Fußball in Bosnien und Herzegowina als Opfer der Politik
Zusammenfassung
Bosnien und Herzegowina ist ein politisch und gesellschaftlich zerrissenes Land, was sich bis in den Bereich des Sports auswirkt. Der Beitrag blickt zurück auf den Aufstieg und Niedergang des Fußballs in Jugoslawien und skizziert die Lage der Nationalelf von Bosnien und Herzegowina, die trotz aller Schwierigkeiten die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geschafft hat.
I.
Keine andere Sportart ist imstande, eine derart breite Masse an Menschen zu mobilisieren und in ihnen patriotische Gefühle auszulösen wie der Fußball. Weltweit identifizieren sich durch diesen Sport Millionen von Menschen mit ihrem Verein, ihrer Stadt und ihrem Land, die sie Woche für Woche unterstützen, für die sie leiden, trauern und im Falle eines Sieges sich wie über einen eigenen Erfolg freuen. Er gibt ihnen das Gefühl der Zugehörigkeit, um stolz auf ihre Stadt oder ihr Land sein zu können sowie Idole zu haben, und löst dadurch starke Emotionen von Freude oder Trauer aus.
Auch wenn Fußball ein Mannschaftssport ist, so ist es auch ein Spiel, bei dem individuelle Qualitäten und Fähigkeiten einzelner Spieler zum Vorschein kommen. Einzelspieler von Weltklasse werden vergöttert, und Millionen von kleinen Jungen träumen davon, eines Tages selber Fußballspieler und dadurch reich und berühmt zu werden. Aus diesem Grunde ist es nicht verwunderlich, dass die Politik diesen Sport instrumentalisiert und für ihre Zwecke benutzt. Der Fußball war aber nie autonom von der Politik, da er immer auch einen symbolischen, repräsentativen und politischen Charakter hat. Man erinnere sich beispielsweise an den Krieg um die Falklandinseln zwischen Argentinien und England, der sich während der Weltmeisterschaft (WM) 1986 in Mexiko auf den Fußballplatz übertragen hatte. Der legendäre Diego Maradona erzielte das entscheidende Tor mit der Hand, welche in Argentinien anschließend als die „Hand Gottes“ gesehen wurde. Ebenso übertrug sich der Klassenkampf zwischen der damaligen DDR und der Bundesrepublik Deutschland bei der WM 1974 auf den Rasen, als Jürgen Sparwasser den Siegtreffer für die DDR beim einzigen Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften erzielte, zur Erschütterung der westdeutschen Fußballfans.
II.
Die enge Verbindung zwischen Politik und Fußball lässt sich auch am Beispiel von Bosnien und Herzegowina sowie des ehemaligen Jugoslawien gut verdeutlichen. Nach den blutigen Auseinandersetzungen waren die Fußballspiele gegeneinander immer von höchster politischer Bedeutung. So kam es im Jahre 1999, im Zuge der Qualifikation für die Europameisterschaft (EM) 2000 in den Niederlanden und Belgien, zum ersten Aufeinandertreffen von Kroatien und Serbien (damals noch Rest-Jugoslawien) nach dem Krieg. Zwei Spiele wurden ausgetragen, je eines in der kroatischen Hauptstadt Zagreb und in Belgrad, die 2:2 und 0:0 endeten. In Zagreb wurde die jugoslawische Nationalhymne ausgepfiffen und in Belgrad die kroatische, sodass man sie gar nicht hören konnte. Es waren zwei äußerst umkämpfte Partien zweier Mannschaften, die zuvor sehr erfolgreich gemeinsam gespielt hatten und die auf dem Wege waren, eine der besten Mannschaften der Welt zu werden.
Im früheren Jugoslawien war Fußball Volkssport Nummer Eins und neben Basketball eines der wichtigsten sportlichen Aushängeschilder des Landes. Die jugoslawische Fußball-Nationalmannschaft war Teilnehmer der ersten Fußball-WM 1930 in Uruguay und seitdem fast immer ein fester Bestandteil von Europa- und Weltmeisterschaften. Die „Blauen“, wie sie in Jugoslawien genannt wurden, spielten über die Jahrzehnte hinweg immer einen technisch starken Fußball und wurden durch ihre Spielweise auch als „europäische Brasilianer“ bezeichnet. Allerdings war ihnen der ganz große Erfolg, nämlich ein Titel bei einer Welt- oder Europameisterschaft, nicht vergönnt.
Bei der ersten WM ist es Jugoslawien nicht gelungen, ins Finale zu kommen, es hatte nur wenig gefehlt. Angeblich hatte Uruguay ein Tor geschossen, nachdem ein Polizist den Ball zurück ins Spiel gebracht hat, welcher eigentlich schon die Aus-Linie überquert hatte. Jugoslawien wurde am Ende vierter, genauso wie 1962 in Chile. Nur zehn Minuten trennten Jugoslawien 1968 in Italien vom Sieg und damit vom Europameistertitel. Jugoslawien führte gegen den Gastgeber durch das Tor eines der besten jugoslawischen Fußballspieler aller Zeiten, Dragan Džajić, in der 80. Minute jedoch fiel der Ausgleich durch einen Freistoß. Das Spiel endete schließlich 1:1; damals gab es noch keine Verlängerung, sondern ein Wiederholungsspiel, welches Italien 2:0 gewann.
An jenem Mittwoch fand ein enorm wichtiges Spiel zur Qualifikation zur EM in Italien 1968 statt, welches wir unter keinen Umständen verpassen durften. Mein Freund Silvio Maestro, mit dem ich die gleiche Schulbank teilte, hatte vorgeschlagen, dass wir die letzten zwei Stunden von ‚Haushaltskunde‘ schwänzen, das sowieso eher die Mädchen interessierte als uns beide, und zu ihm nach Hause gehen, da seine Mutter nachmittags arbeitete. Später würden wir in der Schule sagen, dass wir uns den Magen verdorben hätten. Ich war mit seiner Idee sofort einverstanden, denn an jenem Tag in Mai mussten wir Deutschland besiegen. Durch unsere Unterstützung überwand Josip Skoblar den legendären Sepp Maier und Jugoslawien qualifizierte sich für die EM. Auf die Frage unserer Lehrerin, wo Silvio und ich die letzten zwei Stunden gewesen seien, habe ich mit Stolz geantwortet, dass wir die jugoslawische Nationalmannschaft unterstützt hätten, in der Annahme, dass sie unsere patriotische Tat verstehen würde. Bedauerlicherweise hatte sie weder ein offenes Ohr für unsere Leidenschaft gegenüber dem Fußball noch Verständnis für den Wunsch zweier 16-jähriger Jungen, mit ihrer Anwesenheit vor einem kleinen Bildschirm zum Sieg der jugoslawischen Nationalmannschaft beizusteuern. Wir bekamen schließlich einen Verweis und eine schlechte Benimm-Note. Ich habe an diesem Tage eine Lektion für das Leben gelernt, nämlich dass es besser gewesen wäre, auf Silvio zu hören und zu lügen, anstatt ehrlich und naiv die Wahrheit zu sagen, so sehr sie durch großmütige patriotische Gefühle beflügelt war.“
(Erinnerungen meines Vaters Davor)
Immerhin, nach zwei verlorenen Finalspielen in Folge gewann die jugoslawische Nationalmannschaft das olympische Fußballturnier 1960 in Rom mit 3:1 gegen Dänemark. Die olympischen Turniere haben nicht den Reiz von Europa- oder Weltmeisterschaften gehabt, dennoch waren sie wichtig, vor allem während der Zeit des Kalten Krieges, als der sportliche Erfolg zugleich als Erfolg einer ganzen Ideologie und eines politischen Systems angesehen wurde. Bei der Olympiade in Helsinki 1952 wurde ein Fußballspiel zwischen Jugoslawien und der stalinistischen Sowjetunion ausgetragen, zu einer äußerst brisanten Zeit, als es starke Spannungen zwischen beiden Staaten wegen der Absage von Titos Jugoslawien an den Stalinismus gab. Die Spieler beider Mannschaften gingen mit dem Bewusstsein auf das Spielfeld, dass sie das Spiel auf keinen Fall verlieren durften. Tito erinnerte die Spieler persönlich daran, indem er ein Unterstützungstelegramm nach Helsinki schickte.
Ende der achtziger Jahre entstand eine goldene jugoslawische Fußballgeneration, die 1987 in Chile Juniorenweltmeister wurde, mit späteren Weltklassespielern wie Zvonimir Boban, Predrag Mijatović, Davor Šuker oder Robert Prosinečki. Der Erfolg dieser jungen Spieler kündigte glorreiche Tage des jugoslawischen Fußballs und der Nationalmannschaft an, die 1986 von Ivica Osim übernommen wurde. Der berühmte Spieler von Željezničar Sarajevo und mehrmalige jugoslawische Nationalspieler, der auch lange Zeit in Frankreich gespielt hatte, schildert in dem Buch der österreichischen Autoren Gerald Einzinger und Tom Hofer „Ivica Osim. Das Spiel des Lebens“, wie er das jugoslawische Wunderteam formte, das alle Chancen gehabt hätte, in den neunziger Jahren Europa- oder Weltmeister zu werden: „Es war eine gemischte Truppe, ein richtiges Multi-Kulti-Team. Ich habe nie danach gefragt, ob jemand Katholik, Orthodoxer oder Moslem ist. Es war eine schöne Mischung. Die Politik ist anders.“
Bei der WM 1990 in Italien, welche die deutsche Nationalmannschaft unter Franz Beckenbauer gewann, schied Jugoslawien im Viertelfinale nach Elfmeterschießen gegen Maradonas Argentinien aus. Nach der unglücklichen Niederlage haben sich fünfzigtausend Menschen auf die Straßen von Sarajevo begeben, um trotz des Ausscheidens ihre Solidarität mit Osims jugoslawischer Nationalmannschaft zu zeigen.
Nach einem wahren Drama in Athen schlug Jugoslawien Griechenland mit 4:2 und erspielte sich das Recht auf ein finales Qualifikationsspiel gegen Spanien zur Teilnahme an der WM 1974 in Deutschland. Als Dramaturgiestudent habe ich diesen Sieg mit einem antiken griechischen Drama verglichen, in der Hoffnung, dass Jugoslawien am 13. Februar desselben Jahres in Frankfurt gewinnen würde. Mit einem Tor von Josip Katalinski, einem der beliebtesten Spieler von Sarajevos Željezničar, ging Jugoslawien in der 13. Minute mit 1:0 in Führung und schaffte es, dieses Resultat bis zum Schlusspfiff zu halten. Im Gegensatz zu Belgrad und Zagreb, wo dieser Sieg als Normalität angesehen wurde, ging ganz Sarajevo, „das Herz Jugoslawiens“, voll Stolz auf ihren „Skija“, wie sie Katalinski genannt haben, auf die Straßen, um den Sieg bis in die frühen Morgenstunden zu feiern.“
(Erinnerungen meines Vaters Davor)
III.
Niemand konnte damals ahnen, dass die politischen Umstände der Zeit dieser talentierten jungen Mannschaft eine erfolgreiche Zukunft unmöglich machen würden. Die Politik hat auf brutale Art und Weise auf den Sport Einfluss genommen. Dass der jugoslawische Fußball sich auf dem Weg zur absoluten Weltklasse befand, zeigte auch der Gewinn des europäischen Landesmeistercups durch Roter Stern Belgrad 1991 in Bari, mit zahlreichen Nationalspielern aus allen Teilen des Landes wie dem Montenegriner Dejan Savičević, dem Kroaten Robert Prosinečki, dem Makedonier Darko Pančev, dem Bosnier Refik Sabanadžoviž oder dem Serben Siniša Mihajlović. Doch schon während der WM 1990 gab es zahlreiche nationalistisch motivierte Reibungen und Streitereien um die Zusammenstellung der Nationalmannschaft, mit denen Osim immer wieder konfrontiert wurde. „Die jugoslawischen Journalisten haben mich fürchterlich kritisiert. Sie wollten immer die Spieler aus ihrer Teilrepublik im Team sehen. Ich habe dadurch mit dem Publikum und mit den Journalisten Probleme bekommen. Aber ich habe meine eigene Linie durchgezogen. Für mich war nie wichtig, aus welcher Republik jemand kommt. Einmal habe ich zu den Journalisten gesagt: ‚Mir ist egal, woher die Spieler kommen. Es werden immer nur die Besten spielen. Und wenn es sein muss, spiele ich auch mit elf Kosovo-Albanern. Sie gehören auch zu uns. Und wenn sie die Besten sind, dann spielen sie auch.‘ Damit hatte ich klargestellt, dass ich mich nicht unter Druck setzen lasse. Aber Jugoslawien war praktisch schon vor der WM in Italien zerstört. Es war ein kaputter Staat.“
Viele Metropolen und Länder haben ihre lokalen und nationalen Rivalitäten, wie zum Beispiel in Spanien Real Madrid und FC Barcelona, in Italien Inter und AC Mailand, in England Liverpool und Manchester United oder Arsenal und Chelsea London, in Deutschland Bayern München und Borussia Dortmund. Im ehemaligen Jugoslawien waren dies in Belgrad Roter Stern und Partisan, in Kroatien Dynamo Zagreb und Hajduk Split und in Sarajevo Željezničar und FK Sarajevo. Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre, als sich die nationalen Parteien in Jugoslawien formierten, wurde auch der Fußball immer mehr zum Opfer des Nationalitätenkonfliktes. Bei Fußballspielen, vor allem zwischen den serbischen und den kroatischen Vereinen, den so genannten „großen Vier“, kam es immer häufiger zu nationalistischen Zusammenstößen von extremen Fan-Gruppierungen, wie den „Delije“ von Roter Stern (die von dem späteren Kriegsverbrecher Arkan angeführt wurden), von der „Torcida“ aus Split oder den „Grobari“ von Partisan.1
Die Situation eskalierte schließlich am 13. Mai 1990 im Stadion von Zagreb. Beim Spiel zwischen Vizemeister Dynamo Zagreb und Titelträger Roter Stern Belgrad, das für die Meisterschaft schon völlig unbedeutend war, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen kroatischen und serbischen Fans, bei denen 141 Personen verletzt wurden. „Die Serben begannen die Plastiksitze auf ihrer Tribüne zu zertrümmern. Dynamo-Fans durchbrachen daraufhin die Metallzäune und stürmten auf die Belgrader zu. Die Polizei sieht erst minutenlang zu, setzt dann Tränengas ein. Offenbar aus Zorn über das Vorgehen der Polizei gegen ihre Fans tritt der kroatische Spieler Boban einem Polizisten in den Bauch. Er wird für das WM-Team gesperrt. Das war schon Krieg zwischen Serben und Kroaten, ausgetragen auf dem Rücken der Spieler und auf meinem“, sagte Osim. Als Osim sein Team trotz der Spannungen erfolgreich durch die Qualifikation zur EM 1992 in Schweden führt, stehen die politischen Zeichen jedoch schon auf Krieg. Die Auseinandersetzungen haben sich bald danach von den Fußballplätzen auf die Städte übertragen; zuallererst wurde Vukovar dem Erdboden gleichgemacht, die Stadt an der serbisch-kroatischen Grenze, in der es sehr viele national gemischte Familien gab. Während der Vorbereitungen zur EM 1992 in Schweden brach der Krieg schließlich auch in Bosnien und Herzegowina aus. Osims Heimatstadt Sarajevo wurde von serbischen paramilitärischen Einheiten umzingelt, die die Stadt zu beschießen begannen, während er sich als Nationaltrainer Jugoslawiens in einer absurden Situation befand.
Er lebte zu der Zeit in Belgrad und hatte schon länger nichts mehr von seiner Familie in Sarajevo gehört. Schließlich fasste er den Entschluss zum Rücktritt und sagte auf einer Pressekonferenz: „Zurückzutreten ist das einzige, was ich für diese Stadt tun kann. Damit Sie sich erinnern, dass ich in Sarajevo geboren bin, Sie wissen, was dort geschieht.“ Kurz danach wurde Jugoslawien von der EM in Schweden ausgeschlossen. Der Traum vom Europameistertitel und einer Welt des Fußballs, die unabhängig von der Politik existierte, war ausgeträumt.
Neben Ivica Osim, der sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Nationaltrainer Jugoslawiens befand, waren in sportlicher Hinsicht vor allem Bosnien und Herzegowina sowie der bosnische Fußball das größte Opfer der Politik und des Bürgerkrieges in Jugoslawien. Durch den Vertrag von Dayton wurden 1995 zwar die kriegerischen Auseinandersetzungen beendet, das Land aber wurde faktisch in drei Teile nach nationaler und religiöser Zugehörigkeit aufgeteilt, was sich auch auf den Fußball ausgewirkt hat.2
IV.
Heute ist der Fußball in Bosnien und Herzegowina in einem katastrophalen Zustand. Die bosnisch-herzegowinische Liga ist eine der schwächsten Europas. Die Vereine haben kaum Geld zu überleben und die Stadien sind in einem schlechten Zustand. Schon während des Krieges haben zahlreiche Fußballer das Land verlassen und Vereine im Ausland gesucht, wie z. B. Sergej Barbarez und Hasan Salihamidžić, beide mit sehr erfolgreichen Karrieren in Deutschland. Heutzutage spielen fast alle Nationalspieler der bosnisch-herzegowinischen Nationalmannschaft im Ausland, und wer die Möglichkeit hat, verlässt schnell die bosnische Liga. Zudem hat die bosnische Nationalmannschaft immer wieder damit zu kämpfen, dass Spieler an die Nachbarländer Serbien und Kroatien verloren gehen. Beispiele sind zahlreich, wie der ehemalige Spieler von Željezničar Sarajevo, Mario Stanić, der schließlich mit Kroatien bei der WM 1998 in Frankreich auf den dritten Platz kam. Es kam auch zu Drohungen gegen Spieler, wie im Falle von Rade Bogdanović und Sergej Barbarez. Der frühere Stürmer von Werder Bremen, Rade Bogdanović, der ebenso bei Željezničar Sarajevo seine Karriere begann, entschied sich letztlich, für Serbien und Montenegro zu spielen, nachdem es Drohungen von Seiten serbischer Nationalisten gab. Es gibt eine lange Liste von talentierten Spielern, die in Bosnien und Herzegowina geboren wurden, jedoch letztendlich entweder für Kroatien oder Serbien spielten.
Somit ist der Fußball in Bosnien und Herzegowina ein Opfer der blutigen Auseinandersetzungen, der Politik und des Nationalismus geworden, welcher auch nach dem Krieg in den Fußballstadien allgegenwärtig ist. Im kroatischen Teil des Landes werden Siege der kroatischen Nationalmannschaft gefeiert, während in Sarajevo nach dem Sieg der Türkei gegen Kroatien bei der EM 2008 die Bosniaken mit türkischen Fahnen jubelnd auf die Straße gingen. In der Republika Srpska wiederum sieht man die bosnische Nationalmannschaft nicht als Vertretung der bosnischen Serben an, sondern würde gerne eine eigene haben. Somit hat die bosnische Fußballnationalmannschaft ihre Heimspiele bisher immer entweder in Zenica oder Sarajevo ausgetragen, in Städten, in denen die meisten Bosniaken leben. Ein Spiel in der Hauptstadt der Republika Srpska, Banja Luka, war bisher unvorstellbar. Dort wird immer wieder versucht, auf politischem Wege deutlich zu machen, dass man nicht Teil von Bosnien und Herzegowina sein möchte. Jüngstes Beispiel dafür war auch der Wunsch, in Banja Luka ein Fußballspiel einer Auswahl aus der Republika Srpska gegen die serbische Nationalmannschaft auszutragen, welches die UEFA nach vorheriger Einwilligung doch nicht erlaubte.
Trotz dieser zahlreichen Probleme im Lande spielt die bosnisch-herzegowinische Nationalmannschaft derzeit sehr erfolgreich und hat sich inzwischen mit einem 1:0-Sieg im entscheidenden Spiel gegen Litauen das Ticket für die Teilnahme an der WM in Brasilien 2014 gesichert.3 Es wäre zu wünschen, dass die Nationalmannschaft damit dazu beiträgt, das Land ein wenig zu einigen und den Menschen ein bisschen Stolz zu geben.
Fußnoten:
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Vgl. auch die Hinweise im vorherigen Beitrag dieses Heftes, besonders S. 285 f. (der gedruckten Ausgabe). ↩︎
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Ausführliche Hinweise zur Situation bietet OWEP 4/2011 „Bosnien und Herzegowina“. ↩︎
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Vgl. Johannes Aumüller/Florian Hassel: Der Flug der Drachen. WM-Neuling Bosnien spürt im Fußball die Spaltung des Landes. In: Süddeutsche Zeitung, 17.10.2013, S. 33. ↩︎