Der Glagolitizismus in der kroatischen Kulturtradition
„Drei Schriften – Drei Sprachen. Kroatische Schriftdenkmäler und Drucke durch die Jahrhunderte“ lautete der Titel einer herausragenden kroatischen Ausstellung, die 2002 in Berlin veranstaltet wurde, ebenso wie der Titel ihres text- und bildreichen Katalogs. Tatsächlich ist der öffentliche Gebrauch von drei Sprachen – des Kroatischen, des Lateinischen und des Altslawischen – auch in drei Schriften, der lateinischen, der glagolitischen und der kyrillischen im kroatischen Kulturraum seit dem Frühmittelalter ohne Unterbrechung bis ins 19. Jahrhundert durch epigraphische, kodicologische und archivalische Quellen reich bezeugt.
Die glagolitische Seite dieser Vielfalt äußerte sich nicht nur im Gebrauch der kroatischen und der altslawischen Sprache in glagolitischer Schrift (der um 860 entstandenen ältesten Schrift für die slawischen Sprachen), sondern auch dadurch, dass in der katholischen Liturgie das Missale und das Stundenbuch in altslawischer, das Römische Rituale in kroatischer Sprache verfasst war und verwendet wurde. Dies markierte vor den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils die einzige muttersprachliche Ausnahme von der Verwendung des Lateinischen in der Liturgie der katholischen Kirche, die zugleich eine über tausendjährige Tradition darstellte.