Die Bemühungen der katholischen Kirche um die Roma in der Slowakei

(Dokument)
aus OWEP 4/2006  •  von  OWEP-Redaktion

Im Februar 2004 kam es im Osten der Slowakei zu einer regelrechten „Hungerrevolte“: Tausende von Roma plünderten Lebensmittelgeschäfte, nachdem die staatliche Unterstützung erheblich gekürzt worden war. Die Unruhen wurden rasch niedergeschlagen, sorgten aber für internationales Aufsehen: Hier wurden die Schattenseiten der liberalen Wirtschaftspolitik sichtbar – der Osten der Slowakei hat kaum oder überhaupt nicht am Boom teil. Außerdem wurde ein in der Slowakei (und auch in den Nachbarländern) gern verdrängtes Problem schlagartig ins Licht der Öffentlichkeit gerückt: die soziale und wirtschaftliche Lage der Roma, einer Volksgruppe, die in vielen Ländern Europas bis heute massiv benachteiligt ist und ausgegrenzt wird.1 Offiziell wird ihr Bevölkerungsanteil in der Slowakei mit 1,7 Prozent angesetzt, Fachleute gehen jedoch von einem wesentlich höheren Anteil (bis zu 10 Prozent) aus. Viele Roma verschweigen aus Angst vor Repressalien ihre Volkszugehörigkeit.

Die katholische Kirche in der Slowakei setzt sich für eine Verbesserung der Lage der Roma ein. Grundlage dafür ist der „Pastoral- und Evangelisierungsplan der katholischen Kirche in der Slowakei 2001 - 2006,“ aus dem die relevanten Teile im Folgenden vorgestellt werden; die Übersetzung besorgte Miroslava Bertok. In den kommenden Monaten wird die Umsetzung des Plans überprüft. Wieweit es Fortschritte gegeben hat, wird die Zukunft erweisen.

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6.2 Die Roma
6.2.1 Die Situation
A) Johannes Paul II. sagt, dass der Frieden, nach dem sich die Menschen sehnen, ein Geschenk Gottes, eine Frucht der Wahrheit und Gerechtigkeit ist. Wir sind also überzeugt, dass eine Erneuerung der Gesellschaft nicht möglich sein wird, ohne diese Werte auf allen Ebenen geltend zu machen. Konkret heißt das: zu den Armen, zu den Verlassenen und zu den an den Rand Gerstoßenen zu gehen – zu den Roma.

B) Die jungen Roma befinden sich in der gegenwärtigen Welt ohne Orientierungspunkte für ihr Leben; so lassen sie sich leichter von unterschiedlichen Angeboten locken und verführen. Ihnen fehlt der Gesamtsinn des Lebens, auch nehmen sie nicht am gesellschaftlichen Leben teil. Der erzieherische Einfluss der Familie, der Schule und der Kirche ist gering, was sich sowohl in der allgemeinen als auch in der religiösen Bildung deutlich zeigt. Oft fehlen den Roma tiefere persönliche Beziehungen und das Bewusstsein des eigenen Wertes. Charakteristisch ist die große Verletzbarkeit. Junge Roma sind nicht ausreichend auf die Familiengründung vorbereitet – geistig ebensowenig wie materiell. Die religiösen Ausdrucksformen der Roma sind für die Mehrheitsbevölkerung wenig verständlich. Nur in vereinzelten Fällen ist es der Kirche gelungen, dieses Milieu zu erreichen, und zwar nicht nur mit einer anziehenden, sondern auch auf Dauer wirksamen Evangelisierung.

6.2.2 Ziele
Ziel ist es, die Person Jesu Christi zu offenbaren, damit auch sein tiefes Verständnis und Interesse für den Menschen und seinen Sinn für alles Menschliche. Damit verbunden soll das Gottes Reich verkündet werden; d. h. für die Roma, ihnen ein verständliches Zeichen der Gottesliebe zu setzen. Das geschieht durch geduldige und systematische Arbeit mit dem Ziel, sie zu unterstützen, sodass sich das Gefühl für die Mitverantwortung untereinander verstärkt, damit sie sich ihrer eigenen Würde vor Gott bewusst werden und damit auf diese Weise die vorhandenen Spannungen nicht nur an der Oberfläche beseitigt werden. Das alles ist in einer Pfarrei möglich, die sich für die Roma öffnet und eine Atmosphäre schafft, die einladend wirkt.

6.2.3 Empfehlungen
a) Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen der Kommission für die Pastoral der Roma und den Pfarrern vor Ort, die den Pastoralplan umsetzen.
b) Werte der Roma-Kultur kennen lernen, um sie für die Evangelisierung sinnvoll zu nutzen. Wenn eine Pfarrei wie ein lebendiges und wachsendes Wesen existieren soll, müssen alle ihre Mitglieder lernen, untereinander ihre Arbeiten, Ressourcen und Kräfte ebenso wie Freude und Probleme zu teilen;
c) Auf präventive Weise die Grundwerte sichtbar machen – Achtung vor dem Menschen, Vertrauen, Interesse, Offenheit, Bereitschaft zum Zuhören, Brüderlichkeit, Solidarität.
d) Pastoralzentren im Roma-Milieu errichten und passende Angebote anbieten – Wallfahrten, Bibelwettbewerbe, Vorbereitung katechetischer Materialien. Das kann dann Modellcharakter haben.
e) Die Pfarrgemeinschaft als animatorischen Kern ausbauen, d. h. Laiengruppen vor Ort bilden und ausbauen, sodass die Roma-Siedlung die Missionsstation der jeweiligen Pfarrei werden kann.
f) Priester- und Katechetenqualifikationen in der Pastoral unter Berücksichtigung der Roma-Kultur erweitern.
g) In Pfarreien mit hohem Roma-Anteil Projekte für Personalentwicklung und für die Ausbildung von Leitungskräften anstoßen.


Fußnote:


  1. Vgl. zur Problematik auch das immer noch aktuelle OWEP-Heft 2/2003 „Roma in Mittel- und Osteuropa“. ↩︎