OWEP 2/2002
Schwerpunkt:
Frauen in Mittel- und Osteuropa
Editorial
„Die Probleme der Rollenverteilung zwischen Mann und Frau müssen unbedingt umfassend behandelt werden“, sagt Hanna Suchocka, frühere polnische Ministerpräsidentin, in ihrem Artikel über Frauen und Arbeitswelt, den Sie an erster Stelle in diesem Heft finden können. Es geht also nicht darum, den Frauen einzelne Rechte zuzuerkennen, sondern um eine grundsätzliche Neubewertung und Neuzuordnung der Rollen in Familie und Beruf. Es gibt eigentlich kein Frauenproblem, so ließe sich überspitzt sagen, sondern es handelt sich um ein Männerproblem.
Das wird auch in einigen anderen Beiträgen deutlich, die sich mit der Lage der Frauen in den mittel- und osteuropäischen Staaten und Gesellschaften befassen. Hinter den abstoßenden und verbrecherischen Praktiken des Frauenhandels, der die ärmeren Länder der Region besonders betrifft, stehen Männer: Mädchenhändler, Zuhälter, aber auch die „Kunden“, die zu Prostituierten gehen. So notwendig es ist, den betroffenen Frauen zu helfen, so wichtig ist es auch, durch Abschreckung, Strafe und Bewusstseinsveränderung auf die Männer einzuwirken, die durch ihr Verhalten diesen Skandal erst möglich machen.
Dieses Heft ist dem Schwerpunktthema „Frauen in Mittel- und Osteuropa“ gewidmet. Auch die Pfingstaktion von Renovabis steht dieses Jahr unter dem Motto „Auf SIE kommt es an“. In vieler Hinsicht waren Frauen von den Lasten der Wende am meisten betroffen; die sozialen Schwierigkeiten, vor allem Arbeitslosigkeit, fielen am ehesten auf sie, und für viele von ihnen war das Ende der doppelten Belastung von Haushalt und Familie einerseits und Arbeitsplatz andererseits kein Gewinn. Auch hier gilt: Das ist eigentlich kein spezifisches Frauenproblem, sondern dahinter steht letzten Endes die Frage, wie eine Gesellschaft die Arbeit verteilt, die in ihr zu erbringen ist, und wie sie dafür sorgt, dass Männer und Frauen die Möglichkeit haben, sowohl in Familie als auch im Beruf ihre Erfüllung zu finden. Und damit stehen wir vor einer Frage, welche die westeuropäischen Gesellschaften ebenso beschäftigen muss (oder müsste) wie die neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa.
Die Redaktion