Die Region Oberschlesien – ein Beispiel für strukturelle Veränderungen im ländlichen Raum Polens

aus OWEP 3/2011  •  von Marcin Wiatr

Marcin Wiatr war nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Pädagogik in Oppeln und Kiel von 1999 bis 2008 Bildungsreferent und zuletzt amtierender Geschäftsführer des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit in Gleiwitz (Gliwice). Seit 2011 ist er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Historischen Seminars der TU Braunschweig im Projekt des Georg-Eckert-Instituts für Internationale Schulbuchforschung „Oberschlesien und sein kulturelles Erbe“ tätig.

Zusammenfassung

Der folgende Beitrag will einen Einblick in das Spezifische an strukturellen Veränderungen im ländlichen Raum in der polnischen Region Oberschlesien gewähren. Dabei werden vor allem die ländlichen Umstrukturierungsprozesse, wie sie seit der gesellschaftspolitischen Wende von 1989 und in noch stärkerem Maße nach dem EU-Beitritt Polens (2004) zum Tragen gekommen sind, kurz vorgestellt und kritisch beleuchtet.

I.

Am Beginn der Überlegungen zu Oberschlesien sei ein kurzer Rückblick ins ausgehende 19. und ins 20. Jahrhundert erlaubt, um die strukturellen Veränderungen einzuordnen und sie nicht nur als einen wirtschaftlichen Faktor zu betrachten. Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erlebte Oberschlesien als Teil Schlesiens, der südöstlichsten preußischen Provinz, eine stürmische städtebauliche Entwicklung, die das bis dahin stabile Verhältnis zwischen Stadt und Land aus dem Gleichgewicht brachte. Binnen kürzester Zeit und ungeachtet sozialer Kosten – dies wäre in der Tat etwa nur mit den ländlichen Veränderungen im heutigen China vergleichbar – entwickelten sich Dörfer und Kleinstädte zu regelrechten Molochen. Der Bevölkerungszuwachs, zusätzlich begünstigt durch den Zuzug neuer Arbeitskräfte auch von außerhalb Preußens, geriet außer Kontrolle. Die sich rasant ausbreitenden Industriereviere drangen nicht nur in die bereits engen Wohngebiete, sondern auch in die bisher ländlich geprägten Räume vor. So wurden massive strukturelle Veränderungen in Gang gesetzt, die fortan sowohl die wirtschaftliche als auch die politische und gesellschaftliche Geschichte dieser Region prägen sollten. Festzuhalten ist, dass sich Oberschlesien besonders stark als Raum eines umfangreichen Strukturwandels und massiver Veränderungen des ländlichen Raums manifestiert.

Im Umkehrschluss bedeutet es aber paradoxerweise, dass die durch die Industrie geprägten Städte und Ballungszentren jahrzehntelang in urbaner und auch mentaler Hinsicht weitgehend ländliche Räume mit der ihnen eigenen Lebensform, Tradition, Volksfrömmigkeit und Freizeitgestaltung blieben, dafür auf dem Land sich zunehmend Großgrundbesitzer und Industrielle niederließen. Horst Bienek (1930-1990), ein mittlerweile auch im polnischen Oberschlesien geschätzter Schriftsteller aus Gleiwitz, hat in seinen Oberschlesien-Romanen diese besondere Situation geschildert. Die noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts staatlich legitimierte Unterdrückung der Bauern durch den Adel lebte fort im sozialen Unterschied zwischen auf dem Land lebenden Magnaten und dem großstädtischen, doch immer noch bäuerlich geprägten Proletariat. Im 19. Jahrhundert hielt der aus Beuthen stammende Arzt und Schriftsteller Max Ring in seinen Erinnerungen ein in seiner kontrastvollen Ambivalenz eindrucksvolles Bild fest: „Zerfallene Hütten, von elenden, kranken Menschen bewohnt, neben prächtigen Schlössern und Industriepalästen, in denen Grundbesitzer und Millionäre lebten.“ In den zeitgenössischen Reiseberichten etwa häufen sich Bilder von „Elend und Schmutz jener verkommenen Bevölkerung aus der öden, von dem Rauch unzähliger Hüttenwerke geschwärzten Wüste Oberschlesiens, dieser Brutstätte wiederkehrender Hungerseuchen“.

Schon dieser kurze Rückblick zeigt, dass der mehrere Jahrzehnte andauernde Strukturwandel, mit dem massive Veränderungen im ländlichen Raum stets einhergingen, wobei die erbärmlichen Zustände kaum bewältigt wurden, nicht nur eine wirtschaftlich-technologische, son¬dern vor allem auch eine gesellschaftlich-kulturelle Dimension umfasste. Er wirkt sich nachhaltig auf die regionale Mentalität und die in dieser Region nach der Wende von 1989 intensiv aufkeimende Vielfalt an Identitäten aus. Diese Brandbreite, ja Mehrperspektivität des Themas „ländliche Veränderungen“ gilt es in unseren Überlegungen zu der aktuell in Oberschlesien gegebenen Situation im Auge zu behalten.

II.

Oberschlesien besteht nach der 1997 in Polen erfolgten kommunalen Verwaltungsreform aus zwei Woiwodschaften, die zwar mit den historischen Grenzen nicht identisch sind, doch weitgehend den „kulturhistorischen Kern der Region“ ausmachen. Dabei ist es beachtenswert, dass der westliche Teil der Region – die Woiwodschaft Oppeln (województwo opolskie) – maßgeblich landwirtschaftlich geprägt ist. Der östliche Teil – die Woiwodschaft Schlesien (województwo śląskie) – hingegen ist vor allem industriell geprägt, in etwa dem Ruhrgebiet vergleichbar.1 Beide Gebiete haben in den letzten zwanzig Jahren vielfältige Restrukturierungsmaßnahmen erfahren. In den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch des Kommunismus bestimmte der Konkurs den Umstrukturierungsprozess in der Region wie in ganz Polen. Der Bergbau und die Stahlindustrie, einst Stützen der polnischen Nachkriegsindustrialisierung, befanden sich seit den neunziger Jahren durch Überkapazitäten und Beschäftigungsüberhang in einer tiefen Krise, die das gesamte oberschlesische Industrierevier erfasste. Zwar wurde der Beschäftigungsabbau in der Montanregion durch Sozialprogramme flankiert, die unter anderem Frühpensionierungen und Umschulungen vorsahen. Doch der Verlust von Arbeitsplätzen hatte nicht nur die Existenzgefährdung vieler Arbeiterfamilien zur Folge – er bedeutete vielmehr den Untergang eines durch die Montanindustrie geprägten Lebensstils und eines eigenen sozialen Gemeinschaftslebens.

Von der Härte der strukturellen Veränderungen blieb auch die Landwirtschaft nicht verschont. Schon im Rahmen der Zentralverwaltungswirtschaft in Polen bis 1989 galten die investiven Bemühungen des polnischen Staates in erster Linie den Städten und Industriezentren, während das polnische Dorf benachteiligt blieb. Doch besonders seit Beginn des Transformationsprozesses in Polen nach 1989 kann man eine Vergrößerung der Einkommensdisparitäten zwischen ländlichen und urbanen Gebieten beobachten. Die polnische Landwirtschaft insgesamt ist bis heute, besonders im Vergleich mit der Landwirtschaft in anderen Ländern der Europäischen Union (EU), maßgeblich durch kleinbetriebliche Strukturen geprägt.

Überhaupt begegnen wir in Polen einem ausgeprägten regionalen Gefälle, das in der sehr unterschiedlich verlaufenen historischen Entwicklung begründet liegt. Im Südosten des Landes konnte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zwar eine kleinbäuerliche Agrarstruktur etablieren, die sogar unter der kommunistischen Herrschaft bestehen blieb. Über fast zwei Jahrhunderte konnten sich so auf dem Land stabile soziale Strukturen mit einem hohen Anteil Selbstständiger herausbilden, die ihre bäuerlichen Haushalte eigenverantwortlich gestalten mussten. Damit lagen günstige Voraussetzungen vor, um Sozialkapital – ein kaum zu überschätzendes Potenzial bei der Entwicklung nicht zuletzt des ländlichen Raums – herausbilden. Im Nordwesten des Landes handelt es sich hingegen um ehemals deutsche Ostgebiete, die nach 1945 von Polen aus den verlorenen polnischen Ostgebieten neu besiedelt wurden. Hier wurden in der kommunistischen Zeit große Staatsbetriebe gegründet, die den Bauern weder eine betriebliche Bindung noch einen unabhängigen Status als Landarbeiter boten. Nach dem gesellschaftspolitischen Umbruch von 1989 meldeten diese staatlich-landwirtschaftlichen Großbetriebe reihenweise Konkurs an.

Die „schockartige“ Reformstrategie der ersten demokratischen Regierung in Polen traf den Agrarsektor äußerst hart. Die dort bisher Beschäftigten wurden Anfang der neunziger Jahre zu den ersten Verlierern der marktwirtschaftlichen Realität, denn sie wurden meist in die Arbeitslosigkeit gedrängt und konnten kaum auf einen strategischen „Entwicklungsfonds“ nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ zurückgreifen. Diese Situation wurde zusätzlich durch den Umstand verschärft, dass zu Beginn des umfassenden Transformationsprozesses in Polen die Landwirtschaft und der ländliche Raum angesichts der vielen Probleme des Landes nicht im Mittelpunkt der staatlichen Politik standen. Dies rächt sich zum Teil auch heute noch, da viele ländliche Bewohner selbst sechs Jahre nach dem EU-Beitritt des Landes nicht gewohnt sind, sich selbst um Mittel für die Entwicklung ihrer Region zu bewerben, die Initiative zu ergreifen und sich stärker für das Allgemeinwohl ihrer Region einzusetzen. Eine aktive Zivilgesellschaft im ländlichen Raum greift in diesen Gebieten noch immer nicht – sie wäre jedoch die wesentliche Voraussetzung für eine zukunftsfähige Entwicklung im ländlichen Raum.

Die noch immer unzulänglich ausgebaute Infrastruktur im ländlichen Raum und der Mangel an Beschäftigungsperspektiven stellen ein weiteres bedeutendes soziales Problem dar. Durch den EU-Beitritt Polens flossen sowohl direkte Strukturmittel als auch Gelder für mittel- und langfristige Förderprogramme ins Land. Schätzungen gehen davon aus, dass allein in den Jahren 2004-2007 etwa 20 Prozent der neu geschaffenen Arbeitsplätze in Polen durch EU-Finanzierungen entstanden sind. Doch selbst die Prämien für Kleinbetriebe und die noch vor 2004 geleisteten Beihilfen zur Anpassung an die EU-Standards führten als Sondermaßnahmen nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Obwohl nicht zu übersehen ist, dass die Landbevölkerung in Polen zu den Hauptgewinnern des Integrationsprozesses mit der EU gehört, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass statistische Daten ein insgesamt beunruhigendes Bild vermitteln: Die (nicht selten versteckte) Arbeitslosigkeit auf dem Lande bleibt nach wie vor besonders hoch und liegt bei ca. 23 Prozent, wobei in strukturschwachen Regionen im Nordosten Polens der Anteil der Erwerbslosen sogar 35 Prozent übersteigt. Überdies führen die durch die EU finanzierten „Strukturrenten“ zum Zuwachs an Pensions- und Sozialleistungsempfängern im ländlichen Raum. Darüber hinaus fallen lediglich 0,4 Prozent der Bauernhöfe mit mehr als 50 Hektar Fläche unter die Kategorie der Großbetriebe. Die meisten Höfe sind kleine Familienbetriebe, die größtenteils für den Eigenbedarf produzieren. Folglich liegt das Einkommen der Landbevölkerung durchschnittlich bei nur ca. 38 Prozent des Einkommens der Stadtbevölkerung. Daneben gibt es mittelgroße landwirtschaftliche Betriebe mit mehr als 15 Hektar (ca. 10 Prozent), aus denen mehr als die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Marktproduktion stammt. Vor allem sie haben vom EU-Beitritt Polens enorm profitiert, sind gut aufgestellt, verfügen über moderne, EU-konforme Produktionstechnik und investieren kontinuierlich in ihre Betriebsstruktur. Doch das allgemeine Bild fällt dadurch in struktureller Hinsicht nicht viel positiver aus. Noch 2005 betonte Jan Krzysztof Ardanowski, der Vorsitzende der polnischen Landwirtschaftskammer, dass Polens Landwirtschaft ohne kontinuierliche Hilfe der EU nicht in der Lage sei, sich zu reformieren. Zugleich kritisierte er, dass nach wie vor keine langfristige Konzeption zur Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes in Polen vorläge.

III.

Vor diesem landesweiten Hintergrund wird die abweichende Entwicklung in der Woiwodschaft Oppeln deutlich. Die im Vergleich mit anderen landwirtschaftlich geprägten Regionen Polens recht günstige Entwicklung ist auf mehrere Faktoren zurück zu führen. Dazu zählt u. a. eine stark ausgeprägte regionale Identität der autochthonen Bevölkerung. Diese war für die Erarbeitung nachhaltiger kommunaler und lokaler Strategien zur Entwicklung des ländlichen Raums äußerst fruchtbar. Zu verweisen wäre in diesem Zusammenhang vor allem auf den Erfolg eines Förderprogramms, das neben den EU-Mitteln aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung ländlicher Räume (ELER) in den letzten zwei Jahrzehnten eine beachtliche Rolle in der Oppelner Region spielte und auch aktuell spielt, das so genannte „Programm zur Erneuerung des Dorfes“, das zwar zunehmend auch in anderen polnischen Regionen, doch insbesondere in der Woiwodschaft Oppeln seit mehreren Jahren kontinuierlich und mit großem Erfolg umgesetzt wird. Das „Programm zur Erneuerung des Dorfes” verinnerlicht eine schrittweise entwickelte Methode der lokalen Entwicklung – des Dorfes und seiner Gemeinschaft – und wurde in den ausgehenden siebziger Jahren vor allem in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich entwickelt. Die Idee setzt auf ein jeweils regional verankertes Verantwortungsgefühl für die Entwicklung der Heimatdörfer und Gemeinden. Es gilt das jeweils vorhandene Sozialkapital zu erschließen und zu nutzen, aktives Vereinsleben der jeweiligen Dorfgemeinschaft zu fördern und nicht zuletzt das gesellschaftliche Engagement mit Blick auf gemeinsam definierte Ziele zu bündeln und so für das Gemeinwohl zu nutzen.

Ein anderer relevanter Faktor, der die Entwicklung des ländlichen Raums in der Oppelner Region voranbrachte, hängt mit dem minderheitenpolitischen Status zusammen, den die oberschlesische Bevölkerung nach 1989 für sich beanspruchen durfte. Was ist damit gemeint? Die Oberschlesier, die in der Woiwodschaft Oppeln in geschlossenen, vor allem ländlichen Siedlungsgebieten leben, fanden Aufnahme in Strukturverbänden der erst 1989 offiziell anerkannten deutschen Minderheit in Polen. Allein bis Mitte der neunziger Jahre haben ca. 160.000 Einwohner der Region einen „Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsbürgerschaft“ erfolgreich geltend gemacht und somit keine Arbeitnehmerfreizügigkeit für EU-Bürger aus den neuen ostmitteleuropäischen Ländern abwarten müssen, die mit Blick auf den deutschen und österreichischen Arbeitsmarkt erst am 1. Mai 2011 eintrat. Als „Doppelstaatler“ oder „Zweitpässler“ durften sie schon Anfang der neunziger Jahre in der Bundesrepublik Deutschland – und als „deutsche EU-Bürger“ auch in anderen westeuropäischen Ländern – legal und für höhere Löhne und Gehälter arbeiten. So wurden ca. 35 Prozent der Landbevölkerung im Oppelner Teil Oberschlesiens (ca. 250.000 Personen) zu dauerhaften Arbeitsmigranten bzw. zu „Dauerpendlern“, die allerdings die erworbenen Geldmittel in ihre Region transferierten und so den wirtschaftlichen Aufschwung auch der ländlichen Region maßgeblich begünstigten. Die Bindung dieser Menschen an ihre angestammte Region, untermauert durch eine starke oberschlesisch-regionale Identität, kommt nicht zuletzt in ästhetischer Hinsicht zum Ausdruck, wie es das – in Polen weitaus bekannte und durchaus positiv besetzte – Stereotyp des gepflegten „Oppelner Dorfes“ verkörpert. Gepflegte Bauernhöfe, Investitionen in kommunale Abwasser- und Kläranlagen, eine gute ländliche Infrastruktur, die mit den städtischen Standards mithalten kann, prägen heutzutage das Bild des ländlichen Raums in der Woiwodschaft Oppeln und beeinflussen so eine positive Wahrnehmung dieser Region in Polen.

IV.

Immer deutlicher wird allerdings, dass man in dieser multiethnisch und multikulturell geprägten Region, die von der pendelhaften Arbeitsmigration ihrer Einwohner jahrelang profitierte, längst nicht mehr nur von deren positiven Auswirkungen spricht. Umstritten ist zum Beispiel, ob die gesellschaftlichen Kosten, die mit der Arbeitsmigration unvermeidlich zusammenhängen, noch länger tragbar sind. Es hat sich ein neues Modell des „Oppelner Migranten-Dorfes“ etabliert, in dem bis zu 40 Prozent der Einwohner fehlen und „ihr“ Dorf lediglich an ein oder zwei Wochenenden im Monat oder bei besonderen Familienfesten aufsuchen. Unmittelbare Folge dieser sich bereits fest eingebürgerten Entwicklung sind Eltern- und Familientrennungen, Erziehungsprobleme (Jugendliche wachsen ohne beide Elternteile auf, in der Regel bei ihren Großeltern) und weitestgehende Lockerung des Gemeinde- und Gemeinschaftslebens. Zweifelsohne spielt hier die Woiwodschaft Oppeln – und dies schon seit zwei Jahrzehnten, nicht erst nach dem EU-Beitritt des Landes – eine besorgniserregende traurige „Vorreiterrolle“ in Polen. Die Dörfer um Oppeln entvölkern sich, wie es scheint, unaufhaltsam, und diese Entwicklung wird durch den aktuell negativen demografischen Wandel zusätzlich noch verschärft. Für den ländlichen wie städtischen Raum gilt gleichermaßen, dass er tendenziell an Bevölkerung verliert. Die großstädtischen Metropolen verschlingen die Peripherie. Damit geht vieles verloren: ein Lebensstil, ein besonderer Sinn für die Gemeinschaft oder Nachbarschaft, ein Heimatgefühl, das gerade in Oberschlesien stets als ein wertvoller Teil des regionalen Kulturerbes bewahrt wurde.

Dieses Gut gilt es für die Zukunft zu bewahren, darüber ist man sich in der Region einig. Über Mittel, Instrumente, Wege und Strategien wird im Kreis von Experten aus Kommunalpolitik, Wissenschaft und ländlicher Wirtschaftsförderung mit zunehmender Sorge diskutiert. Doch wo, wenn nicht gerade in dieser Region, erinnert man sich stets an die Verse eines ihrer größten Söhne – des aus dem ländlich geprägten Lubowitz stammenden Dichters Joseph von Eichendorff: „Alles geht zu seiner Ruh./ Wald und Welt versausen,/ Schauernd hört der Wandrer zu,/ Sehnt sich recht nach Hause“. Friedrich Hölderlin wiederum hat den Wunsch nach Wiederherstellung des Vertrauten in einer sich verändernden Welt weniger wehmütig, dafür recht hoffnungsvoll ausgedrückt: „Doch da, wo die Gefahr groß wird, da wächst das Rettende auch.


Fußnote:


  1. Zur Lage vgl. die Skizze am Beginn des Beitrags. Verwaltungssitze der beiden Woiwodschaften sind Oppeln (Opole) und Kattowitz (Katowice). ↩︎