OWEP 3/2013

OWEP 3/2013

Schwerpunkt:
Kroatien

Editorial

Kroatien ist seit wenigen Wochen das jüngste Mitglied in der Europäischen Union (EU); der Beitritt war nicht unumstritten, in manchen der anderen Mitgliedstaaten ebenso wenig wie in Kroatien selber. Doch nun hat die EU 28 Mitglieder, und die Zukunft wird zeigen, wie sich Kroatien einbringen und entwickeln wird. Die ersten Anzeichen stimmen positiv.

Bei uns ist für die meisten Kroatien in zweifacher Hinsicht bekannt: Zum einen ist es ein beliebtes Reiseland, und wer einmal im Sommer die berühmte Küstenstraße entlang gefahren ist, wer Dubrovnik gesehen hat oder einen der Nationalparks, der weiß, warum Kroatien bei ausländischen Reisenden so beliebt ist. Zum anderen gibt es viele Menschen aus Kroatien, die zum Teil schon lange bei uns leben. Viele sind als so genannte „Gastarbeiter“ gekommen und geblieben, andere sind infolge der Kriege der neunziger Jahre nach Deutschland geflohen und leben seither hier. Doch gibt es zahlreiche andere Facetten dieses vielfältigen Landes, die den meisten Menschen hier kaum bekannt sind.

Daher haben wir uns entschlossen, Kroatien ein Länderheft unserer Zeitschrift zu widmen. Wir laden die Leserinnen und Leser ein, das Land zu entdecken. Sie finden etwas über die Geschichte, über die Menschen, über die Kultur und über die Wirtschaft. Außerdem haben wir kleine und meist wenig bekannte Informationen in den Text eingefügt. Und schließlich können Sie die Empfehlung des scheidenden Botschafters von Kroatien in Deutschland beherzigen, der am Ende des Interviews, das wir mit ihm geführt haben, sehr konkrete Tipps gibt, um Kroatien von seiner schönsten Seite zu erfahren.

Die Redaktion

Kurzinfo

Seit dem 1. Juli 2013 gehört Kroatien der Europäischen Union an. Vielen Bürgern Mittel- und Westeuropas ist das Land zwar als Reiseziel schon lange bekannt, es werden aber auch Erinnerungen an den Zerfall Jugoslawiens und die damit verbundenen kriegerischen Auseinandersetzungen wach, die kaum mehr als zwanzig Jahre zurückliegen. Viele Kroaten leben bereits seit den sechziger Jahren als „Gastarbeiter“ in Deutschland und anderen Staaten Westeuropas und haben oft ihre Kultur, ihre Traditionen und ihren katholischen Glauben bewahrt, was sie zu Brückenbauern nach Südosteuropa macht. Die Redaktion von OST-WEST. Europäische Perspektiven widmet diesem vielgestaltigen Land ihr aktuelles Heft, das versuchen möchte, Kroatien in möglichst vielen Facetten vorzustellen.

[img_assist|nid=584|title=|desc=|link=popup|align=left|width=NaN|height=250]„Land der Gegensätze“ – so hat Prof. Dr. Thomas Bremer, Mitglied der Redaktion, seinen Beitrag überschrieben, der einen Überblick über Landschaft, Besiedlungsgeschichte und historische Entwicklung von der Antike bis ins 20. Jahrhundert bietet. Direkt daran schließen die Ausführungen von Prof. Dr. Marie-Janine Calic, Professorin für Ost- und Südosteuropäische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, an, die der Entwicklung Kroatiens seit der Unabhängigkeit des Landes am 25. Juni 1991 gelten. Sie vermittelt u. a. Informationen zum Parteiensystem des Landes und skizziert die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union. Der Beitritt zur Union hat natürlich auch Folgen für die Wirtschaft des Landes. Innerhalb Jugoslawiens zählte Kroatien besonders wegen der Küste und den vorgelagerten Inseln zu den touristisch stark erschlossenen Gebieten. Seit der Unabhängigkeit des Landes hat die Wirtschaft insgesamt vielfältige Modernisierungen erfahren, was auch für den Tourismus gilt, wie der Beitrag des Wirtschaftswissenschaftlers Dr. Siniša Kušić zeigt.

Kroatien ist traditionell ein katholisch geprägtes Land; über 80 Prozent der Bevölkerung gehört der römisch-katholischen Kirche an. Wie steht es aber um den Einfluss und die Bedeutung der Kirche im heutigen Kroatien? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Analyse von Prof. Dr. Željko Tanjić, Rektor der Kroatischen Katholischen Universität. Ergänzt werden seine Überlegungen durch den Beitrag von Prof. Dr. Jure Zečević OCD, Professor für ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Zagreb, der die kleineren Religionsgemeinschaften in Kroatien – offiziell sind 42 registriert – vorstellt und ihre Rolle im ökumenischen Dialog beschreibt.

Zwei völlig anderen Themenschwerpunkten gelten die beiden folgenden Texte: Zunächst bietet die an der Humboldt-Universität Berlin tätige Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Miranda Jakiša einen Überblick über die neuere kroatische Literatur, die gerade auch für den deutschen Leser manche Überraschung zu bieten hat. Mit der gesellschaftlichen Situation und dem Selbstverständnis der in Deutschland lebenden Kroaten setzt sich die in Regensburg tätige Historikerin Karolina Novinscak auseinander. Abgeschlossen wird die Reihe der Textbeiträge mit einem Essay der Historikerin Dr. Dunja Melčić über Leben und Bedeutung des ersten Präsidenten der neugegründeten Republik Kroatien, Franjo Tuđman, mit dem programmatischen Titel „Ein mutiger Staatsgründer mit falscher Vision.

Kurzgefasste Informationen zu Land, Bevölkerung, politischen Strukturen, Wirtschaft und Kirchen bietet das „Länderinfo Kroatien“. Aktuelle Probleme des Landes nach dem Beitritt zur Europäischen Union, seine Rolle innerhalb der Gemeinschaft und die Beziehungen zu den Nachbarstaaten stehen im Mittelpunkt eines Interviews mit dem kroatischen Botschafter Dr. Miro Kovač, der inzwischen nach Zagreb zurückgekehrt ist.

Über das Heft verteilt finden sich acht Textkästen mit Kurzinformationen, z. B. zur Flagge Kroatiens und zur Republik Dubrovnik, aber auch zum Glagolitizismus und zur Krawatte. Einige Literaturhinweise runden das Heft ab.

Ein Hinweis auf das nächste Heft: Im November 2013 wird Heft 4 erscheinen, das dem Schwerpunkt „Sport – Nation – Politik“ gewidmet sein wird. Das Heft wird neben Beiträgen zur Rolle des Sports in der deutschen Gesellschaft (Spitzensport/Breitensport) und zum Thema „Fankultur“ die Bedeutung des Sports für das Nationalbewusstsein in einigen Ländern Mittel- und Osteuropas thematisieren. Außerdem wird das Heft ein Interview mit Dr. Michael Vesper, dem Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, enthalten.

Dr. Christof Dahm

Inhaltsverzeichnis

162
Kroatien, Land der Gegensätze
Thomas Bremer
164
Die Republik Dubrovnik. (Textkasten)
Ludwig Steindorff
170
Kroatien seit der Unabhängigkeit
Marie-Janine Calic
174
Der Weg Kroatiens in die Europäische Union. (Textkasten)
Burkhard Haneke
178
Kroatiens Wirtschaft und Tourismus mit Blick auf den Beitritt zur Europäischen Union
Siniša Kušić
181
Die Schachbrettfahne (kroatisch „Šahovnica“). (Textkasten)
Renato Baretić
188
Rolle und Bedeutung der katholischen Kirche Kroatiens
Željko Tanjić
190
Der Glagolitizismus in der kroatischen Kulturtradition. (Textkasten)
Slavko Kovačić
198
Die kleineren Religionsgemeinschaften in Kroatien
Jure Zečević
200
Nikola Tesla. (Textkasten)
Renato Baretić
206
Kroatische Literatur heute: Realitätsbesessenheit und Protestkultur
Miranda Jakiša
208
Zwischen Tradition und Neuanfang: die kroatische Sprache seit 1990. (Textkasten)
Bernhard Brehmer
213
Marco Polo. (Textkasten)
Renato Baretić
216
„Das Herz schlägt noch woanders.“ Kroatinnen und Kroaten in Deutschland und ihr langer Weg zur Einbürgerung
Karolina Novinscak
217
Die Krawatte. (Textkasten)
Renato Baretić
224
Franjo Tuđman: Ein mutiger Staatsgründer mit falscher Vision – Eine historisch-biographische Skizze
Dunja Melčić
230
Länderinfo: Kroatien
Herbert Schedler
232
Interview mit Botschafter Dr. Miro Kovač über Kroatien nach dem Beitritt zur Europäischen Union
Thomas Bremer
236
Bücher
OWEP-Redaktion

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