Das Zusammenleben der Konfessionen in Rumänien
OWEP: Vor wenigen Wochen feierten die orthodoxen Christen das Osterfest, in diesem Jahr sogar fünf Wochen nach den Katholiken des lateinisches Ritus, die den gregorianischen Kalender verwenden. Wie empfinden das die Menschen in Rumänien, was bedeutet es für gemischtkonfessionelle Ehepaare, und sehen Sie eine Chance für den Vorschlag des Papstes, den Ostertermin zu vereinheitlichen?
Corneanu: Tatsächlich wurden dieses Jahr die Osterfeiertage der Katholiken und der Orthodoxen in einem Abstand von einem Monat gefeiert. Nicht immer kommt so etwas vor, manchmal feiern wir Ostern am selben Tag. Bekanntermaßen ist dies durch die Kalenderunterschiede bedingt. Die diesjährige Situation hat viele und berechtigte Unzufriedenheiten gebracht. Viele orthodoxe Gläubige haben sich dieses Jahr an mich gewandt und haben sich negativ überrascht gezeigt. Eigentlich ist es nicht das erste Mal. Abgesehen von den geschichtlichen Hintergründen handelt es sich nicht um ein Glaubensproblem. Es wäre gut, wenn alle Christen an einem Datum Ostern feiern würden. Vorschläge dazu wurden schon von Papst Johannes Paul II., von den Bischöfen der orthodoxen Kirche, vom Internationalen Verband der Kirchen und auch von vielen anderen gemacht. Ich denke, dass man letztendlich zu einer Übereinkunft kommen wird.
OWEP: In Ihrer Diözese wurden seit 1990 zahlreiche griechisch-katholische Kirchen, die nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet wurden, an die ursprünglichen Eigentümer zurück gegeben. Sie stehen jedoch damit unter den orthodoxen Diözesen recht alleine da. Die griechisch-katholischen Bischöfe beklagen, es würden nicht einmal unbenutzte Kirchen zurückgegeben. Welche Gründe gibt es dafür? Wie sehen Sie die Chancen für eine zukünftige Annäherung?
Corneanu: Die Auflösung der griechisch-katholischen Kirche in Rumänien im Jahre 1948 wurde von Moskau und der damaligen kommunistischen Diktatur angeordnet. Aus diesem Grunde – so glaubten wir alle nach dem Ende der kommunistischen Diktatur – wäre es normal, zu dem zurückzukehren, was vorher war. Deswegen habe ich dies für meine Person auch versucht. Aus politischen Gründen war es jedoch nicht in allen Regionen möglich: Politisch nicht, weil die neue Regierung nach der Revolution einerseits nicht wusste, wie sie vorgehen sollte, andererseits nicht die Unterstützung der orthodoxen Mehrheit verlieren wollte; regional, weil insbesondere in Siebenbürgen die Überbleibsel konfessioneller und nationaler Auseinandersetzungen aus der Vergangenheit bestanden. Darüber hinaus setzte sich in vielen Köpfen die kirchenrechtlich völlig irrige Idee fest, das Kirchengebäude würde den Gläubigen gehören, das Eigentumsrecht hinge also von der Anzahl der Gläubigen ab. Und dadurch, dass die griechisch-katholischen Gläubigen nach der fast ein halbes Jahrhundert lang dauernden Unterdrückung so stark dezimiert waren, bestritt man deren Anspruch auf Wiedererstattung ihrer Kirchen.
OWEP: Von mancher Seite wird behauptet, konfessionelle Spannungen in Rumänien seien bedingt durch über Jahrzehnte gewachsene ethnische Konflikte. Teilen Sie diese Einschätzung und glauben Sie, dass durch einen Beitritt zur EU dieses Feld entschärft werden könnte?
Corneanu: Zweifelsohne sind die Gründe konfessioneller Spannungen unter anderem auch ethnische Konflikte, insbesondere in Siebenbürgen. Sie lösen sich langsam auf und werden letztendlich verschwinden müssen. In dieser Perspektive wird sich die Situation nach dem Eintritt in die Europäische Union sicherlich verbessern, auch hinsichtlich der zwischenkirchlichen Beziehungen.
OWEP: In vielen Ländern, welche die Aufnahme in die Europäische Union beantragt haben, besteht die Sorge, dass dies zum Verlust nationaler und kultureller Identität führen könnte. Wie sehen das die Menschen in Rumänien, und wie bewerten das die orthodoxen Bischöfe? Immerhin wäre Rumänien, von Griechenland abgesehen, allein unter zwanzig überwiegend nicht-orthodoxen Staaten.
Corneanu: Es existieren tatsächlich auch hier Bedenken, dass der Eintritt in die Europäische Union zum Verlust der kulturellen Identität führen könnte. In den mehrheitlich orthodoxen Ländern, in denen sich die Kirchen selbst als „national“ bezeichnen, wird die Angst von Vertretern dieser Kirchen geschürt. Andererseits werden aber eigentlich auch in einigen westeuropäischen Ländern diese Ängste genährt, denn nur so kann man sich den Aufstieg einiger Parteien mit nationalistischer Prägung erklären. Man wird wohl viel tun müssen, um die Menschen davon zu überzeugen, dass die Europäische Union nicht das Verschwinden der nationalen oder kulturellen Identität nach sich zieht. Aus kirchlicher Sicht ist es die Pflicht der Bischöfe, darauf hinzuweisen, dass Kirchen nicht national sein können, weil es nur eine Kirche gibt. Es kann lediglich lokale Kirchen geben, jedoch nicht nationale. Es wird jedoch noch einige Zeit verstreichen, ehe man zu der alten Einstellung von der einen Kirche kommen wird.
OWEP: Nicht nur während der Feiertage nehmen auffällig viele orthodoxe Christen in Rumänien am kirchlichen Leben teil. Angenommen, die Lebensbedingungen der Menschen in Rumänien verbesserten sich nach einem EU-Beitritt erheblich, wie würde sich dies nach Ihrer Einschätzung auf die Partizipation der Gläubigen und das Leben der Kirche auswirken? Welche neuen Ansätze gibt es in der orthodoxen Kirche in Rumänien auf dem Gebiet der Caritas, der Katechese oder auch der Erwachsenenbildung?
Corneanu: Der Eintritt in die Europäische Union und die euro-atlantischen Strukturen werden von einigen als Anlass der Steigerung säkularer Einflüsse, als eine Gefahr der Übernahme einiger „Sünden“ aus dem Westen angesehen. Natürlich gibt es da Übertreibungen, selbst die Mitbrüder aus dem Westen sprechen vom Atheismus oder der Gleichgültigkeit, die bei ihnen existiert. Was jedoch die orthodoxen Kirchen betrifft, kann der Kontakt mit dem Westen auch extrem gewinnbringend sein, wie die letzten Jahre zeigen. Die orthodoxe Kirche hat sich bis vor kurzem vor allem für die liturgische Seite des christlichen Lebens interessiert. Die Kontakte mit dem Westen haben jedoch die Bedeutung der katechetischen, didaktischen und sozialen Aspekte aufgezeigt. Es lässt sich klar erkennen, dass in den orthodoxen Kirchen in Rumänien ein besonderes Interesse an der Erziehung und geistlichen Bildung der Gläubigen besteht. Dies gilt insbesondere für die Kinder-, aber auch für die Erwachsenenkatechese. Die Bräuche und die Teilnahme am liturgischen Leben sind wichtig, das Christentum kann hier jedoch nicht aufhören. So geschah es, dass sich der Katholizismus entwickelte, dass Geistliche in der Armee auftauchten, in den Krankenhäusern, in Gefängnissen, überall. Insbesondere aber entwickelten sich die karitativen Aktivitäten. Diese Entwicklung setzt sich ständig fort. Hinzu kommt, dass bis vor nicht allzu langer Zeit in der Kirche nur die Kleriker ein gewisses Ansehen hatten. Jetzt werden auch die Laien in der Kirche immer wichtiger, was zur Entwicklung einiger Organisationen von Jugendlichen, Männern und Frauen geführt hat.
OWEP: Welche Reaktion gab es von orthodoxer, katholischer und staatlicher Seite auf Ihr Schuldbekenntnis im Jahr 2000? Wie bewerten Sie dies selbst?
Corneanu: Sowohl der Pontifex maximus als auch weitere Vertreter des Katholizismus haben in letzter Zeit ihr Reuegefühl wegen Fehler der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht, sowohl gegenüber anderen Kirchen als auch gegenüber der ganzen Welt. Persönlich empfinde ich das als sehr positiv, und es wäre gut, wenn ein jeder dafür um Verzeihung bitten würde, was er gegen die christlichen Prinzipien getan hat. Schließlich hat jeder seine eigenen Fehler. Leider haben wir Orthodoxen bislang nicht so gehandelt. Vielleicht werden wir es fortan tun. Das Beispiel, das uns der Heilige Vater Papst Johannes Paul II., wo immer er auch war, gegeben hat, verdient es, nachgeahmt zu werden.
Aus dem Rumänischen übersetzt von Monika Knuff.