Solidarität von Deutschland aus.
Zusammenfassung
„Razam“ ist die erste Interessenvertretung von und für in Deutschland lebende Belarussinnen und Belarussen. Sie entstand im August 2020 aus Solidarität mit den Menschen in Belarus, die sich in großen landesweiten Protestkundgebungen für freie Wahlen und ein Ende staatlicher Gewalt gegen unschuldige Zivilisten engagieren. Mit dem Razam-Vertreter Alexander Moisseenko, der an der Katholischen Universität Eichstätt Politikwissenschaft studiert, sprach OWEP-Chefredakteurin Gemma Pörzgen.
Der Name Ihrer Organisation „Razam“ bedeutet „Gemeinsam“. Wie kam es dazu, sie zu gründen?
Im Wahlkampf vor der Präsidentschaftswahl in Belarus kam es deutschlandweit zu zahlreichen Protestaktionen gegen die Verhaftungen von Präsidentschaftskandidaten und die massive Repression. Die verschiedenen Gruppen der in Deutschland lebenden belarussischen Community haben sich dann zusammengeschlossen, um einen Verein zu gründen. Das Datum 9. August wurde dafür bewusst gewählt, denn da war die Präsidentschaftswahl in Belarus.
Wie groß ist denn die belarussische Community in Deutschland?
Die Zahl der in Deutschland lebenden Belarussinnen und Belarussen liegt bei rund 23.000 Menschen. Als Verein befinden wir uns noch im Gründungsprozess in Deutschland, haben aber bereits etwa 160 Mitglieder. Es gibt in allen größeren deutschen Städten Vertreter unserer Organisation.
Wie sind Sie selbst zu „Razam“ gestoßen?
Ich selbst bin hier geboren, aber meine Eltern stammen aus Belarus. Sie kamen 1999, ein Jahr vor meiner Geburt, als Asylbewerber nach Deutschland. Meine Eltern waren an einer alternativen Präsidentschaftswahl beteiligt, weil Lukaschenko damals sein Amt willkürlich um zwei Jahre verlängert hat. Die Opposition hatte damals ihre eigene Präsidentschaftswahl organisiert, um gegen diese verfassungswidrige Verlängerung der Amtszeit von Lukaschenko zu protestieren. Meinen Eltern wurde dann von der Staatsanwaltschaft „versuchte Machtergreifung“ vorgeworfen. Sie sind deshalb nach Deutschland emigriert. Ich bin durch das Schicksal meiner Eltern stark geprägt. Als ich in München bei einer Protestkundgebung von „Razam“ hörte, bin ich gleich dazu gestoßen.
Was bedeutet Ihnen Belarus, ist das Land für Sie eine zweite Heimat?
Ich war ungefähr sechs Mal im Urlaub in Belarus. Seit 2010 durften wir dort wieder einreisen. Uns bewegt als Familie natürlich sehr stark, was dort passiert. Ich fühle mich als Deutscher belarussischer Herkunft. Ich habe eine emotionale Verbindung zu dem, was in Belarus geschieht. So geht es vielen bei „Razam“. Wir verfolgen die Geschehnisse sehr aktiv und versuchen dazu beizutragen, dass die Lage sich dort etwas bessert.
Was kann Razam dafür tatsächlich tun?
Wir haben eine Vielzahl von Projekten. Da gibt es beispielsweise eine medizinische Hilfsinitiative, die sich darum kümmert, in Belarus verletzte Demonstranten nach Deutschland zu holen, um sie medizinisch behandeln zu lassen. Wir haben eine Gruppe, die politische Kontakte zu deutschen Bundestagsabgeordneten und in die Ministerien pflegt, um auf die Geschehnisse in Belarus aufmerksam zu machen. Wir organisieren Veranstaltungen und Demonstrationen, sammeln Spenden und versuchen auf vielfältige Weise darüber zu informieren, wie man in Belarus helfen kann. Kürzlich hat „Razam“ zusammen mit der Menschenrechtsorganisation Libereco einen Fotokalender erstellt, dessen Verkaufserlöse Opfern von Gewalt in Belarus helfen soll.
Wie wichtig ist diese Solidarität für die Menschen in Belarus?
Das können wir natürlich schwer einschätzen, aber wir bekommen viele Danksagungen aus Belarus. Dort interessieren sich viele für unsere Arbeit in Deutschland. Es ist aber weniger wichtig, wie viel Anerkennung wir bekommen, sondern dass wir alles tun, was in unserer Macht steht, um den Menschen in Belarus zu helfen.