jenem Typ der kroatischen Elite entsprechen, die Ivan Rogić als Rentier mit der Bereitschaft, einen Vergleich zu schließen, bezeichnet.

Meiner Meinung nach sollten bei der Analyse der Bedeutung und Rolle der Kirche in der heutigen kroatischen Gesellschaft diese wichtigen Einblicke nicht außer Acht gelassen werden. Die kroatischen Eliten wurden weder im Rahmen des christlichen noch des liberalen Kulturkreises geprägt, sondern stammen aus dem Erbe des sterbenden kommunistischen Systems, das in seinem Einfluss auf die Gesellschaft überlebte. Dieses Erbe, das auch heute noch, obwohl es Modernität und Postmodernität durch seine Gemüts- und Geistesverfassung im Einklang mit dem egalitären Syndrom sieht, ohne die Bildung des kroatischen Staates zu akzeptieren, verhindert eigentlich die Modernisierung von Staat und Gesellschaft in Kroatien. Ohne die Bedeutung gerade dieser Koordinaten in ihrem Handeln und für die Verkündigung und Bezeugung des Evangeliums zu erkennen wie auch aus Zufriedenheit mit der Tatsache, dass der kroatische Staat existiert, ist die Kirche aus dem Zwangsexil in eine Art des „freiwilligen Exils“ aus der Gesellschaft übergegangen.

Kirche und kroatische Gesellschaft

Dieses „freiwillige Exil“ ist eine Folge des vollständigen Verschwindens der kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Elite, die – inspiriert von christlichen Werten – ihren Beitrag zur Gestaltung und Entwicklung der kroatischen Gesellschaft leisten würde. Auch ist es eine Folge der Verständnis- und Orientierungslosigkeit der Kirche, wo es um den Bereich der Kultur und Gesellschaft geht, sowie überhaupt einer Teilnahme am Leben der demokratischen Gesellschaft.

In den letzten zwanzig Jahren hat die Kirche gerade dieser wichtigen Dimension der Mission und Tätigkeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ausgerechnet deswegen wurde die Kirche oft zu Recht kritisiert. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum über den unangemessenen Einfluss der Kirche auf das öffentliche und politische Leben gesprochen wird, über ungerechte Vereinbarungen zwischen dem Vatikan und Kroatien, über den Nationalismus der Kirche in Kroatien, ihre Konservativität, über eine zu enge Verbindung mit der Politik und die Unfähigkeit der Anpassung an die moderne Zeit. Doch trotz aller durchlaufenen Krisen hat die Kirche nicht nur die nominale Zahl ihrer Mitglieder bewahren können, sondern genießt auch allen relevanten Untersuchungen zufolge ein hohes Vertrauen bei den kroatischen Bürgern – und darin besteht wohl ihr größter Einfluss.6

Obwohl ihre pastorale Praxis von verschiedenen Seiten kritisiert werden kann, bewahrte sie auch weiterhin traditionelle und sakramentale Elemente, verbunden mit einer Vielzahl innovativer Elemente. Vor allem in der Arbeit mit jungen Menschen, die die Kirche noch immer versammeln und motivieren kann, zeigt sich, dass die Kombination von traditionellen und modernen Aspekten kein vollkommen gescheitertes Modell ist. Die Kirche in Kroatien kann zwar als traditionell bezeichnet werden, jedoch ist sie nicht so konservativ wie einige der im Westen vorkommenden Gruppen und Gemeinschaften. Dieser traditionelle kroatische Katholizismus weist ein hohes Maß an Pluralität auf, das in den kirchlichen Medien zum Ausdruck kommt, aber auch im Bereich des gesellschaftlichen und politischen Handelns einiger Priester. Diese Pluralität zeigt sich ebenso in unterschiedlichen Tendenzen der Spiritualität und Theologie – von solchen, die im Einklang mit der Befreiungstheologie stehen, über politische Theologien und sogar Geschlechterstudien bis hin zu Randgruppen, die sich dem Zweiten Vatikanischen Konzil widersetzen.

Der Mangel an theologischer Bewertung und Beurteilung von allem, was gemacht wird, wird noch immer durch Massenversammlungen und vor allem charismatische und sonstige Bewegungen ersetzt. Eine klarere und zielgerichtetere Verwendung der kirchlichen materiellen Güter wäre jedenfalls erstrebenswert, vor allem wenn es um Bildung und Kultur, aber auch um sinnvolle soziale Projekte geht. Gerade in diesem zuletzt genannten Bereich tut die Kirche mehr, als in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, worüber es auch Auseinandersetzungen in der kroatischen Gesellschaft gibt. In einem Teil der Medien und Öffentlichkeit wird die Kirche als reiche, gegenüber sozialen Problemen unempfindliche Institution dargestellt, die beträchtliche Mitteln aus dem Staatshaushalt bekommt. Das wird oft als Argument gegen ihre Glaubwürdigkeit verwendet, wobei man vergisst oder bewusst die Tatsache verdreht, dass die Kirche Entschädigungen für das im Kommunismus weggenommene Vermögen erhält. Dieses Problem ist bis zum heutigen Tag noch immer nicht vollständig gelöst. Das kirchliche Vermögen wird für drei grundlegende Zwecke verwendet: die Unterstützung des Klerus, den Bau neuer Objekte und für die Caritas, die auf allen Ebenen tätig ist und als wichtiger Bestandteil des kirchlichen Lebens und der Tätigkeit der Kirche anerkannt ist.

Dabei wurde die Tatsache der Unterstützung des Klerus in die These umgewandelt, dass die Priester ihre Gehälter aus dem Staatshaushalt empfangen, was nicht wahr ist. Sie leben weiterhin von den direkten Beiträgen der Gläubigen in ihren Pfarreien, wobei die bischöflichen Ordinariate aus empfangenen Mitteln Hilfe für jene Pfarreien leisten, die den Priestern die auf der Ebene der Metropolie festgesetzten Vergütungen nicht auszahlen können.

Zwei der größten Auseinandersetzungen beziehen sich auf das Verhältnis der Kirche zum Heimatkrieg und zu Europa. Einige Medien und ein Teil der intellektuellen und kulturellen Elite bezeichnen die Kirche diesbezüglich als engstirnig und exklusiv, was den Tatsachen nicht entspricht. Bei diesen Fragen gibt es in der Kirche eine Pluralität der Meinungen, wobei die Bischofskonferenz mehrmals durch Dokumente und Aussagen einiger Bischöfe den EU-Beitritt Kroatiens unterstützte. Dabei wurden auch kritische Meinungen und Überlegungen, verbunden mit Warnungen vor möglichen negativen Folgen des Beitritts geäußert, was ich für einen sehr guten Ansatz halte, weil die Meinungen der kroatischen Theologen in dieser Frage ebenfalls gespalten sind.7

Die komplexe Frage nach dem Verhältnis zum Heimatkrieg kann auf verschiedene Weisen gedeutet werden, mir scheint es aber wichtig, eine Dimension hervorzuheben: Wenn wir eine Vielfalt von historischen Konflikten im Westen Europas berücksichtigen, vor allem den Zweiten Weltkrieg und den Aussöhnungsprozess zwischen Deutschland und Frankreich oder den zwischen Deutschland und Polen, der die Grundlage für die Entwicklung Nachkriegseuropas geschaffen hat, dann sollten wir beachten, dass auch dieser Prozess eine gewisse Zeit zur Aussöhnung erforderte, wozu die Kirche einen bedeutsamen Beitrag geleistet hat. So ist es auch in Kroatien. Man darf nicht vergessen, dass Kroatien einer starken Aggression ausgesetzt war und dass die Kirche in Kroatien die These, die oft sogar in kirchlichen Kreisen im Westen vertreten wird, es habe sich um einen ethnischen Krieg oder einen Bürgerkrieg gehandelt, nicht akzeptieren kann. Es ging um eine Aggression, die als solche gesehen werden muss und in der Verbrechen auf allen Seiten begangen wurden, in der aber nicht alle gleichermaßen Verursacher dieses Krieges waren.

Die Kirche bietet im Aussöhnungsprozess ihre Unterstützung an. Dieser Prozess darf aber – neben der Reinigung der Erinnerung – die Dimension der Suche nach historischer Wahrheit über das, was tatsächlich passierte, nicht verlieren, und zwar jenseits des Rahmens politischer Vereinbarungen. Diejenigen, die die Kirche kritisieren, hier nicht genug getan zu haben, sollten nicht nur an den Einsatz der Bischöfe in diesen Fragen erinnert werden, sondern auch daran, dass die Tätigkeit der Kirche stark dazu beigetragen hat, dass Aussöhnung und Rückkehr gleich nach dem Krieg ohne größere Auseinandersetzungen möglich wurden, wobei es natürlich Schwierigkeiten und Probleme gab, die noch heute da sind und auch noch lange bestehen werden.

Auch auf diesem Gebiet tut man so, als ob man keine Zeit hätte. Alles muss sofort getan werden. Die Kirche warnt aber davor, dass Eile und Oberflächlichkeit in diesem Prozess, der auch ein Prozess der Trauer, Vergebung und Aussöhnung ist, nur schaden; Geduld und Bemühen um Wahrheit sind erforderlich, um noch größere Tragödien in Zukunft zu vermeiden. Es bleibt abzuwarten, wie die Kirche, wobei sie sich einerseits ihres geringen Einflusses auf die Eliten in Kroatien, andererseits aber ihres großen Ansehens bei den Menschen bewusst bleibt, in all diesen Prozessen in Kroatien, das jetzt ein Teil der Europäischen Union ist, ihre Wirksamkeit entfalten kann.


Fußnoten:


  1. Ivo Banac: Hrvati i Crkva. Kratka povijest hrvatskog katoličanstva u modernosti. Zagreb 2013, S. 153. ↩︎

  2. Ivica Raguž: Zwei Skizzen zur Neuevangelisierung in Kroatien. In: Korrespondenzblatt, Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum, Rom, 2011, S. 63. ↩︎

  3. Vgl. Ivan Rogić: Tehnika i samostalnost. Okvir za sliku treće hrvatske modernizacije, Hrvatska sveučilišna naklada. Zagreb 2000, S. 535. ↩︎

  4. Željko Mardešić: Oktobar prije Bastille. In: Obnovljeni život 45 (1990) H. 4, S. 217-218. ↩︎

  5. Vgl. Gordan Črpić: Mogućnost i poteškoće modernizacije hrvatskog društva u perspektivi Mardešića, Rogića, Županova. In: Nova prisutnost 9 (2011) H. 2, S. 375-390. ↩︎

  6. Vgl. Josip Baloban (Hrsg.): In Search of Identity. A Comparative Study of Values: Croatia and Europe. Zagreb 2005. ↩︎

  7. Vgl. Nikola Bižaca: Europska Unija i politički pluralizam katolika. In: Crkva u svijetu 40 (2005) H. 3, S. 275-278. ↩︎