Eine Grenze mitten in Russlands unendlichen Weiten: Der Ural

aus OWEP 1/2017  •  von Regina Elsner

Dr. Regina Elsner ist Theologin und Mitarbeiterin an einem Forschungsprojekt zur Rolle der Orthodoxie im politischen Leben Russlands an der Universität Münster.

Zusammenfassung

Eher unspektakulär erhebt sich das Uralgebirge über fast 2.500 km zwischen Europa und Asien. Im Laufe der Geschichte war es, wie der Beitrag nachzeichnet, Siedlungsgebiet, Verbannungsraum und schließlich Industrieregion. Das Eingreifen des Menschen in eine lange Zeit unberührte Natur hat die Landschaft nachhaltig verändert.

I.

„Sie werden sehen, man ist regelrecht enttäuscht. Als Grenze zwischen Europa und Asien erwartet man ein Hochgebirge, und was man sieht, ist ein durchschnittliches Mittelgebirge.“ Dieser Satz begleitete mich auf meiner ersten Reise über den Ural. Und in der Tat: Vom Flugzeug aus war die Grenze zwischen den Kontinenten fast nicht wahrzunehmen – die Weiten des osteuropäischen Tieflands gehen fast nahtlos in die Weiten Westsibiriens über, sie erscheinen aus der Luft unendlich und ungegliedert, die unterscheidbaren Flächen von Wald und Steppe werden mit jedem Kilometer östlich von Moskau größer. Höchstens als dichter Waldstreifen von Nord nach Süd lässt sich der Ural aus der Luft erkennen und ist so schnell überquert wie jede aus der Luft unsichtbare Landesgrenze. Und dieses schmale grüne Band teilt zwei so unterschiedliche Kontinente?

Eine Grenze zwischen Europa und Asien wurde völkerrechtlich nie festgelegt, ihre Definition unterliegt gesellschaftlicher Übereinkunft. Das Uralgebirge ist dabei – im Gegensatz etwa zur Grenzziehung im Kaukasus – geografisch relativ unumstritten. Allerdings lässt auch dieser schmale Gebirgszug, dessen Name vom baschkirischen Wort für „Gürtel“ abgeleitet ist, Raum für Variationen. Bei einer Reise durch den Ural trifft man zahlreiche Orte, die mit Obelisken und anderen Monumenten die recht unterschiedlichen Grenzverläufe markieren, und die die verlockende Möglichkeit, mit einem Bein in Asien und mit dem anderen in Europa zu stehen, touristisch vermarkten. Deutlich stärker ist jedoch der Eindruck, dass diese Grenze für die Bewohner östlich und westlich des Ural keine Rolle spielt. Der an seiner höchsten Stelle kaum 2.000 Meter hohe Gebirgszug verbindet mehr als er trennt. Dafür spricht auch die Beobachtung, dass im geografischen Selbstbewusstsein Russlands – als Land der unendlichen Weite – der Ural weniger in seiner Höhe, also seinem die Weiten begrenzenden Aspekt rezipiert wird, sondern vielmehr in seiner Tiefe – mit den ebenso schier unendlichen und geheimnisvollen Bodenschätzen im Inneren der Berge.

II.

An ein Hochgebirge erinnert der Ural vor allem im äußersten Norden. Vom Konstantinow Kamen, der sich mit 483 Metern kurz vor der Karasee aus der Ebene erhebt, steigt die Bergkette stetig an. 1846 begab sich die neu gegründete Russische Geografische Gesellschaft auf ihre erste, insgesamt dreijährige Expedition; Ziel war der Ural „zur Erforschung der Grenzen zwischen Europa und Asien auf ihrer gesamten Länge“. Marian Kowalski, Astronom und Mitglied der Expedition, schrieb in seinen Aufzeichnungen: „Das Auge trifft ein unendliches Meer von Wäldern, durchschnitten von schlangenähnlichen Flüssen, die im Sonnenlicht durch ihren silbernen Glanz wie ein Relief auf dem schwarzen Untergrund des Waldes wirken ... Alle Gebirgszüge sind äußerst steil, die Spitzen scharf ... Die Alpen beeindrucken den Betrachter nicht weniger mit ihrer wilden Natur ... Jeder Gebirgszug steigt jäh aus der Tundra auf.“ Unter der Leitung von Ernest Karlowitsch Gofman (Hofmann) konnte die Expedition die ununterbrochene Wasserscheide und damit eine eindeutig zu bestimmende Grenze in dieser nördlichsten Region durch geologische Untersuchungen dokumentieren. Kowalski erstellte die erste Karte des nördlichen Ural, die Forschergruppe erkundete erstmals die in ihrem Reichtum nur zu erahnenden Bodenschatzvorkommen.

Die höchsten Berge des Ural, der Narodnaja (1.895 m) und die benachbarten Berge Managara (1.662 m) und Karpinski (1.878 m), liegen bereits im Übergang zur waldreichen Taiga. Zahlreiche Anbieter laden heute zu Bergbesteigungen und Angeltouren in die menschenleeren Weiten des nördlichen Ural ein. Sie werben vor allem mit dem Reichtum selten gewordener Fischarten. Der Fischfang und auch die Rentierzucht sicherten seit vielen Jahrhunderten den in dieser Region ansässigen Nomadenvölkern der Nenzen, Komi, Mansen und Chanti das Überleben. Sie gehören heute zu den so genannten kleinen indigenen Völkern des russischen Nordens, deren Gesamtzahl noch ca. 270.000 Menschen beträgt. Trotz massiver Sowjetisierung bzw. sprachlicher Russifizierung ab den 1930er Jahren haben viele ihre Traditionen und auch ihre Sprachen – verschiedene Idiome des Finnougrischen – bewahren können. Und auch die traditionelle Religion, der Schamanismus, wurde durch die Christianisierung seit dem 18. Jahrhundert nur oberflächlich beeinflusst und wird weiterhin praktiziert, wenn auch teilweise als synkretistische Form des orthodoxen Ritus.

Landschaft im südlichen Ural mit Blick auf den Gebirgszug des Iremel1

Die größte Bedrohung für diese indigenen Völker des nördlichen Ural geht von der anhaltenden industriellen Ausbeutung und Vermarktung der Bodenschätze auf ihrem Land aus. Seit Jahrzehnten werden großflächig Erdöl und Erdgas abgebaut und dafür Wald- und Weideflächen der Indigenen ökologisch vernichtet. Kaum öffentlich bekannte, ständig auftretende Unfälle an Ölleitungen sorgen für langfristige Verschmutzungen von Gewässern, für deren Aufarbeitung kaum staatliche Gelder zur Verfügung stehen. Daneben setzten Großinvestoren die indigene Bevölkerung so stark unter Druck, dass diese 2012 sogar zu einem Boykott der Präsidentschaftswahlen aufriefen.

III.

Stärker als viele andere Teile Russlands ist der hohe Norden als Ort des Schreckens des GULag in die Geschichte eingegangen.2 Der Lagerkomplex WorkutLag um die Stadt Workuta auf der europäischen Seite des Ural gehörte zu den größten Arbeitslagern der Sowjetunion. Insgesamt mehr als eine Million Häftlinge verschiedener Nationen arbeiteten hier von 1938 bis 1959 unter grausamsten Bedingungen an der Erschließung der Steinkohlevorkommen der Region und dem Bau der Petschora- und der so genannten „Stalinbahn“, einer Eisenbahnlinie entlang des Polarkreises über den Ural nach Sibirien. Besonders deutsche Häftlinge aus der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR wurden in den Nachkriegsjahren in die Lager um Workuta verschleppt. Erst seit 2015 gibt es ein öffentlich zugängliches Museum des Lagers in der Stadt, seit einigen Jahren gehen Gerüchte über die Eröffnung eines Freiluft-Museums um, welches in erster Linie Touristen anziehen soll.

Entlang des westlichen Ural gen Süden folgten zahlreiche weitere Arbeitslager, die zu einem großen Teil als „Sonderlager“ für ein besonders strenges Regime bekannt waren. Fast alle Lager des GULag wurden nach ihrer Auflösung akribisch zerstört. Nur in der östlichsten Millionenstadt Europas, in Perm, befindet sich heute die russlandweit einzige Gedenkstätte für GULag-Opfer am historischen Ort eines Arbeitslagers, das Lager Perm-36. Die Zukunft der Gedenkstätte ist jedoch ungewiss: Im Zuge des wachsenden Drucks auf NGOs seit 2012 wurden die zivilgesellschaftlichen Träger des Museums und der dazugehörigen Begegnungsstätte eklatant in ihrer Arbeit beschränkt. Das Museum „Perm-36“ wurde 2014 geschlossen und 2016 unter staatlicher Ägide als Erinnerungsstätte an den Beitrag der Häftlinge zum Aufbau des Sozialismus wiedereröffnet.

Die Geschichte der Repressionen verlässt einen im Ural auch auf der weiteren Reise nach Süden und auf der östlichen, sibirischen Seite nie. Als äußerste Grenze des europäischen Teils Russlands waren der Ural und die östlich von ihm beginnenden unbesiedelten Gebiete bereits Ende des 16. Jahrhunderts Ziel von Verbannung: Vor allem politische Gegner, aber auch Schwerverbrecher schickte man in die rauen, abgelegenen Gebiete des Ural, zunächst um sie – gemeinsam mit ihren politischen Ideen – dem Vergessen anheim zu geben, später um die Arbeitskraft der Häftlinge schonungslos für die Erschließung der Region und ihrer Bodenschätze auszunutzen. Andere suchten selber die Weite als Zuflucht vor Verfolgung, so auch zahlreiche Altgläubige, die unter den Zaren von weltlicher und kirchlicher Macht verfolgt wurden.3

Unter den tausenden Verbannten im Ural sind Vertreter der Dekabristen, die nach der Niederschlagung ihres Aufstandes 1825 durch Zar Nikolaus I. verbannt wurden, und schließlich die Familie der Romanows wohl die Bekanntesten. Das Gedenken an die letzten Wochen der Zarenfamilie und ihren gewaltsamen Tod nimmt dabei einen bedeutenden Platz im Selbstbewusstsein Jekaterinburgs ein. Ihm ist zum einen die große russisch-orthodoxe Kathedrale „Auf dem Blute“ am Ort der letzten Lebensmonate und schließlich der Ermordung der Familie gewidmet. Zum anderen entstanden in den vergangenen Jahren nach der Heiligsprechung der Neumärtyrer im Jahr 2000 – unter ihnen die Zarenfamilie und viele der mit ihr ermordeten Angehörigen des Hofes – zwei neue Klosteranlagen in den unweit von Jekaterinburg gelegenen Wäldern bei Alapajewsk und Ganina Jama, wo weitere Mitglieder der Zarenfamilie und des Hofes von Bolschewiki grausam ermordet wurden.

Unter Stalin befanden sich in jeder großen Stadt des Ural Straf- und Arbeitslager des GULag. Neben der massenhaften Verbannung von Kriegsgefangenen und politischen Gegnern wurden auch etliche Gruppen nationaler Minderheiten in Gegenden des Ural deportiert. All diese Umsiedlungsprozesse führten schließlich – gemeinsam mit den ursprünglichen lokalen ethnischen Gruppen der nördlichen Völker, der Tataren, Baschkiren, Mordwinen und Udmurten – zu einer einzigartigen kulturellen und ethnischen Vielfalt. Gleichzeitig prägte die Erfahrung der Repression sich in das kulturelle Gedächtnis der Region so stark ein, dass hier allenthalben eine besondere Sensibilität für staatliche Übermacht anzutreffen ist. Davon zeugen etwa die ausnehmend lebendige Zivilgesellschaft in Perm, aber auch die große Eigenständigkeit der Republiken Baschkortostan, Udmurtien und Tatarstan oder schließlich auch die ansonsten in Russland äußerst seltene Wahl eines Bürgermeisters, der nicht zur Partei Putins gehört, 2013 in Jekaterinburg.

IV.

„Ural – der tragende Rand der Großmacht, ihr Versorger und ihr Schmied.“ Dieses Zitat des sowjetischen Poeten Alexander Twardowski ziert die 1967 erbaute monumentale Statue mit dem Namen „Legende vom Ural“ in Tscheljabinsk. Zitat und Statue charakterisieren das Selbstverständnis besonders des mittleren und südlichen Ural: Physische Stärke, Schöpfergeist und Bodenschätze sichern die materielle Versorgung des gesamten Landes. Die Figur ist inspiriert von der Märchensammlung Pawel Bazhows, der am Beginn des 20. Jahrhunderts auf seinen Reisen durch den Ural Märchen und Legenden der arbeitenden Bevölkerung sammelte. Im Mittelpunkt steht die geheimnisvolle „Herrin des Kupferbergs“, welche über die Bergschätze des Ural herrscht und den mutigen und freiheitsliebenden Handwerkern hilft. Die Geschichten sind Nachschlagewerke für Edelstein-Liebhaber, sie gehören zum literarischen Erbe Russlands und sie erzählen viel über den Stolz der Region. Da sind die reichen Erz- und Malachitvorkommen, die seit Jahrhunderten das Leben der Bevölkerung prägen. Da ist die Anerkennung der Schwäche des Menschen angesichts der Macht der Natur, aber auch die Stärke des Menschen gegenüber der unmenschlichen Industrie. Da ist schließlich die Freiheitsliebe im Widerstand gegen herrschende Klassen. Sicher spielt in der Tonlage der Märchen eine wichtige Rolle, dass Bazhow sie im Auftrag der sowjetischen Folklore-Politik in den 1930er Jahren publizierte. Der massive Ausbau der Schwerindustrie in dieser Zeit erhielt dadurch eine durchaus wirksame Verankerung im kulturellen Selbstbewusstsein der Region. Dieses Selbstbewusstsein ist es, welches die Statue „Legende vom Ural“ symbolisiert. Und dennoch spiegeln die Märchen eben auch den tief verwurzelten Wunsch wider, gegen das System, gegen die mächtigen Rhythmen der Fabriken den Weg zurück in die reiche Natur des Ural zu finden.

Wie der massive Erdölabbau im Norden des Ural, so hat der Ausbau der Metallurgie und des Maschinenbaus im mittleren und südlichen Ural die Region nachhaltig verändert. Viele vorher unbedeutende Ortschaften sind ab den 1930er Jahren zu wichtigen Großstädten angewachsen, die in der Tat das ganze Land versorgten. Während des Zweiten Weltkrieges wurden zusätzlich zahlreiche strategisch wichtige Fabriken in den Ural evakuiert, sodass sich rund um die Städte Nizhni Tagil, Jekaterinburg (Swerdlowsk), Tscheljabinsk und Magnitogorsk ein industrielles Ballungszentrum entwickelte. Mit der Evakuierung kamen auch Kultur und Wissenschaft. So wurde ein Teil des renommierten „Moskauer Tschechow-Kunsttheaters“ (MChAT) 1942 nach Jekaterinburg evakuiert. Ein großer Teil der Besetzung und des Inventars des Marinski-Theaters (damals Kirow-Theater) wurde kurz nach Kriegsbeginn aus Leningrad nach Perm (damals Molotow) verlegt und prägte die dortige Ballett- und Opernlandschaft bis in die Gegenwart. Das Moskauer „Kleine Theater“ arbeitete von 1941 bis 1942 in Tscheljabinsk, das Leningrader „Kleine Opern- und Balletttheater“ in Orenburg (damals Tschkalow). Zahlreiche wissenschaftliche Institutionen, darunter das Präsidium der Akademie der Wissenschaften, die Moskauer Lomonossow-Universität, das Medizinische Institut aus Kiew, das Mechanik-Institut aus Stalingrad und weitere 46 Hochschulen wurden mit wissenschaftlichem Stab und Bibliotheken in Städte des Ural evakuiert. Nach der Reevakuierung blieben viele MitarbeiterInnen und fast alle Bücher im Ural und bildeten das Fundament für neue wissenschaftliche Einrichtungen.

In den Jahren der Evakuierung stand sowohl die industrielle als auch die wissenschaftliche und kulturelle Arbeit unter dem Vorzeichen des Krieges. Die Fabriken des Ural belieferten die Front mit Waffen, die Theatercompagnien reisten mit Gastspielen zu den Soldaten, WissenschaftlerInnen und Studierende arbeiteten als Freiwillige in den Fabriken, Krankenhäusern und Kolchosen. Nach Kriegsende blieben die Metallurgie und der Maschinenbau die bedeutendsten Arbeitgeber der Region. Wissenschaft und Kultur konnten auf dem gelegten Fundament zu maßgebenden Institutionen Russlands wachsen.

Ein Wermutstropfen dieser Entwicklung ist jedoch die Tatsache, dass viele der Industriestädte des Ural zu den ökologisch am stärksten belasteten Orten Russlands zählen. Die Stadt Karabasch, unweit von Tscheljabinsk und in direkter Nähe zum Nationalpark Taganaj gelegen, zählt aufgrund ihrer veralteten Kupferförderung und -verarbeitung zu den am stärksten verschmutzten Orten der Welt; bis zu 25 kg Schadstoffe fallen täglich auf die Bewohner und die Umgebung. Die rücksichtslose Ausbeutung der Natur im Wettlauf des Kalten Krieges und im schonungslosen Kapitalismus seit den 1990er Jahren haben Ökologie und Gesundheit der Menschen nachhaltig geschädigt. Umweltschutzvereinigungen stehen unter dem latenten Verdacht, Teil einer „fünften Kolonne“ zu sein, größere Umweltkatastrophen wie der atomare Unfall von Kyschtym 1957 wurden und werden ebenso wie die aktuellen Ölverschmutzungen im Norden des Ural vor der Bevölkerung lange geheim gehalten oder heruntergespielt.

V.

Wer „Ural“ in eine deutschsprachige Internet-Suchmaschine eingibt, findet neben dem obligatorischen Wikipedia-Artikel vor allem Bilder und Anzeigen für das in der westsibirischen Stadt Irbit gebaute Motorrad „Ural“ – ein Liebhaberstück mit Beiwagen. Tscheljabinsk ist seit 2013 durch den Einschlag eines Meteoriten international bekannt, Nizhnij Tagil durch den Ski-Weltcup. Wer den Ural jedoch persönlich und nicht virtuell bereist, der kann Unerwartetes finden. Etwa das winzige Dorf Maly Turysch, 200 km westlich von Jekaterinburg. Das Dorf erlebte das Schicksal der meisten russischen Dörfer, in denen verarmte Rentner zurückgelassen und von der Zivilisation vergessen werden. In diesem Dorf verstarb der Großvater von Gusel Schanzapowa und hinterließ eine Imkerei. Heute arbeiten dank der Initiative der 28jährigen Unternehmerin fast alle BewohnerInnen des Dorfes in dieser Imkerei, die angesagten Creme-Honig mit Früchten und Kräutern aus den Wäldern des Ural für die junge Moskauer Oberschicht produziert. Durch Crowdfunding konnte ein Spielplatz für die acht Kinder des Dorfes gebaut werden, im nächsten Jahr beginnt der Bau einer Bonbon-Fabrik. Neben Maschinenbau und Erdöl, den Schatten der Geschichte und Umweltbedrohungen ist der Ural also vor allem eine Region, die immer wieder überrascht. Hier spiegeln sich die Vergangenheit und Gegenwart Russlands in all ihrer Vielfalt und Tragik wider – als bleibende Peripherie ist der Ural aber auch Ort für Visionen einer besseren Zukunft.


Der dicht bewaldete Gebirgszug des Ural (aus dem Baschkirischen für „Gürtel“) zieht sich von der Südküste des Nordpolarmeers über ca. 2.500 km bis zur Biegung des Flusses Ural unweit der Nordgrenze Kasachstans (durchschnittliche Breite: 50 km; höchste Erhebung: Narodnaja, 1.895 m). Uralgebirge und Uralfluss sind als Grenze zwischen Europa und Asien festgelegt, tatsächlich sind die Übergänge jedoch fließend. Die dünnbesiedelte Region ist reich an Bodenschätzen, aber auch von Umweltzerstörung als Folge ausufernder Industrialisierung gezeichnet.


Fußnoten:


  1. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:BolshoyIremel.jpg ↩︎

  2. Vgl. dazu ausführlich Matthias Stadelmann: GULag – stalinistischer Strafvollzug in der Sowjetunion. In: OST-WEST. Europäische Perspektiven 15 (2014), H. 2, S. 82-92 (der gedruckten Ausgabe). ↩︎

  3. Die Altgläubigen lösten sich aus Protest gegen Kirchenreformen im 17. Jahrhundert von der orthodoxen Kirche; vgl. die Hinweise bei Alexander Panchenko: „Heterodoxes“ Christentum im modernen Russland. In: OST-WEST. Europäische Perspektiven 16 (2015), H. 4, S. 249-255, besonders S. 250 (der gedruckten Ausgabe). ↩︎